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Wann muss der BFH den EuGH zur Vorabentscheidung anrufen?
[i]BVerfG, Beschluss v. 4.3.2021 - 2 BvR 1161/19, NWB UAAAH-75225 Das das vielbeachtete , NWB BAAAH-14765 mit dem die sog. Sperrwirkungsrechtsprechung zur Anwendung des § 1 AStG auf Teilwertabschreibungen unbesicherter Darlehen überraschend fallengelassen worden war, aufgehoben. Das Bundesverfassungsgericht sah die gegen das BFH-Urteil gerichtete Verfassungsbeschwerde als „offensichtlich begründet“ an, da die Klägerin in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden sei. Der BFH hätte – so das Bundesverfassungsgericht – die Rechtsfrage, ob Teilwertabschreibungen auf unbesicherte Darlehen einer Korrektur nach § 1 AStG unterliegen, nach Art. 267 Abs. 3 AEUV dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen müssen. Die Entscheidung lässt hoffen, dass sich die Rechtsschutzmöglichkeiten bei Verstößen des deutschen Ertragsteuerrechts gegen die europarechtlichen Vorgaben in praktischer Hinsicht insofern verbessert haben, als der BFH zukünftig bei möglichen Europarechtsverstößen weniger zögerlich mit der Anrufung des EuGH sein dürfte.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der BFH durch sein Urteil v. (I R 73/16, NWB BAAAH-14765), mit dem er überraschend die sog. Sperrwirkungsrechtsprechung aufgegeben hat, das Verfahrensgrundrecht des Steuerpflichtigen auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt hat. Der BFH hat es willkürlich unterlassen, die europarechtlichen Fragen dem EuGH zur Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV vorzulegen.
Das Bundesverfassungsgericht lässt es zu, das Recht auf den gesetzlichen Richter unmittelbar durch Verfassungsbeschwerde gegen die letztinstanzliche Entscheidung geltend zu machen. Eine vorherige Nichtigkeitsklage (§ 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i. V. mit § 134 FGO) ist – obwohl der BFH sie für zulässig hält – nicht erforderlich.
Das Bundesverfassungsgericht scheint den Beurteilungsspielraum des BFH, ob der EuGH anzurufen ist, spürbar eingeschränkt zu haben. Aus Sicht der Steuerpflichtigen und ihrer Berater dürften sich die Erfolgsaussichten hinsichtlich der Geltendmachung etwaiger Europarechtsverstöße durch diese Entscheidung deutlich verbessert haben.