Erbschaftsteuer / Bewertung | Gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts gegenüber einem Vermächtnisnehmer (BFH)
Vermächtnisnehmer sind wie Erben und Miterben am Feststellungsverfahren beteiligt, wenn Gegenstand des Vermächtnisses ein nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gesondert zu bewertendes Grundstück ist. Eine (eigene) gesonderte Feststellung von Grundbesitzwerten allein gegenüber dem oder - bei mehreren - den Vermächtnisnehmern ist in §§ 151 ff. BewG nicht vorgesehen (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Ein Erbfall kann mehrere Erwerbstatbestände nach § 3 ErbStG auslösen. Im Fall des Vermächtnisses erfüllen sowohl der Erbe als auch der Vermächtnisnehmer den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Der Erbe erwirbt durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 ErbStG i. V. mit § 1922 BGB), der Vermächtnisnehmer durch Vermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 ErbStG i. V. mit §§ 2147 ff. BGB). Die beiden Erwerbe erfolgen unabhängig voneinander, allerdings mindert der Wert des Vermächtnisses den steuerpflichtigen Erwerb des Erben als Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG). Erben und Vermächtnisnehmer sind jeweils nur Steuerschuldner für ihren eigenen Erwerb (vgl. § 20 Abs. 1 ErbStG).
Sachverhalt: Der 2012 verstorbene Erblasser setzte den Bruder des Klägers zu seinem Alleinerben ein und bestimmte diesen zugleich zum Testamentsvollstrecker. Für den Kläger und dessen beiden Schwestern setzte der Erblasser Vermächtnisse aus. U.a. sollte ein zum Nachlass gehörendes Grundstück zu gleichen Teilen auf die drei Vermächtnisnehmer übergehen.
Hinsichtlich der gesonderten Feststellung des Grundbesitzwerts für Zwecke der Erbschaftsteuer ist streitig, ob ein Feststellungsbescheid, dessen Inhaltsadressat nur einer von mehreren Vermächtnisnehmern ist, mangels inhaltlicher Bestimmtheit nichtig i. S. von § 125 Abs. 1 AO ist. Weiterhin, ob gegenüber einem Vermächtnisnehmer ein eigenständiger Feststellungsbescheid zu erlassen ist.
Die auf Aufhebung des ihm gegenüber erlassenen Feststellungsbescheids gerichtete Klage des Klägers hatte Erfolg ().
Der BFH hat die Revision des FA als begründet angesehen und das FG Urteil aufgehoben:
Zu Unrecht hat das FG den angefochtenen Feststellungsbescheid aufgehoben. Der Bescheid ist weder unbestimmt noch aus anderen Gründen unwirksam.
Ist ein Vermächtnis auf Zuwendung von Grundbesitz gerichtet, ist für die Besteuerung der nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gesondert festzustellende Grundbesitzwert maßgeblich.
Vermächtnisnehmer sind wie Erben und Miterben ebenfalls am Feststellungsverfahren beteiligt, wenn Gegenstand des Sachvermächtnisses ein nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gesondert zu bewertendes, zum Nachlass gehörendes Grundstück ist. Dies folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG, denn die Vermächtnisnehmer schulden nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Erbschaftsteuer, für die die Wertfeststellung von Bedeutung ist.
Die Wertfeststellung nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG ist für die Besteuerung des Vermächtnisnehmers von Bedeutung, denn der festgestellte Grundbesitzwert ist bei der Besteuerung dessen Erwerbs durch Vermächtnis zugrunde zu legen. Der Umstand, dass der Vermächtnisanfall einen anderen Erwerbsvorgang bildet, ist unerheblich. Vermächtnisnehmer sind darüber hinaus am Feststellungsverfahren beteiligt, wenn das Finanzamt sie zur Abgabe einer Feststellungserklärung aufgefordert hat (§ 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG).
Eine (eigene) gesonderte Feststellung von Grundbesitzwerten allein gegenüber dem oder - bei mehreren - den Vermächtnisnehmern ist in §§ 151 ff. BewG nicht vorgesehen. Die Beteiligung der Vermächtnisnehmer nach § 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG spricht gerade gegen eine solche gesonderte Feststellung allein gegenüber den Vermächtnisnehmern.
Ein eigenständiger Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert gegenüber einem Vermächtnisnehmer ist fehlerhaft, aber nicht unwirksam. Ein solcher Bescheid kann in Bestandskraft erwachsen.
Anmerkung von Prof. Dr. Matthias Loose, Richter im II. Senat des BFH:
Bei einem Erbfall mit Vermächtnisanordnung erfüllen sowohl der Erbe als auch der Vermächtnisnehmer den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Der Erbe erwirbt durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 ErbStG i. V. mit § 1922 BGB), der Vermächtnisnehmer durch Vermächtnis ( § 3 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 ErbStG i. V. mit §§ 2147 ff. BGB). Die beiden Erwerbe erfolgen unabhängig voneinander. Der Erbe kann jedoch den Wert des Vermächtnisses als Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG) von seinem Erwerb abziehen.
Gegenstand des Erwerbs des Vermächtnisnehmers ist der schuldrechtliche Anspruch gegen den Erben. Bei einem Grundstücksvermächtnis ist für den Erwerb des Erben und für den des Vermächtnisnehmers jeweils derselbe, nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gesondert festgestellte Grundbesitzwert der Besteuerung zugrunde zu legen. Vermächtnisnehmer sind wie Erben und Miterben am Feststellungsverfahren zu beteiligen (§ 154 Abs. 1 Nr. 3 BewG). Eine (eigene) Feststellung von Grundbesitzwerten gegenüber dem Vermächtnisnehmer ist in §§ 151 ff. BewG nicht vorgesehen. Gleichwohl erlässt die Finanzverwaltung nicht selten eigenständige Feststellungsbescheide über den Grundbesitzwert gegenüber Vermächtnisnehmern. Der BFH hat klargestellt, dass solche Bescheide mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig, aber nicht unwirksam sind. Wird ein solcher Feststellungsbescheid – wie im Streitfall – nicht rechtzeitig vom Vermächtnisnehmer angefochten, ist der dort festgestellte Wert bei dessen Besteuerung zugrunde zu legen.
Quelle: ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
NWB PAAAH-86607