Online-Nachricht - Donnerstag, 12.08.2021

Einkommensteuer | Grundstücksentnahme bei Bestellung von Erbbaurechten (BFH)

Die Bestellung von Erbbaurechten an land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken und die anschließende Bebauung durch die Berechtigten führt zur Entnahme der Grundstücke, falls die endgültige Nutzungsänderung mehr als 10 % der Gesamtfläche des Betriebs betrifft. Ist die Geringfügigkeitsgrenze von 10 % überschritten, kommt es für das Vorliegen einer Entnahme regelmäßig nicht auf einen Vergleich der Erträge aus der Vermögensverwaltung und der Land- und Forstwirtschaft oder auf die Anwendung anderer Abgrenzungskriterien an (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Streitig ist, ob die Bestellung von Erbbaurechten und die Bebauung mit Wohnhäusern zur zwangsweisen Entnahme landwirtschaftlichen Betriebsvermögens führt.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens verlieren diese Eigenschaft nur durch eine Auflösung des sachlichen oder persönlichen Zusammenhangs mit dem Betrieb (, BStBl II 1985, 395, unter 2.a).

  • Durch eine bloße Nutzungsänderung ohne Entnahmeerklärung verlieren ursprünglich landwirtschaftlich genutzte Grundstücke nach ständiger Rechtsprechung des BFH ihre Eigenschaft als landwirtschaftliches Betriebsvermögen nur, wenn eine eindeutige Entnahmehandlung vorliegt (BFH, Urteil in BFHE 225, 367, BStBl II 2009, 811, unter II.1.a cc).

  • Bei entgeltlich zur Nutzung überlassenen Grundstücken, die zum notwendigen Betriebsvermögen eines Verpachtungsbetriebs gehören (s. , BStBl II 1993, 342, unter 2.), ist das Vorliegen von Betriebsvermögen auch dann nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wenn eine land- oder forstwirtschaftliche Nutzung nicht mehr möglich ist.

  • Solche Grundstücke bleiben bis zu einer Entnahme (geduldetes – gewillkürtes -) Betriebsvermögen, sofern nicht die Nutzungsänderung einen Umfang annimmt, durch den sich der Charakter des landwirtschaftlichen Betriebs derart verändert, dass die Vermögensverwaltung die landwirtschaftliche Betätigung verdrängt (, BStBl II 2003, 16, unter 1.c).

  • Als unschädlich hat der BFH hiernach insbesondere die Bestellung einer Vielzahl von Erbbaurechten und die anschließende Bebauung durch die Erbbauberechtigten mit privaten Wohnhäusern angesehen, wenn die endgültige Nutzungsänderung einen Umfang von nicht mehr als 10 % der landwirtschaftlichen Flächen betraf, auch wenn die Erträge aus der Vermögensverwaltung die land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte überwogen (BFH, Urteil in BFHE 170, 141, BStBl II 1993, 342, unter 3.).

  • Im Streitfall hatte die Nutzungsänderung einen Umfang erreicht, der zu einer Verselbständigung der Vermögensverwaltung führte und damit zu einer Entnahme der dazu dienenden Flächen zwang: Nach den bindenden Feststellungen des FG wurden in den Jahren 1970 bis 1974 Erbbaurechte an (ursprünglich) zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücken im Umfang von 9 739 qm bestellt, was einem Anteil von 10,76 % der Gesamtfläche des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs entsprach. Die Erbbaugrundstücke wurden von den Erbbauberechtigten anschließend mit privat genutzten Wohnhäusern bebaut. Damit war bei den Erbbaugrundstücken eine endgültige Nutzungsänderung in einem Umfang eingetreten, der die Geringfügigkeitsgrenze von 10 % überstieg und der Eigenschaft der Erbbaugrundstücke als (geduldetes) Betriebsvermögen entgegenstand.

  • Der Umstand, dass die Unschädlichkeitsgrenze von 10 % im Streitfall nur geringfügig überschritten ist, führt aus Gründen der Rechtsklarheit und aus Vereinfachungsgründen zu keinem anderen Ergebnis.

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:

Die entgeltliche Bestellung von Erbbaurechten an land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken führt zur Zwangsentnahme der Grundstücke, wenn die endgültige Nutzungsänderung einen Umfang von mehr als 10 % der Gesamtfläche des Betriebs betrifft. Das hat der BFH in der Besprechungsentscheidung nochmals deutlich gemacht.

Zudem hat er klargestellt, dass diese Grenze strikt zu beachten ist. Auch ihr geringfügiges Überschreiten bewirkt eine Zwangsentnahme der belasteten Grundstücke. Auf einen Vergleich der Erträge aus den verschiedenen Nutzungen oder auf die Anwendung anderer Abgrenzungskriterien kommt es erst nicht an. Den dahingehenden (nichttragenden) Rechtsgedanken des IV. Senats des BFH (vgl. , BStBl II 2011, 692) hat der nunmehr für die Besteuerung der Land- und Forstwirte zuständige VI. Senat des BFH nicht aufgenommen.

Betreffen die Erbbaurechte einen Umfang von weniger als 10 % der landwirtschaftlichen Flächen, können die betroffenen Grundstücke als gewillkürtes (geduldetes) Betriebsvermögen hingegen im landwirtschaftlichen Betrieb verbleiben. Bei der Berechnung, ob die spätere Bestellung weiterer Erbbaurechte zu einer Überschreitung der Unschädlichkeitsgrenze führt, bleiben sie unberücksichtigt (, BStBl II 2011, 692).

Das eröffnet Gestaltungsmöglichkeiten dahingehend, die Betriebsflächen Jahr für Jahr mit entgeltlichen Erbbaurechten von weniger als 10 % zu belasten, ohne eine Zwangsentnahme befürchten zu müssen. Insoweit könnte es jedoch nahe liegen, die Fünfjahresgrenze des gewerblichen Grundstückshandels heranzuziehen (Kanzler, FR 2011, 771), und damit einer nachhaltigen und dauerhaften Verkleinerung der landwirtschaftlich genutzten Betriebsflächen "entgegenzuwirken".

Bislang unbeantwortet ist auch die Frage, ob unentgeltliche (nicht aber teilentgeltliche) Erbbaurechtsbestellungen, die ja bereits per se zu einer Entnahme führen, neben den entgeltlichen Erbbaurechtsbestellungen in die Berechnung der 10 %-Grenze einzubeziehen sind, oder ob auch sie zu einer Veränderung der Vergleichsgröße wegen einer Verkleinerung des Betriebs führen.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
JAAAH-86609