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NWB-EV Nr. 9 vom Seite 308

Lebzeitige Vermögensstrukturierung und Nachfolgeplanung mit Minderjährigen (Teil 1)

Fluch oder Segen?

Dr. Michael Heuser

Die Weitergabe von Vermögen auf die nächste und übernächste Generation will gut geplant sein, um Streitigkeiten zu vermeiden, Steueroptimierungsmöglichkeiten bestmöglich auszuschöpfen und das Vermögen innerhalb der Familie langfristig zu erhalten und zu vermehren. Oftmals besteht der Wunsch von Eltern oder Großeltern, bereits frühzeitig ihre Kinder oder Enkelkinder in ihre eigene Vermögensstrukturierung und Nachfolgeplanung einzubeziehen. Nicht selten sind die Abkömmlinge noch in minderjährigem Alter, so dass sich eine Vielzahl wirtschaftlicher, steuerlicher und vor allem juristischer Fragen bei der Vermögensübertragung und der anschließenden Verwaltung des Minderjährigenvermögens stellt. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick zur schenkweisen Weitergabe von Vermögen an Minderjährige. Hierbei stehen die Übertragung verschiedener Assetklassen, die damit verbundenen rechtlichen Anforderungen sowie die spezifischen Herausforderungen der anschließenden Verwaltung durch die Eltern im Vordergrund.

Teil 2 des Beitrags „Lebzeitige Vermögensstrukturierung und Nachfolgeplanung mit Minderjährigen“ von Heuser finden Sie hier: NWB KAAAH-89364

Kernaussagen
  • Die frühzeitige Einbindung minderjähriger Abkömmlinge in die Vermögensstrukturierung und Nachfolgeplanung verspricht schenkungsteuerliche Vorteile.

  • Den Eltern obliegt als gesetzlichen Vertretern und Sorgeberechtigten grundsätzlich die Verwaltung des Minderjährigenvermögens. Fehlt eigene Expertise, ist insbesondere bei beträchtlichem Vermögen externe Expertise hinzuzuziehen. Bei Verletzung der elterlichen Pflichten kommt eine Haftung gegenüber dem Minderjährigen in Betracht.

  • Die rechtlichen Anforderungen einer Vermögensübertragung an minderjährige Abkömmlinge unterscheiden sich nach Schenkungsgegenstand und konkreter Ausgestaltung des Schenkungsvertrages. Je nach Familien- und Vermögenssituation sollte der Vermögensgegenstand in Abhängigkeit vom anschließenden Verwaltungsaufwand mit Bedacht gewählt werden. Eine Vermögensumschichtung vor Übertragung an den Minderjährigen sollte hierbei in Betracht gezogen werden.

  • Das Familiengericht sollte bei Vermögensübertragungen, die einer Genehmigung bedürfen, frühzeitig eingebunden werden.

I. Motive für lebzeitige Vermögensübertragungen auf Minderjährige

Der Wunsch, lebzeitig Vermögen auf noch minderjährige Kinder oder Enkelkinder zu übertragen, ist weit verbreitet.

Vor allem ältere Menschen möchten „mit warmer Hand“ die nächste und/oder übernächste Generation an ihrem eigenen Vermögen teilhaben lassen. Ausgangspunkt einer lebzeitigen Vermögensübertragung an einen Minderjährigen ist nicht selten der Gedanke, bestehende Steueroptimierungsmöglichkeiten bestmöglich auszuschöpfen. Bei frühzeitiger Übertragung können die im Zehnjahresturnus wiederauflebenden Schenkungsteuerfreibeträge mehrfach ausgeschöpft werden. Je nach Gestaltung fallen Erträge bereits beim Abkömmling an und müssen nicht erst unter Ausnutzung bestehender Freibeträge übertragen werden.

In Einzelfällen kann die Beteiligung eines minderjährigen Familienmitglieds an einem Teil des elterlichen oder großelterlichen Vermögens auch von der Idee geprägt sein, dem Sprössling frühzeitig Verantwortung zu übertragen und ihn schrittweise an den Umgang mit beträchtlichem Vermögen heranzuführen, um langfristig den Erhalt des Familienvermögens zu sichern. Von welchem Motiv auch immer der Übertragungswillige geleitet sein mag, die Entscheidung der Vermögensübertragung auf Minderjährige sollte stets unter Abwägung sämtlicher abstrakter Vor- und Nachteile und insbesondere der Einbeziehung der konkreten Familiensituation getroffen werden.

II. Besonderheiten des Minderjährigenrechts

Anders als dies für viele Themenbereiche des Bürgerlichen Rechts der Fall ist, gibt es im BGB keinen in sich geschlossenen Teil oder Abschnitt, in dem sämtliche Regelungen für Minderjährige übersichtlich und abschließend normiert sind. Sofern man von einem „Minderjährigenrecht“ sprechen möchte, setzt sich dieses aus einer Vielzahl unterschiedlicher, v. a. im S. 309BGB verstreuter Regelungen zusammen. Im Vordergrund all dieser Einzelregelungen steht die Schutzbedürftigkeit des Minderjährigen. Hierfür sieht der Gesetzgeber eine abstrakte Stufung nach Lebensjahren vor. Mit Vollendung der Geburt wird ein Mensch rechtsfähig. Mit anderen Worten kann ein Mensch mit der Vollendung seiner Geburt Träger von Rechten und Pflichten werden. Des Weiteren bestimmt § 2 BGB, dass mit der Vollendung des 18. Lebensjahres die Volljährigkeit eintritt.

Geschäftsfähig wird eine Person grundsätzlich mit Erreichen des 18. Lebensjahres, also mit dem Eintritt der Volljährigkeit. Geschäftsfähigkeit beschreibt die Fähigkeit, wirksam Rechtsgeschäfte für sich oder andere abschließen zu können.

1. (Beschränkte) Geschäftsfähigkeit

Nach dem gesetzlichen Leitbild sind Kinder, die noch nicht das siebente Lebensjahr vollendet haben, generell – unabhängig von deren persönlichen Entwicklung – gemäß § 104 Nr. 1 BGB geschäftsunfähig. Willenserklärungen, die Kinder vor Vollendung des siebenten Lebensjahres abgeben, sind ausnahmslos unwirksam, so dass sie nicht selbst im Rechtsverkehr wirksam agieren können. Rechtsgeschäfte können für Kinder unter sieben Jahren nur deren gesetzliche Vertreter wirksam vornehmen. Im Regelfall sind es beide Elternteile, die die Vertretung des Kindes als wesentlichen Teil der elterlichen Sorge gemeinschaftlich ausüben.

Minderjährige, die zwar das siebente Lebensjahr vollendet haben, aber noch nicht volljährig sind, gelten grundsätzlich als beschränkt geschäftsfähig. Daraus folgt, dass der Minderjährige in bestimmten gesetzlichen Grenzen wirksam Rechtsgeschäfte abschließen kann. Dies ist möglich, wenn

  • der gesetzliche Vertreter vor Abschluss des Rechtsgeschäfts durch den Minderjährigen seine Einwilligung erklärt hat,

  • Rechtsgeschäfte lediglich rechtlich vorteilhaft sind,

  • der gesetzliche Vertreter den Abschluss eines Vertrages genehmigt, den der Minderjährige ohne vorherige Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossen hat,

  • der Minderjährige die vertragsmäßige Leistung für einen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossenen Vertrag mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung von dem gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind, oder

  • der Minderjährige Rechtsgeschäfte im Rahmen eines Geschäftsbetriebs vornimmt, zu dem der gesetzliche Vertreter mit Genehmigung des Familiengerichts den Minderjährigen zum selbständigen Betrieb ermächtigt hat.

Gemein ist den zivilrechtlichen Minderjährigen-Schutzvorschriften der §§ 107 bis 113 BGB, dass die Entscheidungshoheit über die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften, die beschränkt geschäftsfähige Minderjährige abschließen, bei den gesetzlichen Vertretern verbleiben soll.

In der Praxis ist oftmals nicht eindeutig, ob ein Rechtsgeschäft für den Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft ist, was zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen kann. Ob ein Rechtsgeschäft im Einzelfall lediglich rechtlich vorteilhaft ist oder nicht, hat für den Minderjährigen, seine Eltern und den Vertragspartner weitreichende Folgen: Für den Abschluss lediglich rechtlich vorteilhafter Rechtsgeschäfte bedarf ein beschränkt Geschäftsfähiger nicht der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters zum wirksamen Abschluss. Gleichsam sind die gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen von der Vertretung nicht ausgeschlossen, wenn eine abstrakte Interessenkollision gemäß § 181 BGB vorliegt.

Ein Rechtsgeschäft ist lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn es für den Minderjährigen nicht mit rechtlichen Nachteilen verbunden ist. Dabei kommt es auf wirtschaftliche Gesichtspunkte nicht an. Rechtlich nachteilige Wirkungen können aus dem Rechtsgeschäft selbst oder aus gesetzlichen Vorgaben herrühren. Die formalen Anwendungsvoraussetzungen des § 107 BGB werden in der Rechtsprechung oftmals um wertende Gesichtspunkte erweitert. So soll ein Wohn- oder Nießbrauchrecht, das sich der Übertragende für den zu überlassenden Schenkungsgegenstand vorbehält, lediglich zu einer Reduzierung des mit dem Rechtsgeschäft begründeten Vorteils führen und keinen rechtlichen Nachteil für den Minderjährigen begründen. Nachteilig ist indes stets ein Rechtsgeschäft, das zu einer persönlichen Haftung des Minderjährigen auch mit seinem sonstigen Vermögen führt.

2. Vermögenssorge der Eltern als Teil der elterlichen Sorgepflicht

Die Eltern tragen gemäß §§ 1626, 1629 BGB die Verantwortung für ihre minderjährigen Kinder. Sie sind berechtigt, für den Minderjährigen zu entscheiden und zugleich verpflichtet, in seinem Interesse zu handeln.

§ 1642 BGB schreibt den Eltern vor, das ihrer Verwaltung unterliegende Geld des minderjährigen Kindes nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anzulegen, soweit es nicht zur Bestreitung von Ausgaben bereitzuhalten ist. Die Anlagepflicht bezieht sich auf das Barvermögen des Minderjährigen, also jedenfalls auf sein Metall- oder Papiergeld. Ob auch Geldforderungen auf einem Girokonto darunterfallen, ist nicht einheitlich beurteilt, dürfte im Ergebnis aber dahinstehen. Denn die Anlagepflicht beschränkt sich nicht auf die sogenannte Erstanlage, S. 310sondern Eltern sind vielmehr fortlaufend verpflichtet, getätigte Anlagen zu überprüfen und erforderlichenfalls zu ändern. Damit obliegt es auch den Eltern darüber zu entscheiden, ob vorhandenes Vermögen auf einem Girokonto oder Sparbuch bestmöglich angelegt ist – was in Zeiten von Negativzinsen kritisch beurteilt werden muss.

Das Geld ist seitens der Eltern sicher und möglichst gewinnbringend anzulegen, wobei einer sicheren Anlage der Vorrang gegenüber einer Gewinnerzielung zukommt. Hierbei haben die Eltern neben der Rendite und Sicherheit auch Liquidität und die steuerlichen Folgen zu beachten. Als Anlageformen kommen u. a. Immobilien, Aktien, Bausparverträge, festverzinsliche Wertpapiere, Immobilien-Investment-Anteile, Lebensversicherungen, Renten, Unternehmensbeteiligungen in Betracht.

Verletzen Eltern ihre Vermögenssorge, können sie sich gegenüber ihrem minderjährigen Kind für eingetretene Schäden gemäß §§ 823 ff., 1664 BGB schadensersatzpflichtig machen. Beispielsweise ist den Eltern nicht erlaubt, Geld des Kindes für persönliche Zwecke zu gebrauchen. Das Familiengericht kann zudem verschiedene Maßnahmen gegenüber den Eltern zum Schutz des Vermögens des Kindes ergreifen (vgl. Ausführungen unter Abschnitt II.5).

Preis:
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30 Tage

Seiten: 8
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