Erbschaftsteuer | Sachaufklärungspflicht des FG bei Ermittlung des Anteilswerts einer nicht börsennotierten Kapitalgesellschaft (BFH)
Für die Ermittlung des gemeinen Werts von Anteilen an einer nicht börsennotierten Kapitalgesellschaft hat allein der Steuerpflichtige die Wahl zwischen einem individuellen Ertragswertverfahren nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG und der Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens nach §§ 199 ff. BewG (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Ist der gemeine Wert von nicht notierten Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu ermitteln, kann gem. § 11 Abs. 2 Satz 4 i. V. mit § 199 Abs. 1 BewG anstelle eines individuellen Ertragswertverfahrens auch das vereinfachte Ertragswertverfahren gem. §§ 200 ff. BewG angewendet werden, wenn dieses nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt.
Sachverhalt: Streitig ist der Wert eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft (Anteilswert). Die Klägerin ist die Ehefrau des im Jahr 2011 verstorbenen Erblassers, der an einer GmbH beteiligt war. Weitere Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH waren u.a. der - am Todestag des Erblassers 64-jährige - B sowie C. Aufgrund von Gesellschafterbeschlüssen hatten die Gesellschafter B und C Sondergewinnbezugsrechte, sodass dem Erblasser im Ergebnis nur etwa 15 % des Gewinns der GmbH zustand.
Im Anschluss an eine Außenprüfung stellte das FA mit einem der Klägerin gegenüber ergangenen Bescheid über die gesonderte Feststellung des Werts des Anteils an einer Kapitalgesellschaft für Zwecke der Erbschaftsteuer im vereinfachten Ertragswertverfahren den Wert der GmbH und den Wert des Anteils des Erblassers fest.
Ihren Einspruch begründete die Klägerin damit, dass die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führe. Sie übersandte eine gutachterliche Stellungnahme eines Wirtschaftsprüfers. Der Unternehmenswert wird darin unter Anwendung des Ertragswertverfahrens entsprechend den "Grundsätzen zur Durchführung von Unternehmensbewertungen" des IDW S 1 durch Abzinsung der künftigen finanziellen Überschüsse ermittelt. Der Wirtschaftsprüfer weist u.a. darauf hin, dass in der Ertragsprognose berücksichtigt werde, dass die GmbH wegen ihrer hohen Personenbezogenheit auf B nur noch zeitlich begrenzt finanzielle Überschüsse erwirtschaften werde.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG war der Ansicht, die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens führe im Streitfall nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen. Das FA habe lediglich zu Unrecht die den Gesellschaftern zustehenden Sondergewinnbezugsrechte nicht berücksichtigt. Die von der Klägerin vorgelegte gutachterliche Stellungnahme des Wirtschaftsprüfers lasse hingegen keine weitere Herabsetzung des Werts zu ().
Der BFH hat die Revision als begründet angesehen, das FG Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen:
Das FG ist zu Unrecht von einem Vorrang der Wertermittlung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren gem. §§ 199 ff. BewG ausgegangen. Es hat seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung dadurch verletzt, dass es die in Form der gutachterlichen Stellungnahme eingereichte Wertermittlung weder beachtet noch unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG ergänzt und angepasst hat.
Die Ermittlung des Werts der Beteiligung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG kann durch eine individuelle Unternehmensbewertung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen erfolgen, insbesondere durch eine solche nach IDW S 1 (vgl. , Rz. 66, m.w.N.).
Die Vorschriften in Bezug auf das vereinfachte Ertragswertverfahren nach § 199 BewG gewähren allein dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zur Anwendung dieser Methode.
Kann sich das FG auf Grundlage der Wertermittlung des Steuerpflichtigen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG keine ausreichende Überzeugung von dem gemeinen Wert des Anteils bilden, hat es von Amts wegen geeignete Maßnahmen zur Sachaufklärung zu ergreifen, um den gemeinen Wert zu ermitteln. Die Wertermittlung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren stellt keine Auffangmethode dar.
Anmerkung von Prof. Dr. Matthias Loose, Richter im II. Senat des BFH:
Nicht an einer Börse notierte Anteile an Kapitalgesellschaften sind für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer im Wege einer gesonderten Feststellung (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG) unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum Bewertungsstichtag mit dem gemeinen Wert zu bewerten (§ 157 Abs. 4 BewG, § 11 Abs. 2 BewG). Liegen zeitnahe Verkäufe, aus denen der gemeine Wert abgeleitet werden könnte, nicht vor, ist der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten Bewertungsmethode zu ermitteln. Dabei ist eine Methode anzuwenden, die ein gedachter Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG). Der Substanzwert darf nicht unterschritten werden (§ 11 Abs. 2 Satz 3 BewG).
Anstelle eines individuellen Ertragswertverfahrens kann nach § 11 Abs. 2 Satz 4 i. V. mit § 199 Abs. 1 BewG auch das sog. vereinfachte Ertragswertverfahren, das in den §§ 200 ff. BewG geregelt ist, angewendet werden. Der BFH hat klargestellt, dass allein der Steuerpflichtige die Wahl zwischen einem individuellen und dem vereinfachten Ertragswertverfahrens hat. Legt der Steuerpflichtige ein Gutachten vor, kann das FG nicht stattdessen zum vereinfachten Ertragswertverfahren übergehen. Etwaige Lücken im Gutachten muss das FG von Amts wegen entweder selbst schließen oder es muss dem Steuerpflichtigen die entsprechende Nachbesserung des Gutachtens aufgeben.
Quelle: ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
KAAAH-83645