Online-Nachricht - Donnerstag, 25.03.2021

Einkommensteuer | Investitionsabzugsbetrag für Maschinenwerkzeuge bei Auftragsproduktion (BFH)

Ein Wirtschaftsgut des Investors wird auch dann noch i. S. des § 7g EStG in einer Betriebsstätte des Betriebs des Investors ausschließlich betrieblich genutzt, wenn es in dem Betrieb eines Anderen ausschließlich als Werkzeug zur Herstellung von durch den Investor in Auftrag gegebenen Teilen eingesetzt und in der restlichen Zeit dort für den Investor lediglich verwahrt wird (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Streitig ist die Berücksichtigung eines Investitionsabzugsbetrags und der Sonderabschreibungen nach § 7g EStG in der für die Streitjahre 2012 und 2013 geltenden Fassung für sog. "Werkzeuge".

Zur Herstellung von Bauteilen für ein neu entwickeltes Produkt benötigte die Klägerin Spritzgussformen. Solche Spritzgussformen werden als "Werkzeuge" in universelle Spritzgussmaschinen zur Produktion spezieller Kunststoffformteile eingesetzt.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Verbleibensvoraussetzungen bei funktionaler Betrachtungsweise gewahrt sind, wenn die geförderten Wirtschaftsgüter (Spritzgussformen) nicht im Betrieb des investierenden Unternehmens selbst genutzt, sondern zu einem ausländischen Auftragnehmer verbracht werden, der sie zur Herstellung von Vorprodukten nutzt, die im investierenden Unternehmen benötigt werden, oder ob ein räumliches Verbleiben im Betrieb des investierenden Unternehmens erforderlich ist.

Das FA vertrat die Ansicht, dass die erforderliche Nutzung in einer inländischen Betriebsstätte nicht vorliege, so dass der Investitionsabzugsbetrag und die vorgenommene Sonderabschreibung nicht zu gewähren seien. Das FG gab der nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens erhobenen Klage statt ().

Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen:

  • Die hier allein streitige Nutzungsvoraussetzung (§ 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b, Abs. 6 Nr. 2, Abs. 4 EStG) verlangt, dass der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich nutzt.

  • Eine die Begünstigung des § 7g EStG ausschließende langfristige Nutzungsüberlassung liegt nur vor, wenn das Wirtschaftsgut einem Anderen entgeltlich oder unentgeltlich zur grundsätzlich eigenverantwortlichen Nutzung überlassen wird, wie dies typisch für die Überlassung eines Wirtschaftsguts im Rahmen eines Miet-, Pacht- oder Leihverhältnisses ist. Die mit der Voraussetzung einer Nutzung in einer Betriebsstätte des Betriebs des Steuerpflichtigen geforderte räumliche Bindung des Wirtschaftsguts an den Betrieb des Investors zeigt sich insbesondere darin, dass der Investor die tatsächliche Gewalt über das Wirtschaftsgut hat oder - im Fall der kurzfristigen Nutzungsüberlassung - jedenfalls innerhalb kurzer Zeit wiedererlangt. Das Wirtschaftsgut bleibt damit im "Einflussbereich" des Steuerpflichtigen und behält dadurch die erforderliche räumliche Bindung zu seinem Betrieb.

  • Auch wenn die Werkzeuge mehr als drei Monate bei Y bzw. Z (den ausländischen Auftragnehmern) verbleiben, sind Y und Z in dieser Zeit gerade nicht zu deren Nutzung zu eigenen Zwecken berechtigt. Sie dürfen die Werkzeuge ausschließlich für die Produktion der von der Klägerin in ihrem Betrieb benötigten Teile einsetzen. Eine anderweitige Nutzung der Werkzeuge ist ihnen vertraglich untersagt. Sie haben gegenüber der Klägerin auch kein Besitzrecht, sondern sind zur jederzeitigen Herausgabe der Werkzeuge auf deren Verlangen verpflichtet. Die Werkzeuge werden zwischen ihrem jeweiligen Einsatz von Y bzw. Z für die Klägerin lediglich verwahrt.

  • Diese Umstände rechtfertigen es, noch von einer Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum Betrieb der Klägerin auszugehen. Insoweit ist der erforderliche räumliche Bezug des Wirtschaftsguts zum Betrieb des Investors funktional zu verstehen.

  • Da es sich, was zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig ist, bei den in Italien belegenen Betrieben von Y bzw. Z nicht um (ausländische) Betriebsstätten der Klägerin handelt, hat die Klägerin die Werkzeuge, für die sie einen Investitionsabzugsbetrag sowie Sonderabschreibungen in Anspruch genommen hat, danach i. S. des § 7g EStG in einer inländischen Betriebsstätte ihres Betriebs ausschließlich betrieblich genutzt.

Anmerkung von Walter Bode, Richter im IV. Senat des BFH:

Voraussetzung für die Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags nach § 7g EStG ist u. a. die voraussichtliche ausschließliche oder fast ausschließliche betriebliche Nutzung des begünstigten Wirtschaftsguts in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs des Investors, wodurch eine dauerhafte zeitliche und räumliche Beziehung des Wirtschaftsguts zu diesem Betrieb sichergestellt werden soll. Eine langfristige Überlassung, bei der das Wirtschaftsgut nicht im Betrieb des Investors verbleibt, liegt dagegen vor, wenn das Wirtschaftsgut einem Anderen entgeltlich oder unentgeltlich zur grundsätzlich eigenverantwortlichen Nutzung überlassen wird.

Im Besprechungsfall hatte die Klägerin bei A Werkzeuge bestellt, wobei A damit Kunststoffformteile herstellen und die Werkzeuge deshalb im Besitz behalten sollte. A vergab den Auftrag zur Herstellung der Werkzeuge an einen Subunternehmer in Italien (Y), wo die Werkzeuge nach Herstellung zunächst verblieben. Später beauftragte die Klägerin die B mit der Herstellung der Kunststoffteile. B vergab den Auftrag zur Herstellung und Lieferung der Kunststoffteile nach Deutschland ebenfalls an einen Subunternehmer in Italien (Z). Die zugelieferten Werkzeuge verblieben auf Wunsch der Klägerin im Lager von Z, um dort - wie branchenüblich - für etwaige Folgeaufträge zur Verfügung zu stehen; die Werkzeuge durfte Z nicht anderweitig einsetzen. Unstreitig war, dass es sich bei den in Italien belegenen Betrieben von Y bzw. Z nicht um (ausländische) Betriebsstätten der Klägerin handelte.

Der BFH ist mit dem FG davon ausgegangen, dass die Werkzeuge i. S. des § 7g EStG in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs der Klägerin als Investor ausschließlich betrieblich genutzt worden seien, weil diese in dem Betrieb eines Anderen - hier des Z - ausschließlich als Werkzeug zur Herstellung von durch die Klägerin als Investor in Auftrag gegebenen Teilen eingesetzt und in der restlichen Zeit dort für diese lediglich verwahrt worden seien. Auch wenn die Werkzeuge mehr als drei Monate bei Y bzw. Z verblieben seien, seien Y und Z in dieser Zeit nicht zu deren Nutzung zu eigenen Zwecken berechtigt gewesen. Sie hätten die Werkzeuge ausschließlich für die Produktion der von der Klägerin in ihrem Betrieb benötigten Teile einsetzen dürfen. Eine anderweitige Nutzung der Werkzeuge sei ihnen vertraglich untersagt gewesen. Sie hätten gegenüber der Klägerin auch kein Besitzrecht gehabt, sondern seien zur jederzeitigen Herausgabe der Werkzeuge auf deren Verlangen verpflichtet gewesen. Deshalb sei „noch“ von einer Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum Betrieb der Klägerin auszugehen. Insoweit ist hervorzuheben, dass der BFH den erforderlichen räumlichen Bezug des Wirtschaftsguts zum Betrieb des Investors funktional verstanden hat.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
NWB FAAAH-74741