Instanzenzug: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Az: 9 S 647/20
Gründe
1 Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärung des Antragstellers und des Antragsgegners ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Die bereits ergangene, noch nicht rechtskräftige Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ist für wirkungslos zu erklären (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 ZPO in entsprechender Anwendung).
2 Über die Kosten des Verfahrens ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 VwGO). Der Billigkeit entspricht es, dass der Antragsteller die Kosten trägt. Denn seine allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hätte zurückgewiesen werden müssen, wenn das Verfahren nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden wäre.
3 Der Antragsteller hat die Frage aufgeworfen, ob das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verlangt, dass die einjährige Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zur Einleitung eines Normenkontrollverfahrens gegen eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift neu zu laufen beginnt, wenn die Regierung einem gesetzlichen Auftrag, eine bereits bestehende Rechtsverordnung innerhalb einer gesetzlich bestimmten Frist zu ändern, nicht nachkomme, und außer einem hiergegen gerichteten Normenkontrollverfahren keine anderweitige Rechtsschutzmöglichkeit bestehe.
4 Diese Frage, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO in dem Beschwerdeverfahren ohne übereinstimmende Erledigungserklärungen beschränkt gewesen wäre, hätte die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung schon deshalb nicht rechtfertigen können, weil in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt ist, dass die Normenkontrolle gegen unter dem Landesrecht stehende Rechtsvorschriften nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht geboten ist (s. dazu grundlegend: - BVerfGE 31, 364; vgl. auch 6 BN 2.19 - NVwZ-RR 2020, 236 Rn. 10 f. m.w.N.). Daher hat der Gesetzgeber bei der Gestaltung eines Normenkontrollverfahrens einen sehr weiten, nur durch die Willkürgrenze beschränkten Spielraum. Wird der einzelne durch staatliches Handeln oder Unterlassen in einer subjektiven Rechtsposition betroffen, stellt ihm die Verwaltungsgerichtsordnung lückenlosen Rechtsschutz, etwa durch die Feststellungsklage nach § 43 VwGO, zur Verfügung. Die Verwaltungsgerichte sind berechtigt und verpflichtet, im Rahmen jeder Klage die Wirksamkeit von entscheidungserheblichen untergesetzlichen Rechtsnormen inzident zu prüfen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Rechtsprechung seinem Beschluss zugrunde gelegt, sodass sich die von dem Antragsteller aufgeworfene Frage als nicht klärungsfähig erweist, weil sie für den Verwaltungsgerichtshof nicht maßgeblich war (vgl. dazu BVerwG, Beschlüsse vom - 9 B 34.07 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 65 und vom - 4 BN 11.16 - BauR 2017, 62 Rn. 4). Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass - anders als der Antragsteller mit seiner Frage unterstellt - als andere Rechtsschutzmöglichkeit die inzidente Rechtskontrolle im Rahmen einer Feststellungsklage in Betracht kommt. Ob in Ermangelung anderweitiger Rechtsschutzmöglichkeiten die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch dann neu zu laufen beginnen muss, wenn die Regierung einem gesetzlichen Auftrag zur Änderung einer bestehenden Rechtsverordnung nicht nachkommt, wäre hiernach in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht zu beantworten.
5 Darüber hinaus hat sich der Antragsteller in der Beschwerdebegründung hinsichtlich des mit der Frage geltend gemachten Fehlens einer anderweitigen Rechtsschutzmöglichkeit nicht damit auseinandergesetzt, dass die Möglichkeit der inzidenten Rechtskontrolle nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch durch eine auf Normerlass gerichtete Feststellungsklage besteht ( 2 C 13.01 - Buchholz 240 § 49 BBesG Nr. 2; stRspr). Zu der letztgenannten Rechtsschutzmöglichkeit äußert sich der Antragsteller in der Beschwerdebegründung nicht, obwohl Ausführungen hierzu wegen des Verweises auf die Möglichkeit der Feststellungsklage in dem angefochtenen Beschluss sowie angesichts seines eigentlichen Rechtsschutzziels - die Anpassung der §§ 6 und 7 der Verordnung der Landesregierung über die Errichtung der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg (ErV HfPolBW) vom (GBl. S. 206) i.d.F. des Art. 18 des Gesetzes vom (GBl. S. 233, 241) an die Vorgaben des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LHG - nahegelegen hätten und mit Blick auf das Darlegungserfordernis geboten gewesen wären. Der Antragsteller meint, dass die §§ 6 und 7 ErV HfPolBW durch die Änderung des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LHG mit Wirkung zum rechtswidrig geworden seien und der Antragsgegner diese Vorschriften bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist spätestens mit Wirkung zum an die neuen Regelungen des § 19 LHG hätte anpassen müssen. Dieses Ziel habe er über eine Anfechtung der Senatsbeschlüsse wegen § 10 Abs. 5 Satz 3 LHG nicht erreichen können. Der Antragsgegner habe erst nach Ablauf der Umsetzungsfrist während des Normenkontrollverfahrens die Änderung der §§ 6 und 7 ErV HfPolBW vorgenommen und damit seinem Begehren im Normenkontrollantrag entsprochen. Die Beschwerdebegründung verhält sich mithin nicht dazu, dass nach Auffassung der Vorinstanz auch ohne die prinzipale Normenkontrolle gegen unter dem Landesgesetz stehende Normen effektiver Rechtsschutz in dieser Fallkonstellation zu erreichen gewesen wäre, weil neben den Rechtsbehelfen gegen die Senatsbeschlüsse die Erhebung einer auf Normerlass gerichteten Feststellungsklage in Betracht gekommen wäre.
6 Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2021:130421B6BN1.20.0
Fundstelle(n):
KAAAH-78633