NWB Nr. 32 vom Seite 2321

Auf die Verhandler kommt noch viel Arbeit zu

Martin Kreienbaum | Berlin

Weltumspannende Einigung auf globale effektive Mindestbesteuerung und Digitalbesteuerung

Wenn Regierungen der größten Volkswirtschaften der Welt eine erreichte Vereinbarung als „historisch“ und als „Jahrhundertreform“ bezeichnen, muss ein umwälzendes Ereignis passiert sein. Die Vereinbarung der G20 und darüber hinaus vieler weiterer Staaten zur internationalen Unternehmensbesteuerung ist ein solches Ereignis. Bis auf sechs Länder haben alle der in diesem Zusammenhang als relevant eingestuften 139 Mitgliedstaaten des Inclusive Framework on BEPS unter dem Rubrum der Digitalbesteuerung grundlegenden Weichenstellungen zugestimmt, die vor dem Hintergrund zunehmender Digitalisierung und Globalisierung künftig sowohl eine effektive Mindestbesteuerung großer international operierender Kapitalgesellschaften sicherstellen werden als auch Besteuerungsrechte international neu zuordnen.

Der vereinbarte internationale Regelungsrahmen entfaltet eine nicht zu unterschätzende Bedeutung: Die Regierungen der an der Diskussion beteiligten Staaten haben trotz erheblicher Interessenunterschiede den internationalen Verhandlungstisch nicht verlassen und haben eine international abgestimmte Lösung gefunden, die Mehrfachbesteuerung verhindert. Unilaterale Ansätze, wie sie in einigen – auch europäischen – Staaten erwogen oder auch bereits implementiert wurden, sind damit vom Tisch. Das Inclusive Framework on BEPS hat gezeigt, dass es in der Lage ist, in äußerst komplexen international steuerpolitischen Sachfragen Kompromisse zu ermöglichen.

Die Kernpunkte der neuen Regelungen sind nun auf politischer Ebene vereinbart. Unter der ersten der zwei Säulen umfassenden Vereinbarung werden Besteuerungsrechte über das heute gültige Maß hinaus den Staaten, in deren Märkten diese Unternehmen aktiv sind, zugeordnet. In den Anwendungsbereich fallen Unternehmen, deren Umsätze auf Konzernbasis 20 Milliarden Euro pro Jahr übersteigen. Die zweite Säule stellt ein weltweit gültiges effektives Mindestbesteuerungsniveau auf den Gewinn in Höhe von mindestens 15 % sicher. Diese Regelung gilt für Unternehmen ab 750 Millionen Euro Jahresumsatz. Noch offene technische Detailfragen – aber auch einige Fragen von politischer Erheblichkeit – sollen bis Oktober dieses Jahres beantwortet werden. Gleichzeitig wird ein Implementierungsplan erarbeitet werden, der die rechtliche Umsetzung beider Säulen schon im kommenden Jahr gewährleisten soll, so dass die neuen Regelungen schon ab dem Jahre 2023 gelten können.

Auf europäischer Ebene ist zu erwarten, dass die Europäische Kommission bereits in diesem Jahr konkrete Vorschläge zur einheitlichen Umsetzung der beiden Säulen innerhalb der Europäischen Union vorlegen wird, die dann unter der kommenden französischen Ratspräsidentschaft in der ersten Jahreshälfte 2022 beraten werden.

Das bereits Erreichte ist ausgesprochen ermutigend, der ins Auge gefasste Arbeitsplan zu den noch ausstehenden Sachfragen und vor allem der Implementierungsplan sind sehr ehrgeizig. Auf die Verhandler kommt noch viel Arbeit zu – und nach Implementierung auch auf die Steuerverantwortlichen in den Unternehmen.

Martin Kreienbaum

Fundstelle(n):
NWB 2021 Seite 2321
NWB JAAAH-86486