BGH Urteil v. - III ZR 96/20

AGB-Kontrollklage: Wirksamkeit einer Sperrklausel eines Mobilfunkanbieters; Voraussetzungen einer Beschränkung der Revisionszulassung

Gesetze: § 45k Abs 2 S 1 TKG, § 126 Abs 1 BGB, § 126b BGB, § 307 Abs 1 S 1 BGB, § 307 Abs 1 S 2 BGB, § 307 Abs 2 Nr 1 BGB, § 1 UKlaG, § 4 UKlaG, § 19 TKV

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 1 U 46/19 Urteilvorgehend LG Frankfurt Az: 2-24 O 99/18

Tatbestand

1Der in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Kläger hat die Beklagte, ein Mobilfunkunternehmen, wegen der Verwendung einer Preisklausel und von Teilen einer Sperrklausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) auf Unterlassung in Anspruch genommen. Im Revisionsverfahren allein noch streitgegenständlich sind der Einleitungssatz der Sperrklausel in Ziffern VII 1 AGB und die sogenannte Textklausel in Ziffern VII 1 Buchst. a Satz 1 AGB der Sperrklausel. Diese lautet wie folgt:

"VII. Sperre

1. Unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften ist der Diensteanbieter berechtigt, die Inanspruchnahme seiner Leistungen ganz oder teilweise zu verweigern (Sperre),

a. wenn der Kunde nach Abzug etwaiger Anzahlungen mit Zahlungsverpflichtungen von mindestens 75 Euro gemäß Ziffer IV, V und VI in Verzug ist und der Diensteanbieter die Sperre mindestens zwei (2) Wochen zuvor in Textform angedroht und dabei auf die Möglichkeit des Kunden, Rechtsschutz vor den Gerichten zu suchen, hingewiesen hat. Bei der Berechnung des vorgenannten Mindestbetrages bleiben nicht titulierte Forderungen, die der Kunde form- und fristgerecht und schlüssig begründet beanstandet hat, außer Betracht. Ebenso bleiben nicht titulierte bestrittene Forderungen Dritter im Sinne des § 45h Absatz 1 Satz 1 TKG außer Betracht. Dies gilt auch dann, wenn diese Forderungen abgetreten worden sind. Die Bestimmungen der vorstehenden Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Diensteanbieter den Kunden zuvor zur vorläufigen Zahlung eines Durchschnittsbetrags nach § 45j TKG aufgefordert und der Teilnehmer diesen nicht binnen zwei Wochen gezahlt hat.

b. wenn wegen einer im Vergleich zur bisherigen Nutzung besonderen Steigerung des Verbindungsaufkommens auch die Höhe der Entgeltforderung des Diensteanbieters in sehr hohem Maße ansteigt und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Kunde diese Entgeltforderungen beanstanden wird;

c. wenn eine Gefährdung der Einrichtung des Anbieters, insbesondere des Netzes, durch Rückwirkungen von Endeinrichtungen oder eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit droht.

2. Eine auch ankommende Verbindungen erfassende Vollsperrung des Netzzugangs erfolgt frühestens eine (1) Woche nach Sperrung abgehender Verbindungen.

3. Der Diensteanbieter darf seine Leistung ganz einstellen, sobald die Kündigung des Vertragsverhältnisses wirksam wird, es sei denn, zwingende rechtliche Vorgaben machen eine zeitweise Fortführung der Leistung erforderlich.

4. Für den Fall, dass der Kunde dem Diensteanbieter keine postzustellfähige Anschrift mitteilt und an den Kunden übersandte Postsendungen mit dem Vermerk "unzustellbar, unbekannt verzogen, etc." zurückkommen, ist der Diensteanbieter berechtigt, den Anschluss des Kunden für abgehende Verbindungen zu sperren, bis dem Diensteanbieter eine zustellfähige Anschrift des Kunden in Deutschland vorliegt.

5. Der Diensteanbieter ist zudem zur vollständigen oder teilweisen Sperrung berechtigt, wenn der Diensteanbieter gesicherte Kenntnis davon hat, dass die Rufnummernnutzung wiederholte oder schwerwiegende Verstöße gegen gesetzliche Verbote i.S.v. § 45o TKG verursacht hat.

6. Trotz einer Sperre bleibt der Kunde verpflichtet, die nutzungsunabhängigen Entgelte, insbesondere die monatlichen Grund- und Optionspreise (Grundgebühren‚ Flatrate-Preise, etc.), zu zahlen.

7. Unabhängig von einer etwaigen Sperre bleibt dem Diensteanbieter das Recht zur außerordentlichen Kündigung nach Ziffer XI vorbehalten.

8. Auf Verlangen des Kunden und soweit dies technisch möglich ist, veranlasst der Diensteanbieter bei dem Netzbetreiber‚ dass die Nutzung des Netzzugangs des Kunden für bestimmte Rufnummernbereiche im Sinne von § 3 Nummer 18a TKG zukünftig unentgeltlich netzseitig gesperrt wird. Der Kunde kann ebenfalls verlangen, dass die Identifizierung seines Mobilfunkanschlusses zur Inanspruchnahme und Abrechnung einer neben der Verbindung erbrachten Leistung zukünftig unentgeltlich netzseitig gesperrt wird."

2Der Kläger hat im Hinblick auf die Sperrklausel geltend gemacht, diese verstoße in Ziffern VII 1 Buchst. a Satz 1 AGB wegen unangemessener Benachteiligung gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, da sie von der gesetzlich in § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG vorgeschriebenen Schriftform der Sperrandrohung abweiche. Zudem sei sie wegen der Einschränkung "unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften" im Eingangssatz von Ziffern VII 1 AGB nicht hinreichend transparent.

3Das Landgericht hat der Klage in Bezug auf die Preisklausel stattgegeben. Hinsichtlich der Sperrklausel hat es die Beklagte - unter Abweisung der Klage im Übrigen - verurteilt, es zu unterlassen, in Bezug auf Mobilfunkverträge, die mit Verbrauchern geschlossen werden, den Satzteil in Ziffern VII 1 Buchst. a Satz 1 AGB

"wenn der Kunde nach Abzug etwaiger Anzahlungen mit Zahlungsverpflichtungen von mindestens 75 Euro gemäß Ziffer IV, V und VI in Verzug ist und der Diensteanbieter die Sperre mindestens zwei (2) Wochen zuvor in Textform angedroht und dabei auf die Möglichkeit des Kunden, Rechtsschutz vor den Gerichten zu suchen, hingewiesen hat."

oder inhaltsgleiche Bestimmungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen einzubeziehen sowie sich auf diese Bestimmung bei der Abwicklung derartiger Verträge zu berufen. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage hinsichtlich der Sperrklausel insgesamt abgewiesen. Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Es hat die Revision bezüglich der Entscheidung über die Berufung der Beklagten zugelassen. In den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils (S. 16) ist ausgeführt, die Revision werde im Hinblick auf die Text- und Preisklausel zugelassen, soweit das Berufungsgericht über die Berufung der Beklagten entschieden habe.

4Der Kläger wendet sich mit der von ihm eingelegten Revision gegen die Abweisung der Klage in Bezug auf die Sperrklausel.

Gründe

5Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

I.

6Das Berufungsgericht, dessen Urteil in MMR 2020, 624 veröffentlicht ist, hat hinsichtlich der Sperrklausel die Berufung des Klägers für unbegründet, die Berufung der Beklagten dagegen für begründet erachtet. Die Formulierung "unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften" sei wirksam. Sie verstoße nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten für die Androhung der Sperre die Textform ausreichen ließen, sei unbedenklich. Es handele sich lediglich um die Wiedergabe der Rechtslage, wie sie bei richtiger Auslegung des in § 45k TKG bestimmten Gebots, dass die Sperre "schriftlich" angedroht werden müsse, ohnehin bestehe. "Schriftlich" im Sinne des § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG bedeute nicht Schriftform im Sinne des § 126 Abs. 1 BGB. Das Schriftlichkeitserfordernis habe der Gesetzgeber aus § 19 der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV) übernommen. In den Materialien zu dieser Verordnung habe der Verordnungsgeber klargestellt, dass Schriftlichkeit nur drucktechnisch zu verstehen sei, dass es also nicht darauf ankomme, dass die Ankündigung der Sperre eigenhändig unterschrieben sei. Es entspreche der einhelligen Meinung im Schrifttum, dass § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG ebenso zu verstehen sei. Das dort bestimmte Schriftlichkeitserfordernis sei erfüllt, wenn die Androhung der Sperre in Textform erfolge. Bei der Androhung handele es sich um eine geschäftsähnliche Handlung. Sie sei nicht auf die Begründung, Änderung oder Beendigung eines Rechtsverhältnisses gerichtet. Daher gälten für sie die Anforderungen des § 126 BGB nicht. Auch sonst bestehe kein Grund, die Schriftform des § 126 BGB zu verlangen. Der mit der Schriftlichkeit der Androhung verbundene Informationszweck werde durch die Textform genauso gut erreicht. Er werde nach der gesetzlichen Wertung des § 126b BGB durch eine papiergebundene Mitteilung ebenso sicher erfüllt wie durch eine auf einem elektronischen Datenträger dauerhaft verfügbare und lesbare Erklärung wie eine E-Mail.

7Dieser Auslegung stehe nicht entgegen, dass der Gesetzgeber das Merkmal "schriftlich" aus der Vorgängervorschrift unverändert übernommen und nach Einführung der Textform in § 126b BGB nicht angepasst habe. Auch wenn ursprünglich eine auf Papier gedruckte Mitteilung gemeint gewesen sei, müsse die Auslegung bei diesem Verständnis nicht stehen bleiben. Andernfalls werde außer Acht gelassen, dass neue technische Gegebenheiten, die zur Zeit der Formulierung des Gesetzes noch nicht bestanden hätten, bei der Anwendung und Auslegung von gesetzlichen Merkmalen nicht unberücksichtigt bleiben müssten, wenn nicht das Gesetz ausdrücklich an eine bestimmte Gegebenheit anknüpfe. Daher könne Schriftlichkeit, soweit sie nicht zwingend mit dem Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift verbunden sei, auch im Sinne einer dauerhaft fixierten Erklärung, die lesbar sei oder gemacht werden könne, verstanden werden, so dass auch eine elektronisch gespeicherte Datei, die auf einem Bildschirm lesbar sei, der Schriftlichkeit entspreche.

II.

8Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

91. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision allerdings nicht wirksam auf die Text- und Preisklausel, soweit es über die Berufung der Beklagten entschieden hat, beschränkt.

10Mit "Textklausel" hat es Ziffern VII 1 Buchst. a Satz 1 AGB gemeint und mithin den Klauselteil mit dem Wortlaut

"wenn der Kunde nach Abzug etwaiger Anzahlungen mit Zahlungsverpflichtungen von mindestens 75 Euro gemäß Ziffer IV, V und VI in Verzug ist und der Diensteanbieter die Sperre mindestens zwei (2) Wochen zuvor in Textform angedroht und dabei auf die Möglichkeit des Kunden, Rechtsschutz vor den Gerichten zu suchen, hingewiesen hat."

11Das Berufungsgericht hat mithin die Revision nicht zulassen wollen, soweit es über die Sperrklausel auf die Berufung des Klägers, das heißt über die Eingangsformel in Ziffern VII 1 der Sperrklausel "unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften" entschieden hat. Diese Beschränkung der Revisionszulassung ist indessen nicht wirksam.

12a) Die Zulassung der Revision kann auf einen rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden. Die Eingrenzung der Rechtsmittelzulassung kann sich auch aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ergeben. Voraussetzung einer Beschränkung der Revisionszulassung ist eine Selbständigkeit des von der Zulassungsbeschränkung erfassten Teils des Streitstoffs in dem Sinne, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch im Fall einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann. Es muss sich indessen weder um einen eigenen Streitgegenstand handeln, noch muss der betroffene Teil des Streitstoffs auf der Ebene der Berufungsinstanz teilurteilsfähig sein (s. zuletzt Senat, Urteil vom - III ZR 148/19, WM 2020, 1862 Rn. 13 f m.zahlr.w.N.).

13b) Nach diesem Maßstab ist bei Klagen nach § 1 UKlaG die Beschränkung der Zulassung der Revision auf einen Teil einer Allgemeinen Geschäftsbedingung allenfalls möglich, wenn dieser Teil in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem Rest der Klausel beurteilt werden und im Fall einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

14aa) Dabei kann dahinstehen, ob - wie die Revision meint - infolge einer Unwirksamkeit der Textklausel die gesamte erste Variante der Sperrklausel, das heißt Ziffern VII 1 Buchst. a AGB insgesamt unwirksam wäre. Ausweislich der Klageanträge sind die Sätze 2 bis 4 von Ziffern VII 1 Buchst. a AGB nicht streitgegenständlich. Das Berufungsgericht hat dementsprechend weder über ihre Unwirksamkeit noch über die Zulassung der Revision in Bezug auf diese Klauselteile entschieden. Streitgegenständlich waren im Berufungsverfahren hinsichtlich Ziffern VII 1 AGB allein Teile der Eingangsformel sowie die Textklausel in Buchstabe a Satz 1. Nur insofern konnte das Berufungsgericht über die Zulassung der Revision entscheiden und ist die rechtliche Selbständigkeit und Abtrennbarkeit von dem übrigen Streitstoff zu beurteilen.

15bb) Die Textklausel in Ziffern VII 1 Buchst. a Satz 1 AGB kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht unabhängig von der - ebenfalls streitgegenständlichen - Eingangsformulierung in Ziffern VII 1 AGB beurteilt werden. Die Sperrklausel weist in Ziffern VII 1 eine konditionale Satzstruktur dergestalt auf, dass sie in einen einleitenden, übergeordneten Satzteil und mehrere hiervon abhängige konditionale Satzteile (Varianten) gegliedert ist. Aus dieser Struktur folgt, dass die untergeordneten Satzteile ohne die Eingangsformulierung keinen Sinn ergeben und daher in tatsächlicher Hinsicht nur mit dieser verstanden und in rechtlicher Hinsicht nur unter Einbeziehung der Eingangsformulierung beurteilt werden können.

16Soweit die Revisionserwiderung demgegenüber meint, der Vorbehalt "unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften" stelle einen selbständigen Klauselteil dar, der auch ohne die in Ziffern VII 1 Buchst. a AGB geregelte Textklausel bestehen bleiben könne, betrachtet sie im Hinblick auf die Revisionszulassung den falschen Klauselteil. Die Prüfung der rechtlichen Selbständigkeit und Abtrennbarkeit betrifft im Fall der beschränkten Revisionszulassung den Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den die Zulassung vom Berufungsgericht begrenzt worden ist, vorliegend mithin die Textklausel in Ziffern VII 1 Buchst. a Satz 1 und nicht die Eingangsformulierung in Ziffern VII 1 AGB. Erstere enthält ohne letztere keinen sinnhaften Inhalt und ist daher weder von dieser abtrennbar noch rechtlich selbständig.

172. Die Klage ist entgegen der mit der Gegenrüge vertretenen Auffassung der Revisionserwiderung ungeachtet der geringfügigen Modifikation des Klauselwortlauts im Klageantrag zulässig im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

18a) Zulässiger Streitgegenstand einer Verbandsklage nach §§ 1, 3 UKlaG ist jede inhaltlich selbständige Klausel und jeder inhaltlich selbständige Klauselteil in der vom Anspruchsgegner konkret verwendeten Fassung zusammen mit dem dazugehörigen Lebenssachverhalt. Der Wortlaut der beanstandeten Be-stimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen muss nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG im Klageantrag angegeben werden, anderenfalls ist die Klage unzulässig (, BGHZ 194, 208 Rn. 9 mwN). Die Zusammenfassung von Klauseln im Klageantrag ist möglich, sofern damit ihr Bedeutungsgehalt gegenüber demjenigen, der ihnen im Kontext des Klauselwerks zukommt, nicht verändert wird (, NJW-RR 1990, 1141). Eine teilbare Klausel ist zum besseren Verständnis zwar ebenfalls im vollen Wortlaut wiederzugeben, jedoch ist der Antrag auf den unwirksamen Teil zu beschränken, da anderenfalls die Klage teilweise unbegründet ist (, BGHZ 199, 170 Rn. 17 mwN).

19b) Diesen Voraussetzungen genügt der die Sperrklausel betreffende Klageantrag zu 1.

20Einer Wiedergabe des gesamten Textes von Ziffern VII 1 AGB im Klageantrag steht entgegen, dass der Antrag auf den - nach Auffassung des Klägers - unwirksamen Teil der Klausel, hier also die Eingangsformulierung und Buchstabe a Satz 1 von Ziffern VII 1 AGB zu beschränken war, da anderenfalls die Klage von vorneherein teilweise unbegründet gewesen wäre. Soweit nach den vorstehenden Grundsätzen eine teilbare Klausel zum besseren Verständnis im vollen Wortlaut wiederzugeben ist, wird dem in der Klageschrift dadurch genügt, dass ihr die vollständigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten beigefügt sind (Anlage K 1).

21Durch die Zusammenfassung der Eingangsformulierung in Ziffern VII 1 AGB und des Textes in Ziffern VII 1 Buchst. a Satz 1 AGB - unter Auslassung des Buchstabens "a" - wird der Bedeutungsgehalt der beanstandeten Klausel in Ziffern VII 1 AGB gegenüber demjenigen, der ihr im Kontext des Klauselwerks zukommt, nicht verändert. Dies gilt insbesondere, soweit durch die Auslassung des Buchstabens "a" der Eindruck erweckt wird, der einleitende Teil und die Teilklausel in Ziffern VII 1 Buchst. a Satz 1 AGB bildeten eine Einheit. Letzteres ist der Fall, da - wie ausgeführt (zu 1 b bb) - die Teilklausel ohne den einleitenden Teil keinen Sinn ergibt und nur mit dieser gelesen und verstanden werden kann. Der Sinngehalt der Klausel in Ziffern VII 1 AGB wird auch im Übrigen nicht durch die Auslassung des Buchstabens "a" im Klageantrag unzulässig verändert. Soweit durch die Auslassung der Eindruck hervorgerufen wird, der einleitende Teil und die Teilklausel seien abschließend, wird hierdurch der Bedeutungsgehalt des beanstandeten und im Klageantrag wiedergegebenen Klauselteils gegenüber demjenigen, der ihm im Kontext des Klauselwerks zukommt, nicht verändert. In Ziffern VII 1 Buchst. a Satz 1 AGB wird ein Sachverhalt geregelt (Zahlungsverzug), bei dessen Vorliegen die Beklagte - unabhängig von den weiteren Bestimmungen in Ziffern VII 1 AGB - zur Sperre berechtigt ist. Für sein Verständnis ist der weitere Inhalt von Ziffern VII 1 AGB ohne Bedeutung. Kleine Unrichtigkeiten bei der Wiedergabe des Klauselwortlauts können im Urteilstenor korrigiert werden; für § 8 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG sind sie unerheblich ( aaO Rn. 10). Eine solche Korrektur hat das Landgericht in seinem Urteilstenor (zu 1.) vorgenommen, indem es dort Buchstabe a von Ziffern VII 1 AGB ausdrücklich erwähnt hat.

223. Die Sperrklausel hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

23a) Die Formulierung in dem einleitenden Teil von Ziffern VII 1 AGB "unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften" ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, wirksam. Sie verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

24aa) Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört nicht nur, dass die einzelne Regelung für sich genommen klar formuliert ist; sie muss auch im Kontext mit dem übrigen Klauselwerk verständlich sein. Die Klausel muss die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlichen Vertragspartner so weit erkennen lassen, wie dies unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nach den Umständen gefordert werden kann. Der Vertragspartner des Verwenders muss bereits bei Vertragsabschluss erkennen können, was gegebenenfalls "auf ihn zukommt". Eine Vertragsgestaltung, die objektiv dazu geeignet ist, den Vertragspartner bezüglich seiner Rechtsstellung in die Irre zu führen, verstößt gegen das Transparenzgebot (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom - III ZR 38/18, NJW-RR 2019, 942 Rn. 22 m.zahlr.w.N.).

25Die Transparenzanforderungen dürfen aber nicht überspannt werden. Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des Möglichen. Weder bedarf es eines solchen Grades an Konkretisierung, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können, noch ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können. Sogar eine unnötige Wirrnis im Klauseltext ist unschädlich, wenn sich der Klauseltext mit der gebotenen Aufmerksamkeit erschließen lässt (Senat, Urteil vom aaO Rn. 23 mwN). Bei der Beurteilung, ob eine Regelung dem Transparenzgebot genügt, ist nicht auf den flüchtigen, sondern den aufmerksamen und sorgfältigen Betrachter abzustellen. Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Insoweit gilt kein anderer Maßstab als derjenige, der auch bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu beachten ist (Senat, Urteil vom aaO Rn. 24). Diese sind so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden. Dabei sind die Vorstellungen und Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom aaO mwN). In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Klauselwerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Kunden erkennbar sind (Senat, Urteil vom aaO mwN).

26bb) Nach diesen Maßstäben genügt die einleitende Formulierung in Ziffern VII 1 AGB dem Transparenzgebot.

27(1) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Formulierung könne nicht zu dem von dem Kläger befürchteten Missverständnis führen, dass eine Sperre bereits wegen des Verzugs mit geringeren Beträgen als 75 € verhängt werden könne. Denn sie sei, was der durchschnittliche Verbraucher schon anhand des Textumbruchs in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht übersehe, allen drei, mit a, b und c gekennzeichneten Fällen der Sperre vorangestellt. Sie erweitere nicht in unbestimmtem und undurchschaubarem Umfang die Regelung über die Sperre beim Verzug. Ein durchschnittlicher Verbraucher werde die Worte "unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften" daher so verstehen, dass es neben den in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausdrücklich geregelten Fällen einer Sperre wegen Zahlungsverzugs (Fall a), wegen besonderer Steigerung des Verbindungsaufkommens (Fall b) und wegen Gefährdung der Einrichtungen des Anbieters oder der öffentlichen Sicherheit (Fall c) weitere gesetzliche Vorschriften gebe, die eine Sperre ermöglichten, welche der Anbieter in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen aber nicht ausdrücklich aufgeführt habe. Es beeinträchtige nicht die Klarheit der Regelung der ausdrücklich genannten Fälle, wenn weitere gesetzliche Gründe für eine Sperre in den Bedingungen nicht ausdrücklich aufgeführt würden.

28(2) Diesen uneingeschränkt zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an. Ein durchschnittlicher, die Klausel aufmerksam und sorgfältig lesender Verbraucher wird sie dahin verstehen, dass es neben den in Ziffern VII 1 AGB ausdrücklich geregelten Fällen einer Sperre weitere Sachverhalte gibt, die gesetzlich zu einer Sperre berechtigen können (Sperrtatbestände) und die in der vorgenannten Klausel nicht aufgeführt sind. Dies ergibt sich zwanglos aus dem Wortlaut der Klausel. Dort wird in dem einleitenden Teil die Sperre nur als Begriff erwähnt und definiert, nicht aber ihre einzelnen Voraussetzungen. Sodann erfolgt eine dem einleitenden Klauselteil in konditionaler Satzstruktur ("wenn") nachgeordnete Aufzählung einzelner Sperrtatbestände. Durch das Zusammenspiel der Erwähnung der Sperre nur als solcher in der Einleitung und der Regelung ihrer Voraussetzungen erst in den nachfolgenden, untergeordneten Satzteilen wird deutlich, dass mit den (schon) in der Einleitung genannten "gesetzlichen Vorschriften", unbeschadet derer die Regelung der Sperre in der Klausel erfolgen soll, solche gemeint sind, die weitere Sperrtatbestände enthalten. Ein Verständnis dahingehend, dass sich diese Formulierung nicht nur auf die in Ziffern VII 1 AGB aufgeführten Sperrtatbestände als solche, sondern auch auf deren jeweilige Voraussetzungen bezieht, ist angesichts dieses Inhalts und Aufbaus der Klausel fernliegend.

29Auch § 45k Abs. 1 Satz 1 TKG, dem die Klausel in Ziffern VII 1 AGB - wenn auch nicht in wörtlicher Übereinstimmung - nachgebildet ist, bringt entgegen der Auffassung der Revision im Verhältnis zur Klausel nicht klarer zum Ausdruck, dass die in § 45k Abs. 2 bis 4 TKG normierten Voraussetzungen der dort geregelten Sperrtatbestände abschließend sind - ungeachtet dessen, dass es ohnehin nicht allein zur Unklarheit einer Klausel führt, wenn es noch klarere und verständlichere Formulierungen gegeben hätte (Senat, Urteil vom aaO Rn. 23 mwN; siehe bereits oben aa). Nach § 45k Abs. 1 Satz 1 TKG "darf" eine Sperre "unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften" nur nach Maßgabe von § 45k Abs. 2 bis 5 TKG (und § 45o Satz 3 TKG) erfolgen. Die Worte "unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften" könnten hier gleichermaßen - wenn auch ebenso fernliegend - wie die insofern gleichlautende Formulierung in VII 1 AGB nicht nur auf die Sperrtatbestände des § 45k Abs. 2 bis 4 TKG als solche, sondern auch auf deren einzelne Voraussetzungen bezogen werden.

30Eine Unklarheit, worauf sich die Worte "unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften" beziehen, folgt schließlich nicht daraus, dass sich diese Formulierung nur in Ziffer 1 der Sperrklausel findet und die dortigen Sperrtatbestände betrifft, während weitere Sperr- und Einstellungstatbestände in den nachfolgenden Ziffern 3 bis 5 der Sperrklausel geregelt sind. Ein Verständnis der vorgenannten Formulierung dahingehend, dass in gesetzlichen Vorschriften weitere Sperrtatbestände, nicht aber andere Voraussetzungen der in Ziffern VII 1 AGB bestimmten Sperrtatbestände geregelt sind, ergibt sich - wie ausgeführt - selbständig aus Wortlaut und Struktur von Ziffern VII 1 AGB. Es wird durch Ziffern VII 3 bis 5 AGB nicht beeinträchtigt. Das gilt ohne weiteres für die in Ziffern VII 3 AGB geregelte Einstellung der Leistung nach wirksamer Kündigung des Vertragsverhältnisses. Denn eine Leistungseinstellung nach Vertragsbeendigung ist schon ihrer Natur nach etwas anderes als eine Sperre der Leistungen während eines andauernden Vertragsverhältnisses.

31Aber auch die in Ziffern VII 4 und 5 AGB niedergelegten vertraglichen Sperrtatbestände stehen dem vorgenannten Verständnis der Formulierung "unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften" in Ziffern VII 1 AGB nicht entgegen. Das Fehlen einer solchen Formulierung mit Bezug zu den Sperrtatbeständen in Ziffern 4 und 5 AGB kann insbesondere nicht dahingehend verstanden werden, dass diese Tatbestände abschließend sind und außer ihnen keine gesetzlichen Sperrtatbestände bestehen. Ihre Regelung außerhalb von Ziffern VII 1 AGB ist mit dem dortigen Hinweis auf nicht ausdrücklich erwähnte gesetzliche Sperrtatbestände vereinbar. Im Gegenteil begleitet - bei konsekutiver Lektüre der Sperrklausel - die durch Ziffern VII 1 AGB vermittelte Kenntnis von der Existenz nicht genannter gesetzlicher Sperrtatbestände auch das Verständnis der vertraglichen Sperrtatbestände in Ziffern VII 4 und 5 AGB.

32Möglicherweise hätte die Sperrklausel noch klarer formuliert werden können, wenn die Worte "unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften" auch den Sperrtatbeständen in Ziffern VII 4 und 5 AGB vorangestellt worden wären, etwa im Wege der Integration dieser Tatbestände in Ziffern VII 1 AGB. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot ist jedoch nicht schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können (Senat, Urteil vom aaO Rn. 23 mwN; siehe bereits oben aa). Ausreichend ist, wenn sich der Klauseltext mit der gebotenen Aufmerksamkeit erschließen lässt. Dies ist im Falle der Formulierung "unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften" in Ziffern VII 1 AGB zu bejahen.

33b) Die Klausel in Ziffern VII 1 Buchst. a Satz 1 AGB verstößt entgegen der Auffassung der Revision nicht dadurch gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, dass sie in Bezug auf die Androhung der Sperre die Textform vorsieht. Hierin liegt - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat (S. 11 ff des Berufungsurteils) - keine Abweichung von der gesetzlichen Regelung in § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG.

34Nach dieser Norm darf der Anbieter eine Sperre (im Sinne von § 45k Abs. 1 TKG) nur durchführen, wenn er sie mindestens zwei Wochen zuvor schriftlich angedroht hat.

35aa) Das Berufungsgericht ist zu Recht und in Übereinstimmung mit der einhelligen Auffassung im Schrifttum (Lutz in Fetzer/Scherer/Graulich, TKG, 3. Aufl., § 45k Rn. 18; Sodtalbers in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl., § 45k TKG Rn. 14; Säcker/Klingner, TKG, 3. Aufl., § 45k Rn. 21; Kiparski in Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, § 45k TKG Rn. 15 []; Ditscheid/Rudloff in Beck´scher TKG-Kommentar, 4. Aufl., § 45k Rn. 22) davon ausgegangen, dass mit dem Begriff "schriftlich" in § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG nicht die Schriftform im Sinne des § 126 Abs. 1 BGB gemeint ist. Es weist zutreffend darauf hin, dass das Erfordernis der Schriftlichkeit unverändert aus der Vorgängervorschrift des § 19 TKV (in der bis zum geltenden Fassung) übernommen wurde. Hierzu hat bereits der Verordnungsgeber klargestellt, dass "die Schriftform ... drucktechnisch zu verstehen" ist und "keine Schriftform im Sinne des § 126 BGB" meint (BR-Drs. 551/97 S. 38 [zu § 17 Abs. 2 TKV-E]). Dafür, dass der Gesetzgeber dem Begriff "schriftlich" in § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG eine andere Bedeutung beimessen wollte als zuvor in § 19 TKV, ist nichts ersichtlich.

36bb) In Ergebnis und Begründung zutreffend hat das Berufungsgericht weiterhin erkannt, dass das in § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG bestimmte Erfordernis der Schriftlichkeit auch erfüllt ist, wenn die Androhung der Sperre in Textform erfolgt. Dies entspricht - soweit ersichtlich - ebenfalls der einhelligen Auffassung im Schrifttum, soweit dort zur Zulässigkeit der Textform Stellung genommen wird (Heilmann/Herrmann in Paschke/Berlit/Meyer/Kröner, Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 4. Aufl., § 45k TKG Rn. 114; Sodtalbers aaO; Säcker/Klingner aaO; Kiparski aaO; Heun, Handbuch zum TK-Recht, 2. Aufl., § 45k TKG Rn. 190).

37(1) Aus dem Wortlaut von § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG ergibt sich kein Ausschluss der Textform. Der dort verwendete Begriff "schriftlich" umfasst sprachlich sowohl ein Schriftstück, das heißt einen - unterschriebenen oder nicht unterschriebenen - Ausdruck von Schriftzeichen auf Papier, als auch elektronische Schriftzeichen wie etwa im Falle von E-Mails und ihnen angehängten PDF-Dokumenten. Maßgeblich ist allein, dass die dauerhafte Lesbarkeit des Textes gewährleistet ist (vgl. BVerwGE 157, 117 Rn. 17 zum Schriftlichkeitserfordernis in § 69 Abs. 2 Satz 5 BPersVG). Dabei kann dahinstehen, ob die Begriffe "schriftlich" und "drucktechnisch" zurzeit der Geltung von § 19 TKV als Vorgängervorschrift von § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG noch im Sinne einer auf Papier gedruckten Mitteilung verstanden wurden. Hierdurch würde, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, eine dynamische Interpretation des Merkmals "schriftlich" im heutigen Begriffsverständnis nicht ausgeschlossen. Bei der Wortlautauslegung sind auch unter ein Tatbestandsmerkmal begrifflich subsumierbare technische Phänomene zu berücksichtigen, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Bestimmung noch unbekannt waren (BVerwG aaO Rn. 18).

38Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gegen eine solche dynamische Interpretation den Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften aus der 15. Legislaturperiode (BT-Drs. 15/5213, S. 22) angeführt hat, aus dem sich ergebe, dass an dem Schriftlichkeitserfordernis in § 45k Abs. 2 TKG trotz der in der Entwurfsbegründung erwähnten Rechtsförmlichkeitsprüfung festgehalten worden sei, beruft er sich auf einen der Diskontinuität anheimgefallenen (vgl. Cornils in Beck´scher TKG-Kommentar, 4. Aufl., Teil A Rn. 40) und daher zur Normauslegung untauglichen Gesetzentwurf. In dem maßgeblichen Regierungsentwurf der 16. Legislaturperiode wird eine Rechtsförmlichkeitsprüfung in der Begründung zu § 45k TKG-E nicht erwähnt (BT-Drs. 16/2581, S. 26). Im Übrigen umfasst eine Rechtsförmlichkeitsprüfung auch keine inhaltlichen Fragen des überprüften Gesetzes wie eine von diesem vorgeschriebene Form, sondern lediglich die Einhaltung der jeweiligen Anforderungen an Form und Gestaltung, zum Beispiel bei den Überschriften, den Eingangsformeln, den Zitierweisen, den Änderungsbefehlen oder den Inkrafttretensregelungen (vgl. Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Bundesanzeiger vom , S. 17).

39(2) Sinn und Zweck der Norm bestätigen, dass die Textform gemäß § 126b BGB dem Erfordernis der Schriftlichkeit im Sinne von § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG genügt. Das Berufungsgericht führt zu Recht aus, dass die Androhung einer Sperre nicht auf die Begründung, Änderung oder Beendigung eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist. Ihr Zweck ist vielmehr - wie auch die Revision nicht verkennt - die Information des Teilnehmers über die vom Anbieter beabsichtigte Sperre. Besteht der Zweck einer Erklärung aber in erster Linie darin, den Empfänger über bestimmte Sachverhalte zu informieren, die gegebenenfalls eine rechtliche Reaktion seinerseits erfordern, kann dies genauso gut durch die Textform erreicht werden (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr, BT-Drs. 14/4987 S. 19 [zu § 126b BGB-E]). Die Textform gewährleistet, dass die Beteiligten sich zuverlässig über den Inhalt der Erklärung informieren können, und erfüllt damit die Informationsfunktion (MüKoBGB/Einsele, 8. Aufl., § 126b Rn. 1; Palandt/Ellenberger, BGB, 80. Aufl., § 126b Rn. 1; vgl. auch BAG, NZA 2009, 627 Rn. 42 ff zu § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG).

40Die Auffassung der Revision, bestimmte Varianten der Textform, wie etwa E-Mails, könnten vom Empfänger leichter übersehen werden als ausgedruckte und postalisch übermittelte Schriftstücke, widerspricht der vorgenannten Wertung des Gesetzgebers einer hinreichenden Eignung von Erklärungen in Textform zur Erfüllung ihres Informationszwecks. Im Übrigen ist das Risiko eines Übersehens oder versehentlichen Löschens eines dauerhaften Datenträgers im Sinne von § 126b BGB ebenso vom Empfänger des Mediums zu tragen wie das Übersehen eines ausgedruckten Schriftstücks, das zusammen mit einer Vielzahl von weiteren Sendungen postalisch bei ihm eingeht. Dies gilt umso mehr für den vorliegend relevanten Fall, dass sich ein Teilnehmer mit Zahlungsverpflichtungen von mindestens 75 € in Verzug befindet und daher jederzeit mit hierauf bezogenen Mitteilungen des Anbieters rechnen muss.

41(3) Der von der Revision angeführte Umstand, dass der Gesetzgeber nach Einführung des § 126b BGB die Textform bei einer Vielzahl von Erklärungen ausdrücklich angeordnet hat, eine solche Bestimmung hingegen im Fall des § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG unterblieben ist, rechtfertigt keine andere Bewertung.

42Auch im Telekommunikationsgesetz werden neben der Schriftlichkeit sowohl die Textform (in § 41b Abs. 1 Satz 3, § 46 Abs. 4 Satz 4, Abs. 7, § 55 Abs. 4 Satz 1, Abs. 8 Satz 1, § 66i Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 4, § 99 Abs. 1 Satz 1, 3 und 4, § 113 Abs. 2 Satz 1 und 3 TKG) als auch die Schriftform (in § 6 Abs. 1 Satz 2, § 22 Abs. 2, § 25 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 und § 51 Abs. 1 Satz 2 TKG) als Formerfordernisse genannt. Aus der Einführung der Textform im Sinne von § 126b BGB als hinreichende Form für einige der im Telekommunikationsgesetz geregelten Erklärungen und Handlungen kann jedoch nicht geschlossen werden, dass nunmehr für alle Erklärungen und Handlungen, die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes "schriftlich" zu erfolgen haben, ein Schriftformerfordernis im Sinne von § 126 Abs. 1 Satz 1 BGB gelten soll und zwar auch im Hinblick auf solche Vorschriften, bei denen - wie im Falle des § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG (und dessen Vorgängervorschrift § 19 TKV) - dies zuvor nicht der Fall war. Bei einem solchen Regelungswillen des Gesetzgebers wäre zu erwarten gewesen, dass er ihm mittels Ersetzung des Wortes "schriftlich" durch die Worte "in Schriftform" jeweils Ausdruck verliehen hätte. Dies ist indes nicht geschehen. Daher ist davon auszugehen, dass die Einführung der Textform sich auf die jeweils betroffenen Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes beschränken und andere Formvorschriften unberührt lassen sollte.

43Es verbleibt mithin dabei, dass hinsichtlich jeder einzelnen Regelung des Telekommunikationsgesetzes, in der die Schriftlichkeit einer Erklärung oder Handlung gefordert wird, zur Auslegung dieses Formerfordernisses unter Heranziehung von Sinn und Zweck der Norm sowie ihrer Entstehungsgeschichte zu prüfen ist, ob die Textform hinreichend oder die Schriftform erforderlich ist. Sind - wie etwa im Falle der Einwilligung gemäß § 98 Abs. 1 Satz 4 TKG - Willenserklärungen des Teilnehmers gegenüber dem Anbieter betroffen, kann die dort bestimmte Schriftlichkeit als Schriftform im Sinne von § 126 Abs. 1 Satz 1 BGB zu verstehen sein, der im Hinblick auf die Abgabe der Willenserklärung eine Warnfunktion zukommt (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Regierungsentwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes, BT-Drs. 16/12405 S. 15; Braun in Beck´scher TKG-Kommentar, 4. Aufl., § 98 Rn. 22: Schriftformerfordernis mit Warnfunktion). Dagegen kann bei Hinweisen und Mitteilungen, die - wie im Falle des § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG - lediglich der Information dienen und nicht auf die Begründung, Änderung oder Beendigung von Rechtsverhältnissen gerichtet sind, das Erfordernis der Schriftlichkeit auch durch die Textform gewahrt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich - wie vorliegend - aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt, dass mit dem Begriff "schriftlich" kein Schriftformerfordernis im Sinne von § 126 Abs. 1 Satz 1 BGB gemeint ist.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:110321UIIIZR96.20.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2021 S. 839 Nr. 13
DAAAH-83831