BVerwG Beschluss v. - 1 WB 26/20

Unzulässiger Feststellungsantrag, unbegründeter Antrag in einem Konkurrentenstreit um einen A 16-Dienstposten

Gesetze: Art 3 Abs 1 GG, Art 3 Abs 3 S 2 GG, § 43 Abs 2 VwGO, § 19 Abs 1 S 3 WBO, § 21 Abs 2 WBO, § 23a Abs 2 S 1 WBO

Tatbestand

1Der Antrag betrifft die Besetzung des mit A 16 bewerteten Dienstpostens eines Verbindungsstabsoffiziers im deutschen Verbindungskommando beim Ministry of Defence in Großbritannien.

2Der 1962 geborene Antragsteller ist Diplom-Pädagoge und seit 1990 Berufssoldat. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem März 2024 enden. Mit Wirkung zum wurde er zum Oberst befördert und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 16 eingewiesen. Mit Wirkung vom ist für ihn eine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 80 festgestellt worden. Zum wurde er an die ... versetzt, wo er auf verschiedenen Dienstposten ... verwendet wurde. Zudem war er in der Folgezeit auch beim Bundesministerium der Verteidigung als Grundsatzreferent Militärpolitik und bilaterale Beziehungen, als Verbindungsoffizier im britischen Verteidigungsministerium und als Heeresattaché im Militärattachéestab London verwendet worden. Seinen letzten Auslandseinsatz absolvierte er 2003/2004 im Kosovo. Am wurden ihm die Kompetenzbereiche Militärpolitik sowie Führung und Einsatz zugewiesen. Seine zum Stichtag erstellte und ihm am eröffnete planmäßige Beurteilung weist für ihn die Kompetenzbereiche Militärpolitik und Ausbildungsmanagement aus.

3Der 1965 geborene Beigeladene ist Diplom-Staatswissenschaftler und seit 1994 Berufssoldat. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem März 2027 enden. Er wurde im August 2018 zum Oberst ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 16 eingewiesen. Seinen letzten Auslandseinsatz absolvierte er vom 26. Mai bis zum in Kabul. Bis zu seiner Versetzung auf den streitigen Dienstposten war er bei der ... verwendet worden. Davor war er seit Juli 2014 als Austauschreferent im britischen Verteidigungsministerium eingesetzt. Seine planmäßige Beurteilung zum Stichtag weist die Kompetenzbereiche Militärpolitik und Führung und Einsatz aus.

4Der Antragsteller hatte sich unter dem für den streitgegenständlichen Dienstposten beworben.

5Unter dem wurde der Antragsteller darüber informiert, dass er nicht die zwingenden Bedarfsträgerforderungen für den streitigen Dienstposten erfülle. Der Bedarfsträger verlange aktuelle Einsatzerfahrung auf Stabsoffiziersebene aus den vergangenen fünf Jahren. Er habe seinen letzten Auslandseinsatz 2004 absolviert. Die Forderung sei üblich und zulässig. Der Antragsteller könne für andere Dienstposten in Großbritannien oder dem weiteren Ausland mitbetrachtet werden.

6Unter dem beschwerte sich der Antragsteller hiergegen. Er habe in den Jahren 1995 und 2004 seine Bereitschaft zu Auslandseinsätzen bewiesen. Nach Erkrankungen ... und ... sei er schwerbehindert. Durch die Bedarfsträgerforderung nach aktueller Einsatzerfahrung entstehe ihm als Schwerbehinderten ein Nachteil. Nach Eignung, Leistung und Befähigung werde er im Hinblick auf seine sonstigen Qualifikationen benachteiligt.

7Die Bezirksschwerbehindertenvertretung der Streitkräftebasis teilte nach Anhörung unter dem mit, der Antragsteller müsse nicht mitbetrachtet werden, da der Bedarfsträger eine Einsatzerfahrung in den vergangenen fünf Jahren fordere und der Antragsteller dieses Erfordernis nicht erfülle. Eine Benachteiligung eines schwerbehinderten Soldaten werde nicht gesehen. Diese Sichtweise werde auch durch die Hauptschwerbehindertenvertretung beim Bundesministerium der Verteidigung geteilt.

8Mit Entscheidung des Staatssekretärs vom wurde der Beigeladene für die Besetzung der Stelle zum ausgewählt.

9Nach der dem Entscheidungsvorschlag der Präsidentin des Bundesamtes für das Personalmanagement vom beigefügten Auswahldokumentation sind dem Dienstposten die folgenden Hauptaufgaben zugeordnet:

- Repräsentieren der Bundeswehr und der Bundesrepublik Deutschland im Britischen Ministry of Defence

- Berichterstattung und Beantwortung von Informationsersuchen über Entwicklungen und Planungen in den britischen Streitkräften gemäß Weisung BMVg, Kdo SKB, KdoH, Kdo Lw, MarKdo, SanKdo über MilAttStab London

- Wahrnehmung und Vertretung der Interessen der Bundeswehr und der Bundesrepublik Deutschland im Britischen Ministry of Defence nach Weisung MilAttStab London

- Beantwortung von Informationsersuchen der britischen Seite

- Vorbereiten und Teilnehmen an bilateralen Gesprächsformaten auf Ebene Ministeriums (BMVg - MoD) und Militärischer Organisationsbereiche

- Planen, Vorbereiten und Durchführen von Tagungen, Besuchen und Besprechungen deutscher Delegationen im MoD.

10Als Besonderheiten wird angeführt

- DA im Dienstgrad Oberst/Kapitän zur See

- DP nimmt in Nebenfunktion die Aufgaben des VO im PJHQ GBR wahr

11Hiernach gehören - neben verschiedenen wünschenswerten Erfordernissen - zu den zwingenden Kriterien des Anforderungsprofils:

- Referent BMVg vor StOffz BMVg vor vergl. Verwendung

- LGAN

- Kompetenzbereich Führung/Einsatz

- ATN 1000103 - G 3 oder Verwendung als G 3/A 3/Einsatzstabsoffizier

- ATN 1002903 - Verbindungsstabsoffizier Streitkräfte oder Vorverwendung im Verbindungswesen

- Vorverwendung im integrierten/internationalen Bereich in Großbritannien

- Vorverwendung als Bataillonskommandeur oder vergleichbar

- Erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen Ü 3

- Englisch SLP 4343

- Einsatzerfahrung auf der Stabsoffizierebene in den vergangenen 5 Jahren

- Hochschulstudium mit Abschluss

12Ausweislich des Planungsbogens wurde der Antragsteller mitbetrachtet, aber - ebenso wie zwei weitere Oberste - mangels Einsatzerfahrung in den vergangenen fünf Jahren nicht weiter betrachtet.

13Der Auswahl lag die am getroffene Organisationsgrundentscheidung "Querversetzung" zugrunde.

14Auf Nachfrage erklärte der Antragsteller am , eine Vorlage seines Rechtsbehelfs an den Senat zu wünschen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom dem Senat vorgelegt.

15Der Antragsteller führt aus, er beantrage nicht die Aufhebung der Versetzung des Beigeladenen, sondern die Feststellung, dass er ungerecht behandelt werde. Er werde allein wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Die Bedarfsträgerforderung nach aktueller Einsatzerfahrung sei für den von Bürotätigkeiten geprägten Dienstposten nicht zwingend notwendig. Dass aktuelle Einsatzerfahrung für die Funktion des Verbindungsoffiziers zum britischen Permanent Joint Head Quarter (PJHQ) notwendig sei, überzeuge nicht. Eine Personalentscheidung sei auf eine unbestimmte Zukunft ausgerichtet. Welcher Erfahrungsschatz in den nächsten vier Jahren hilfreich sei und ob Erfahrungen aus Auslandseinsätzen der vergangenen fünf Jahren noch künftig nutzbar seien, sei zweifelhaft. Die Frage sei über den konkreten Einzelfall hinaus bedeutend. Mit nicht schwerbehinderten Mitbewerbern, die das Kriterium aktueller Einsatzerfahrung nicht erfüllten, sei er nicht vergleichbar, weil diese die Erfahrungen noch erwerben könnten. Dass das Bundesministerium der Verteidigung sein in der Vergangenheit erworbenes Wissen als nutzlos bezeichne, sei ein Schlag ins Gesicht. Anzumerken sei weiter, für den Beigeladenen sei eine Vorverwendung auf einem Dienstposten als Erfüllung eines zwingenden Kriteriums anerkannt worden, auf dem dieser sein Nachfolger gewesen sei. Diese Verwendung werde ihm dagegen nicht als Erfüllung dieses Kriteriums anerkannt. Ein Militärattaché sei nicht bei einem befreundeten Verteidigungsministerium angesiedelt, sondern unterstehe dem Auswärtigen Amt und der Botschaft. Ihm sei die Zuweisung des Kompetenzbereichs Ausbildungsmanagement nicht mitgeteilt worden. Vielmehr seien ihm die Kompetenzbereiche Militärpolitik und Führung und Einsatz zugewiesen.

16Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

17Zwar sei die Beschwerde vom noch vor der Sachentscheidung vom gestellt worden. Jedoch sei sein Begehren nunmehr endgültig abgelehnt und der auf Aufhebung der Besetzungsentscheidung und Neubescheidung gerichtete Rechtsbehelf damit wirksam geworden. Der im gerichtlichen Verfahren gestellte Feststellungsantrag sei mangels Erledigung des Verpflichtungsbegehrens oder Nichtigkeit der Besetzungsentscheidung und mangels Feststellungsinteresses unzulässig.

18Im Übrigen sei die Nichtberücksichtigung des Antragstellers rechtskonform und der Feststellungsantrag unbegründet. Zwar komme der Antragsteller wie der Beigeladene für eine Querversetzung, die hier rechtskonform zugrunde gelegt und ordnungsgemäß dokumentiert sei, in Betracht. Hierbei sei aber nach militärischer Zweckmäßigkeit zu entscheiden. Der Grundsatz der Bestenauslese komme auch nicht durch freiwillige Selbstbindung zur Anwendung. Da bei der dotierungsgleichen Querversetzung der künftige Status eines Soldaten nicht berührt sei, seien geringere Anforderungen an die Rechtmäßigkeit von Ausschlusskriterien des Anforderungsprofils zu stellen. Der Grundsatz der Bestenauslese gelte nur eingeschränkt. Die Forderung nach aktueller Einsatzerfahrung sei wegen einer Umstrukturierung 2019, nach der dem Dienstposteninhaber die Aufgaben des Verbindungsmannes zum PJHQ übertragen worden seien, erfolgt. Aktuelle Erfahrungen seien zweckmäßiger als länger zurückliegende. Die Forderung nach nicht länger als fünf Jahren zurückliegenden Erfahrungen sei bereits großzügig bemessen. Ihr Erfordernis ergebe sich aus einer Stellungnahme des Leiters der Deutschen Delegation in Großbritannien. Der Beigeladene erfülle das Anforderungsprofil vollumfänglich. Dem Antragsteller würde aktuelle Einsatzerfahrung fehlen. Er sei hiernach unabhängig von seiner Schwerbehinderung nicht ausgewählt worden. Auch andere, nicht schwerbehinderte Oberste seien mangels aktueller Einsatzerfahrung nicht ausgewählt worden. Den Vorgaben des Sozialgesetzbuches IX und der ZDv A-1420/37 zum Schutze Schwerbehinderter sei genügt. Die zuständigen Schwerbehindertenvertretungen seien gehört worden. Auf die Kompetenzbereichszuweisung des Antragstellers komme es nicht mehr an. Der Antragsteller stehe in der vierten Verwendung in der ... und werde daher in den Kompetenzbereichen Militärpolitik und Ausbildungsmanagement betrachtet.

19Der Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

20Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers und des Beigeladenen haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Gründe

21Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg. Denn er ist unzulässig und unbegründet.

221. Der Antragsteller hat lediglich den prozessualen Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gestellt, ohne einen konkreten Sachantrag zu formulieren. Sein Rechtsschutzbegehren ist daher im Lichte seines Sachvortrages dahin auszulegen(§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 86 Abs. 3 VwGO), dass er die Feststellung der Rechtswidrigkeit seines Ausschlusses aus dem Auswahlverfahren für die Besetzung des streitgegenständlichen Dienstpostens begehrt. Einer Auslegung seines Begehrens als Anfechtungs- und Neubescheidungsantrag steht entgegen, dass der Antragsteller mit Schriftsatz vom ausdrücklich erklärt hat, nicht die Aufhebung der Verfügung zugunsten des Beigeladenen, sondern die Feststellung, selbst ungerecht behandelt worden zu sein, zu begehren.

232. Der Antrag ist mit dem verfolgten Feststellungsziel unzulässig.

24Wendet sich ein Soldat dagegen, trotz eines entsprechenden Versetzungsantrages nicht für die Besetzung eines konkreten Dienstpostens ausgewählt worden zu sein, kann er sein Begehren im Wege des auf Neubescheidung gerichteten Verpflichtungsantrages weiterverfolgen. Damit ist die Aufhebung der seinem Antrag entgegenstehenden Entscheidung notwendig verbunden. Hinter dieser Rechtsschutzmöglichkeit tritt der subsidiäre Feststellungsantrag zurück (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 43 Abs. 2 VwGO).

25Da sich der Verpflichtungsantrag nicht durch die Versetzung des Beigeladenen auf den streitigen Dienstposten erledigt hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 Rn. 39 m.w.N., vom - 1 WDS-VR 4.18 - juris Rn. 11 und vom - 1 WB 4.19 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 97 Rn. 19), entscheidet der Senat nicht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO, ob die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist. Zudem hat der Antragsteller weder substantiiert ein Feststellungsinteresse geltend gemacht (vgl. BVerwG 1 WB 42.09 - Buchholz 450.1 § 19 WBO Nr. 3 m.w.N.) noch ist ein solches feststellbar. Da der Antragsteller wegen der Nichterfüllung eines dienstpostenabhängigen Kriteriums des Anforderungsprofils aus dem Auswahlverfahren ausgeschieden ist und dies nicht mit seinem Ansehen abträglichen Erwägungen begründet wurde, fehlt es an einem Rehabilitierungsinteresse. Die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches erscheint von vornherein aussichtslos. Da nicht konkret absehbar ist, dass in naher Zukunft eine gleichartige Entscheidung unter im Wesentlichen gleichartigen Verhältnissen zu Lasten des Antragstellers zu erwarten ist, fehlt es auch an einer Wiederholungsgefahr.

263. Der Antrag ist zudem unbegründet. Die Auswahl des Beigeladenen für den streitigen Dienstposten und die angegriffenen Bescheide verletzen den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Er hätte daher auch keinen Anspruch auf eine Neubescheidung seines Antrages, auf den streitigen Dienstposten versetzt zu werden.

27a) Die angegriffenen Entscheidungen sind nicht wegen formeller Mängel der Auswahlentscheidung rechtswidrig.

28aa) Insbesondere ist der Dokumentationspflicht Genüge getan. Bei dotierungsgleichen Versetzungsentscheidungen gelten grundsätzlich nicht dieselben Dokumentierungspflichten wie bei Konkurrentenstreitigkeiten um höherwertige Dienstposten; hier müssen nur die allgemeinen Begründungsanforderungen nach § 39 Abs. 1 VwVfG erfüllt werden. Danach sind zwar die für die Ermessensentscheidung leitenden Gesichtspunkte schriftlich niederzulegen. Der Personalbehörde steht es jedoch in diesen Fällen nach § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 114 Satz 2 VwGO offen, ihre Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren zu ergänzen ( 1 WB 40.17 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 90 Rn. 39).

29Diesen Anforderungen ist vollumfänglich genügt worden, da sowohl die Organisationsgrundentscheidung für eine dotierungsgleiche Querversetzung als auch die Hauptaufgaben des streitigen Dienstpostens, die - zwingenden und wünschenswerten - Kriterien des Anforderungsprofils und die wesentlichen, die Auswahlentscheidung tragenden Erwägungen in dem Planungsbogen schriftlich niedergelegt sind.

30bb) Die im Hinblick auf die Einbeziehung des Antragstellers in das Kandidatenfeld erforderliche Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ist erfolgt.

31Gemäß § 178 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX in der Fassung vom , der seit an die Stelle der früheren Regelung in § 95 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX getreten ist, ist die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die (hier:) einen einzelnen schwerbehinderten Menschen berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung getroffenen Entscheidung ist auszusetzen und die Beteiligung innerhalb von sieben Tagen nachzuholen.

32Vorliegend ist das Einverständnis sowohl der Bezirksschwerbehindertenvertretung der Streitkräftebasis als auch der Hauptschwerbehindertenvertretung beim Bundesministerium der Verteidigung dokumentiert.

33cc) Die Anhörung des Personalrats bei der Auswahlentscheidung war nicht geboten. § 24 Abs. 4 Satz 2 SBG schließt die Beteiligung der Vertrauensperson bzw. des Personalrats (§ 63 Abs. 1 Satz 1 SBG) bei Dienstposten der Besoldungsgruppe A 16 und höher auch bei einer Entscheidung über die Verwendung auf einem höherwertigen Dienstposten im Vorfeld einer (späteren) Beförderung aus (vgl. zu § 23 Abs. 3 Satz 2 SBG a.F. 1 WB 60.10 - Buchholz 449.7 § 23 SBG Nr. 8 Rn. 29 ff.).

34b) Die Auswahlentscheidung verletzt auch materielle Rechte des Antragstellers nicht.

35aa) Zwar gilt für Entscheidungen über höherwertige, die Beförderung in den höheren Dienstgrad oder die Einweisung in die Planstelle einer höheren Besoldungsgruppe vorprägenden Verwendungen der Grundsatz der Bestenauslese (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 1.13 - Buchholz 449.2 § 6 SLV 2002 Nr. 6 Rn. 32 und vom - 1 WB 42.16 - juris Rn. 31). Er gilt aber regelmäßig nicht für den Fall, dass ein Dienstposten dotierungsgleich im Wege der Querversetzung besetzt werden soll (vgl. - auch zu hier nicht einschlägigen möglichen Ausnahmefällen - BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 40.17 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 90 Rn. 22 ff. und vom - 1 WB 1.18 - juris Rn. 26). Anders als bei Beförderungsentscheidungen ist der Dienstherr bei Querversetzungen nicht verpflichtet, die Besetzung ausschließlich an Eignungs- und Leistungskriterien auszurichten, sondern kann auch sonstige Zweckmäßigkeitserwägungen anstellen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat sich bei der Auswahl der Bewerber auch nicht freiwillig den strengen Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 SG unterworfen.

36Der Antragsteller wird durch die Auswahl des Beigeladenen im vorliegenden Versetzungsverfahren auch nicht in seinem Rechten auf ermessensfehlerfreie Entscheidung und Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 GG verletzt. Für das Modell der Querversetzung gilt der Grundsatz, dass ein Soldat keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung oder auf eine Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten hat. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder die zuständige personalbearbeitende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen über die Verwendung eines Soldaten (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 30.02 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 30 S. 24 und vom - 1 WB 42.16 - juris Rn. 32). Diese Ermessensentscheidung kann vom Wehrdienstgericht nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die personalbearbeitende Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 114 VwGO). Die gerichtliche Überprüfung richtet sich auch darauf, ob die vom Bundesministerium der Verteidigung im Wege der Selbstbindung in Erlassen und Richtlinien festgelegten Maßgaben und Verfahrensvorschriften eingehalten sind, wie sie sich hier insbesondere aus dem Zentralerlass (ZE) B-1300/46 "Versetzung, Dienstpostenwechsel, Kommandierung" bzw. der seit geltenden Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-1420/37 "Versetzung, Dienstpostenwechsel und Kommandierung von Soldatinnen und Soldaten" ergeben (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 57.02 - BVerwGE 118, 25 <27> und vom - 1 WB 42.16 - juris Rn. 32).

37bb) Hiernach ist die Versetzung des Beigeladenen auf den streitigen Dienstposten nicht zu beanstanden. Sie ist nicht ermessensfehlerhaft. Der Antragsteller musste nicht in einen Leistungsvergleich mit dem Beigeladenen einbezogen werden, da der Dienstherr nach der von ihm im Rahmen der Ausübung seines Organisationsspielraumes gewählten Verfahrensgestaltung nur solche Bewerber in die nähere Auswahl für die Querversetzung genommen hat, die ein bestimmtes Eignungsprofil erfüllten. Zu diesen gehört der Antragsteller nicht.

38Der Beigeladene erfüllt alle im Planungsbogen festgehaltenen dienstpostenbezogenen Voraussetzungen, insbesondere diejenigen, deren Nichterfüllung den Antragsteller von der weiteren Betrachtung ausschlossen. Die den Antragsteller von der Betrachtung ausschließenden Kriterien des Anforderungsprofils sind rechtlich nicht zu beanstanden.

39Steht - wie vorliegend - ein im Wege der reinen Querversetzung zu besetzender Dienstposten in Rede, kommt dem Dienstherrn bei der Ausgestaltung des Anforderungsprofils ein weites Organisationsermessen zu, das hinsichtlich der Maßgaben militärischer Zweckmäßigkeit nicht, im Übrigen nur auf sachfremde Erwägungen gerichtlich überprüfbar ist ( 1 WB 39.07 - BVerwGE 133, 1 Rn. 42 und Urteile vom - 2 A 9.07 - BVerwGE 132, 110 Rn. 54 sowie vom - 2 A 7.09 - BVerwGE 141, 361 Rn. 18). Welche Qualifikationen für die Effektivität der Auftragserfüllung auf einem Dienstposten erforderlich sind, entscheidet der Dienstherr im Rahmen seines organisatorischen und personalwirtschaftlichen Ermessens (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WDS-VR 8.16 - Rn. 32, vom - 1 WB 32.17 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 100 Rn. 32).

40Hiernach hat der Dienstherr seinen Organisationsspielraum nicht dadurch überschritten, dass er vom Inhaber des Dienstpostens verlangt, über aktuelle, nicht mehr als fünf Jahre zurückliegende Erfahrung aus Auslandseinsätzen zu verfügen. Dies ist sachgerecht damit begründet, dass der Dienstposteninhaber auch die Funktion des deutschen Verbindungsoffiziers beim Permanent Joint Headquarter in Großbritannien wahrnimmt. Diese Stelle ist dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr vergleichbar. Sie plant, koordiniert und überwacht nach der erläuternden Stellungnahme des Leiters der Deutschen Delegation in Großbritannien alle militärischen Operationen und Einsätze in Übersee. Nachvollziehbar wird für den deutschen Verbindungsmann bei dieser Stelle nicht nur generell Einsatzerfahrung, sondern auch aktuelle Einsatzerfahrung verlangt. Das Bundesministerium der Verteidigung führt plausibel aus, dass dies für die Akzeptanz des Dienstposteninhabers bei den britischen Streitkräften und die effiziente Erfüllung der Aufgabe erforderlich ist.

41Diese Anforderung verletzt auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und stellt keine unzulässige Benachteiligung behinderter Menschen (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG) dar. Dabei kann zugunsten des Antragstellers davon ausgegangen werden, dass auch die unterbliebene Auswahl für einen dotierungsgleichen Dienstposten einen Nachteil darstellt, weil darin jedenfalls ein Ausschluss von Betätigungs-und Entfaltungsmöglichkeiten liegt ( - BVerfGE 96, 288 <303>). Der Antragsteller macht selbst nicht geltend, dass das Erfordernis einer aktuellen Einsatzerfahrung aus den letzten fünf Jahren unmittelbar an die Behinderung anknüpft (direkte Ungleichbehandlung). Vielmehr sieht er darin eine mittelbare Benachteiligung (indirekte Ungleichbehandlung), weil schwerbehinderte Soldaten regelmäßig eine entsprechende zeitnahe Vorverwendung nicht aufweisen können. Auch wenn einige erst kürzlich schwerbehindert gewordene Soldaten das Kriterium erfüllen und umgekehrt auch nicht schwerbehinderte Bewerber daran scheitern können, wird man eine mittelbare nachteilige Auswirkung des Erfordernisses einer aktuellen Einsatzerfahrung auf dauerhaft schwerbehinderte Soldaten nicht in Abrede stellen können. Allerdings kann eine mittelbare Schlechterstellung behinderter Soldaten oder Beamten sogar bei Verwendungs- und Beförderungsentscheidungen nach Art. 33 Abs. 2 GG bzw. § 3 Abs. 1 SG durch zwingende dienstliche Gründe gerechtfertigt sein (vgl. 2 A 6.06 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 35 Rn. 20 und - BVerfGK 14, 492 Rn. 11). Diese Einschränkung ist durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt. Bei bestimmten militärischen Führungspositionen kann es insbesondere die in Art. 87a Abs. 1 GG vorausgesetzte Funktionsfähigkeit der Bundeswehr zwingend erforderlich machen, dass aktuelle Erfahrungen im militärischen Einsatzgeschehen vorliegen.

42Dementsprechend sehen Nr. 509 Satz 3 der Zentralen Dienstvorschrift A-1473/3 "Inklusion schwerbehinderte Menschen" und Nr. 216 Satz 2 der Zentralen Dienstvorschrift A-1420/37 "Versetzung, Dienstpostenwechsel und Kommentierung von Soldatinnen und Soldaten" vor, dass begründeten Anträgen schwerbehinderter Soldaten auf Versetzung nur entsprochen werden kann, wenn dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. Dienstliche Gründe stehen entgegen, wenn dem Antragsteller die Eignung für den Dienstposten fehlt. Hieran fehlt es ihm, wenn er ein zwingendes Kriterium des Anforderungsprofils nicht erfüllt. Hier ist aus einleuchtenden, in den Aufgaben des Dienstposteninhabers liegenden Gründen eine maximal fünf Jahre zurückliegende Vorverwendung gefordert, weil die Funktion eines Verbindungsoffiziers zum Permanent Joint Headquarter nur mit entsprechend aktuellem Erfahrungswissen sinnvoll wahrgenommen werden kann. Es kommt daher nicht darauf an, dass auf dem streitigen Dienstposten selbst keine Anforderungen an die körperliche Eignung gestellt werden, die der Antragsteller als Schwerbehinderter nicht erfüllen könnte.

43Angesichts der Hauptaufgaben des Dienstpostens war es sachgerecht, vom Dienstposteninhaber die Zuordnung zum Kompetenzbereich Führung und Einsatz zu verlangen. Der Antragsteller trägt zwar unter Vorlage der entsprechenden Entscheidung vom zutreffend vor, dass ihm im Januar 2012 die Kompetenzbereiche Militärpolitik sowie Führung und Einsatz zugewiesen waren. Dies gibt auch seine planmäßige Beurteilung zum Stichtag wieder. Allerdings weist die Beurteilung zum Stichtag dem Antragsteller die Kompetenzbereiche Militärpolitik und Ausbildungsmanagement zu. Angesichts der langjährigen Verwendung des Antragstellers an der ... ist plausibel, dass dem Antragsteller 2017 neue Kompetenzbereiche zugeordnet wurden, auch wenn ihm kein Bescheid ausgehändigt wurde. Spätestens mit der Eröffnung der planmäßigen Beurteilung 2017 war ihm die Änderung seiner Kompetenzbereiche bekannt.

444. Der Beigeladene, der keinen eigenen Sachantrag gestellt hat, trägt seine Aufwendungen selbst.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2021:310321B1WB26.20.0

Fundstelle(n):
PAAAH-86484