Online-Nachricht - Donnerstag, 26.08.2021

Gewerbesteuer / Einkommensteuer | Erweiterte Kürzung in mitunternehmerischer Betriebsaufspaltung (BFH)

Hat die mehrheitlich an einer Betriebsgesellschaft beteiligte Kommanditistin einer Besitzgesellschaft aufgrund der ihr als Treuhänderin gegenüber Treugebern obliegenden Treuepflicht in der Gesellschafterversammlung der Besitz-KG ihre eigenen Interessen überwiegend den Interessen der Treugeber unterzuordnen, so scheidet die Annahme einer personellen Verflechtung als Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung aus (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Durch die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erreichen Immobiliengesellschaften, die ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen, trotz einer Gewerblichkeit kraft Rechtsform eine im Ergebnis gewerbesteuerfreie Erzielung von Erträgen aus der Immobiliennutzung und -verwaltung sowie deren Veräußerung. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Gesellschaft originär gewerbliche Einkünfte erzielt. Eine Betriebsaufspaltung zwischen der Objektgesellschaft (Besitzgesellschaft) und einer Betriebsgesellschaft schließt die Kürzung mithin nach ständiger Rechtsprechung aus, da in beiden Fällen der Zweck der Besitzgesellschaft von vornherein nicht auf eine Vermögensverwaltung, sondern auf die einheitliche gewerbliche Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr gerichtet ist (, BStBl 1973 II S. 686);

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten sich darüber, ob eine -der Gewährung der erweiterten Kürzung entgegenstehende- Betriebsaufspaltung vorliegt, wenn die hinter der Betriebsgesellschaft stehende Kapitalgesellschaft zwar nicht über die Mehrheit der Stimmrechte bei der Besitzgesellschaft verfügt, aber als Alleingesellschafterin von deren allein geschäftsführungsbefugter Komplementärin beherrschenden Einfluss auf die Geschicke des täglichen Lebens hat.

Die Revision der Klägerin war begründet:

  • Nicht in jedem Fall kann schon allein aufgrund einer Mehrheitsbeteiligung an Besitz und Betriebsunternehmen auf eine personelle Verflechtung geschlossen werden. Vielmehr kann trotz einer nominellen Mehrheitsbeteiligung die Beherrschung durch den Mehrheitsgesellschafter zu verneinen sein.

  • Deshalb können besondere Umstände des Einzelfalls auch bei einer Mehrheitsbeteiligung von Gesellschaftern an Besitz und Betriebsunternehmen die Prüfung erfordern, ob diese Umstände der Durchsetzung eines einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillens in beiden Unternehmen und damit einer personellen Verflechtung entgegenstehen. Eine solche Situation kann u.a. bei einem treuhänderischen Halten der Beteiligung gegeben sein. So gebietet es die dem Treuhänder gegenüber dem Treugeber obliegende Treuepflicht, dass er in der Gesellschafterversammlung seine eigenen Interessen den Interessen des Treugebers unterordnet ().

Anmerkung von Walter Bode, Richter im IV. Senat des BFH:

Den Fall, in dem die Prüfung einer Betriebsaufspaltung in einen Streit um die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG eingekleidet war, hat der IV. Senat des BFH dazu genutzt, um möglicherweise missverständliche Formulierungen in Rz. 29 seines Urteils v. - IV R 4/17 (BStBl II 2020, 710); s. hierzu NWB Online-Nachricht v. 24.9.2020 klarzustellen. Eine personelle Verflechtung als eine der beiden Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn eine Person oder Personengruppe Besitz- und Betriebsunternehmen in der Weise beherrscht, dass sie in der Lage ist, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen. Dabei ist entscheidend, dass die Geschicke des Besitzunternehmens in den wesentlichen Fragen (dazu gehören insbesondere die hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen bestehenden Nutzungsüberlassungsverträge) durch die Person oder Personen bestimmt werden, die auch hinter dem Betriebsunternehmen stehen. Auch bei fehlender Beteiligungsidentität kann eine personelle Verflechtung vorliegen, wenn der Mehrheitsgesellschafter oder die Mehrheits-Personengruppe in beiden Unternehmen ihren geschäftlichen Willen durchsetzen können (Beherrschungsidentität). Demnach ist für die Annahme einer personellen Verflechtung jedenfalls eine Mehrheitsbeteiligung erforderlich. Soweit der IV. Senat des BFH in Rz. 29 des genannten Urteils ausgeführt hatte, dass sich eine personelle Verflechtung ergeben könne, „wenn eine Person oder Personengruppe zwar nicht nach den Beteiligungsverhältnissen, aber nach ihren Befugnissen zur Geschäftsführung bei der Besitz- wie auch der Betriebsgesellschaft in Bezug auf die die sachliche Verflechtung begründenden Wirtschaftsgüter ihren Willen durchsetzen kann“, hat er deshalb klargestellt, dass damit nicht zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass bei Prüfung der Beherrschungsidentität der Frage der Mehrheitsbeteiligung an Besitz- und Betriebsunternehmen keine Bedeutung (mehr) zukomme. Allerdings kann nicht in jedem Fall schon allein aufgrund einer Mehrheitsbeteiligung auf eine personelle Verflechtung geschlossen werden kann, weil besondere Umstände des Einzelfalls auch bei einer Mehrheitsbeteiligung von Gesellschaftern an Besitz und Betriebsunternehmen die Prüfung erfordern können, ob diese Umstände der Durchsetzung eines einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillens in beiden Unternehmen und damit einer personellen Verflechtung entgegenstehen. Im vom BFH entschiedenen Fall stand jedenfalls die treuhänderische Bindung der mehrheitlich an der Besitzgesellschaft beteiligten Kommanditistin einer personellen Verflechtung entgegen. Die vom FG bejahte Frage, ob eine mittelbare Beteiligung an einer - hier - Besitzpersonengesellschaft über eine Kapitalgesellschaft zur Beurteilung einer personellen Verflechtung herangezogen werden kann oder dem das sog. Durchgriffsverbot entgegensteht, brauchte der BFH im Streitfall nicht zu beantworten.

Quelle: ; NWB Datenbank (JT)

Fundstelle(n):
UAAAH-87583