BGH Urteil v. - VI ZR 521/19

Abgasskandal: Annahmeverzug des Fahrzeugherstellers bei der Rückabwicklung des Kaufvertrages

Leitsatz

Zu den Voraussetzungen des Annahmeverzuges bei der Haftung eines Automobilherstellers nach §§ 826, 31 BGB gegenüber dem Käufer des Fahrzeugs in einem sogenannten Dieselfall.

Gesetze: § 31 BGB, § 293 BGB, § 826 BGB

Instanzenzug: OLG Oldenburg (Oldenburg) Az: 6 U 81/19vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 13 O 2009/18

Tatbestand

1Der Kläger erwarb im März 2014 zu einem Kaufpreis von 32.689,99 € einen Skoda Yeti mit einem Dieselmotor EA189. Die Motorsteuerungssoftware bewirkte, dass eine Prüfungssituation, in der der Abgasausstoß gemessen wird, erkannt und die Abgasaufbereitung für deren Dauer optimiert wurde (Fahrmodus 1). Im normalen Betrieb unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr außerhalb des Prüfstands (Fahrmodus 0) wurde die Abgasaufbereitung abgeschaltet bzw. die Abgasrückführungsrate verringert. Das führte zu einer Erhöhung des Stickstoffausstoßes. Da auf dem Prüfstand die zulässigen Grenzwerte für den Stickstoffausstoß eingehalten wurden, wurde das Fahrzeug in die Schadstoffklasse Euro 5 eingeordnet.

2Der Kläger hat die Verurteilung des beklagten Fahrzeugherstellers zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 26.686,28 € (Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung von 6.003,71 €) nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit (am ) Zug um Zug gegen Übergabe und Rückübereignung des Fahrzeugs sowie für diesen Fall die Feststellung des Annahmeverzugs beantragt, hilfsweise die Zahlung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten, mindestens jedoch 6.537,99 € umfassenden Wertminderung nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit begehrt, sowie ferner die Verurteilung der Beklagten zur Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.769,65 € beantragt.

3Das Landgericht hat der Klage unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung von 14.561,30 € (basierend auf einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km) im Umfang von 18.128,69 € stattgegeben, festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde und sie zur Freistellung des Klägers von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 € verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger sein erfolgloses Klagebegehren weiterverfolgt und beantragt, die Beklagte ferner zur Zahlung von Deliktszinsen im Umfang von 5.767,97 € sowie weiteren Zinsen aus einem Betrag in Höhe von 32.689,99 € in Höhe von fünf Prozentpunkten seit dem bis zur Rechtshängigkeit sowie in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen. Das Oberlandesgericht hat der Klage in Abänderung des landgerichtlichen Urteils unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung von 12.204,26 € (basierend auf einem höheren Kilometerstand und einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km) im Umfang von 20.485,73 € stattgegeben und im Übrigen die weitergehende Berufung des Klägers und die auf Klageabweisung gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

4Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wendet sich die Beklagte gegen die Feststellung, dass sie sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde.

Gründe

I.

5Nach Auffassung des Berufungsgerichts befindet sich die Beklagte gemäß § 293 BGB in Annahmeverzug, nachdem der Kläger mit Schreiben vom die faktische Rückabwicklung des Kaufvertrages geltend gemacht und die Herausgabe des Fahrzeugs Zug um Zug gegen die Zahlung des Kaufpreises angeboten habe.

II.

6Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Zu Recht rügt die Revision der Beklagten, dass das Berufungsgericht den Annahmeverzug nicht hätte feststellen dürfen.

7In dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt, dem Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 449/20, juris Rn. 9), war das wörtliche Angebot des Klägers auf Rückgabe des Fahrzeugs an eine unberechtigte Bedingung geknüpft, nämlich an die Rückzahlung des Kaufpreises in einem Umfang, der mit 26.686,28 € die Schadensersatzpflicht der Beklagten über 20.485,73 € um mehr als 30 % überstieg. Eine solchermaßen überhöhte Forderung schließt den Annahmeverzug aus (vgl. , WM 2021, 139 Rn. 4; vom - VI ZR 397/19, VersR 2020, 1327 Rn. 30; vom - VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 Rn. 85). Ob der Kläger sein Angebot darüber hinaus, wie die Revision meint, von der Zahlung von Deliktszinsen abhängig gemacht hat, kann angesichts dessen dahinstehen.

III.

8Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Bei der Kostenverteilung für das Berufungsverfahren war unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass geltend gemachte Zinsansprüche in erheblichem Umfang nicht zugesprochen werden konnten (vgl. , NVwZ 2014, 976, juris Rn. 20; vom - VIII ZR 57/94, juris Rn. 65; vom - IX ZR 149/91, ZIP 1992, 1256, 1270 f., juris Rn. 108; vom - IX ZR 127/87, NJW 1988, 2173, 2175, juris Rn. 28; vom - VIII ZR 222/59, LM § 92 ZPO Nr. 7; RGZ 42, 83, 85; Zöller-Herget, 33. Aufl., § 92 ZPO Rn. 3; BeckOK ZPO/Jaspersen, 39. Ed. , ZPO § 92 Rn. 2; Musielak/Voit/Flockenhaus, 18. Aufl., ZPO § 92 Rn. 4).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:200421UVIZR521.19.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2021 S. 952 Nr. 15
ZIP 2021 S. 1015 Nr. 19
YAAAH-77707