NWB Sanieren Nr. 2 vom Seite 45

Strafrechtliche Risiken im Restrukturierungsverfahren

Der neue Straftatbestand des § 42 StaRUG und die bisherigen Krisenstraftatbestände im Lichte des SanInsFoG

Prof. Dr. Jens M. Schmittmann *

Die Richtlinie 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über präventive Restrukturierungsrahmen, Entschuldung und Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2017/1123 [1] hat die Mitgliedstaaten u. a. verpflichtet, in ihr nationales Recht Vorschriften zu implementieren, die es Schuldnern durch präventive Restrukturierungsrahmen ermöglichen, sich frühzeitig wirksam und im Hinblick auf die Vermeidung ihrer Insolvenz zu restrukturieren, um so die unnötige Liquidation bestandsfähiger Unternehmen zu begrenzen. [2] In Deutschland erfolgte die Umsetzung der Richtlinie u. a. durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts vom , [3] das zum einen das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen, aber auch erhebliche Änderungen in der Insolvenzordnung beinhaltet. Der folgende Beitrag geht den Strafbarkeitsrisiken der Geschäftsleiter und Berater im Restrukturierungsverfahren nach.

Kernaussagen
  • Wird eine juristische Person oder eine gleichgestellte Personengesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans ohne schuldhaftes Zögern einen Insolvenzeröffnungsantrag zu stellen. Dies gilt auch im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens. Wer dies unterlässt und auch seinen Anzeigepflichten nach § 42 StaRUG nicht nachkommt, macht sich strafbar.

  • Mit Freiheits- oder Geldstrafe wird bestraft, wer während der Rechtshängigkeit einer Restrukturierungssache dem Insolvenzgericht den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung nicht (rechtzeitig) anzeigt.

  • Sofern der Berater hierzu Beihilfe leistet, droht auch ihm strafrechtliche Verfolgung.

  • Eine gründliche Prüfung der Liquiditätsplanung und deren laufende Kontrolle ist daher unabdingbar.

I. Einordnung in das System der haftungsbeschränkten Gesellschaften

Während bei Personengesellschaften regelmäßig die Gesellschafter persönlich haften, haftet bei den juristischen Personen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern derselben nur das Gesellschaftsvermögen. [4] Ist bei einer Personengesellschaft keine natürliche Person vorhanden, die Vollhafter („Komplementär“) ist, wird sie insolvenzrechtlich wie eine juristische Person behandelt, was sich z. B. auch in der Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO niederschlägt.

Das Vermögen der Gesellschaft und damit auch die Interessen der Gläubiger werden bei haftungsbeschränkten Gesellschaften in vielfältiger Weise zivilrechtlich geschützt. [5] Zudem werden die Interessen der Gesellschaft und ihrer Gläubiger auch durch ein System strafrechtlicher Ahndung gesellschaftsrechtlichen Fehlverhaltens geschützt.

Schon in der Gründungsphase greifen strafrechtliche Sanktionen, z. B. wenn im Zusammenhang mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister falsche Angaben gemacht werden (§ 82 Abs. 1 GmbHG). Es drohen eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Ist die Hälfte des Stammkapitals bei einer GmbH verloren, so muss gemäß § 49 Abs. 3 GmbHG eine Gesellschafterversammlung unverzüglich einberufen werden. Auch diese Vorschrift hat zwar primär gesellschafterschützende Funktion, dient aber reflexweise dem Gläubigerschutz. [6] Wer es als Geschäftsführer unterlässt, den Gesellschaftern einen Verlust i. H. der Hälfte des Stammkapitals anzuzeigen, wird gemäß § 84 Abs. 1 GmbHG mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer GeldstrafeS. 46 bestraft. Bei fahrlässiger Begehung ist eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe vorgesehen.

Wird eine juristische Person oder eine ihr nach § 15a Abs. 2 InsO gleichgestellte haftungsbeschränkte Personengesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans, also die Geschäftsleiter, ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Im Falle der Führungslosigkeit einer GmbH trifft diese Verpflichtung gemäß § 15a Abs. 3 InsO auch jeden Gesellschafter, es sei denn, er hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis. Wer den gebotenen Insolvenzantrag unterlässt, wird gemäß § 15a Abs. 4 InsO mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft. Bei fahrlässiger Begehung beträgt die Straferwartung gemäß § 15a Abs. 5 InsO eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.

Während im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren (§ 270b InsO) und im Schutzschirmverfahren (§ 270d InsO) keine besonderen Straftatbestände vorgesehen sind, wurde im Rahmen des SanInsFoG im StaRUG ein besonderer Straftatbestand geschaffen.

II. Restrukturierung nach dem StaRUG

Mit dem StaRUG wird nicht nur ein dem deutschen Recht bislang fremdes Restrukturierungsverfahren eingeführt, sondern

  1. ein zusätzlicher Straftatbestand des Verletzens der Anzeigepflicht von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung (§ 42 StaRUG) eingeführt.

    Die bislang in der Praxis häufig vorkommenden Straftatbestände der

  2. Insolvenzverschleppung,

  3. Steuerhinterziehung, des

  4. Eingehungsbetruges sowie der

  5. Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen

    bleiben daneben bestehen.

1. Nichtanzeige von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung gem. § 42 StaRUG

Entscheidet sich der Geschäftsleiter für seine Gesellschaft für einen Antrag auf Insolvenzeröffnung und gleichzeitigem Antrag auf Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung, steht dem eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft nicht entgegen. Es ist allerdings eine Eigenverwaltungsplanung gemäß § 270a InsO vorzulegen, aus der sich u. a. ergeben muss, wie die Gesellschaft in den nächsten zwei Monaten die Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes und die Kosten des Verfahrens sicherstellen will. Wenn die Eigenverwaltungsplanung vollständig und schlüssig ist sowie nicht auf unzutreffenden Tatsachen beruht, kann auch bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gemäß § 270b InsO die vorläufige Eigenverwaltung angeordnet werden. Das Schutzschirmverfahren hingegen setzt voraus, dass lediglich drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich ausweglos ist (§ 270d Abs. 1 InsO).

Praxishinweis

Das StaRUG setzt voraus, dass bei dem Schuldner weder Zahlungsunfähigkeit noch Überschuldung eingetreten ist. [7] Das Restrukturierungsverfahren richtet sich also an Schuldner, die lediglich drohen, zahlungsunfähig zu werden. Ein Schuldner droht gemäß § 18 Abs. 2 InsO zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. In aller Regel ist ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen.

Die Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a InsO (für juristische Personen und haftungsbeschränkte Personengesellschaften) und § 42 Abs. 2 BGB (für Vereine) ruht während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache. Die antragspflichtigen Geschäftsleiter sind jedoch gemäß § 42 Abs. 1 StaRUG verpflichtet, dem Restrukturierungsgericht den Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit i. S. von § 17 Abs. 2 InsO oder einer Überschuldung i. S. von § 19 Abs. 2 InsO ohne schuldhaftes Zögern anzuzeigen. Ebenso können die antragspflichtigen Geschäftsleiter auch einen den Anforderungen des § 15a InsO genügenden Insolvenzantrag stellen, der dann gemäß § 42 Abs. 2 StaRUG als rechtzeitige Erfüllung der Anzeigepflicht dient.

Diese Anzeigepflicht dient der Vorbereitung der Aufhebung der Restrukturierungssache, die nach § 33 StaRUG zwischen einer Regelaufhebung gem. § 33 Abs. 1 StaRUG und einer fakultativen Aufhebung gem. § 33 Abs. 2 StaRUG unterscheidet.

Praxishinweis

Stellt der Schuldner einen Insolvenzantrag oder wird über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren gestellt, so hebt das Restrukturierungsgericht die Restrukturierungssache gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG von Amts wegen auf. Weiterhin kommt die Aufhebung von Amts wegen bei Unzuständigkeit des Gerichts gem. § 33 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG oder Pflichtverstößen des Schuldners gem. § 33 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG in Betracht.

Im Übrigen kommt eine Aufhebung der Restrukturierungssache nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG in Betracht, wenn der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung angezeigt hat oder andere Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass der Schuldner insolvenzreif ist. Die Besonderheit besteht hier darin, dass von der Aufhebung der Restrukturierungssache abgesehen werden kann, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Blick auf den erreichten Stand in der Restrukturierungssache offensichtlich nicht im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger liegen würde. Zudem soll von der Aufhebung abgesehen werden, wenn die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung aus der Kündigung oder sonstigen Fälligstellung einer Forderung resultiert, die nach dem angezeigten Restrukturierungskonzept einer Gestaltung durch den Plan unterworfen werden soll, sofern die Erreichung des Restrukturierungsziels überwiegend wahrscheinlich ist.S. 47

Die Instrumente der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen können nur in Anspruch genommen werden, wenn das Restrukturierungsvorhaben gemäß § 31 Abs. 1 StaRUG bei dem zuständigen Restrukturierungsgericht angezeigt wird. Die Anzeige verliert ihre Wirkung, wenn der Schuldner die Anzeige zurücknimmt (§ 33 Abs. 4 Nr. 1 StaRUG), die Entscheidung über die Planbestätigung rechtskräftig wird (§ 33 Abs. 4 Nr. 2 StaRUG), das Gericht die Restrukturierungssache nach § 33 StaRUG aufhebt (§ 33 Abs. 4 Nr. 3 StaRUG) oder seit der Anzeige sechs Monate, oder sofern der Schuldner die Anzeige zuvor erneuert hat, zwölf Monate vergangen sind (§ 33 Abs. 4 Nr. 4 StaRUG). In diesem Fall leben die Antragspflichten gemäß § 42 Abs. 4 StaRUG und damit die strafrechtlichen Verantwortlichkeiten ebenfalls wieder auf.

Wird gegen die Verpflichtung zur Anzeige von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung gemäß § 42 Abs. 1 StaRUG verstoßen, wird der Täter gemäß § 42 Abs. 3 StaRUG mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Im Fall der fahrlässigen Tatbegehung beträgt die Straferwartung eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.

Es ist daher während der laufenden Restrukturierungssache für den Geschäftsführer von elementarer Bedeutung, die Insolvenzgründe zu beobachten. Gerade im Hinblick auf die schwierige Abgrenzung zwischen drohender Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO und der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit gem. § 17 InsO wird der Geschäftsleiter ohne Hilfe eines Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers seine Verpflichtungen nach § 42 StaRUG kaum einhalten können und damit eine strafrechtliche Verfolgung zu erwarten haben.

2. Insolvenzverschleppung gem. § 15a InsO

Verpasst der Geschäftsleiter den richtigen Zeitpunkt zur Stellung des Insolvenzantrages bei einer juristischen Person oder haftungsbeschränkten Personengesellschaft, so droht eine strafrechtliche Verfolgung gemäß § 15a Abs. 4 InsO. Dabei ist zu berücksichtigen, dass durch die Neufassung des § 15a Abs. 1 Satz 2 InsO durch das SanInsFoG der Antrag zwar nach wie vor ohne schuldhaftes Zögern zu stellen ist, die Antragsfrist aber (wie bisher) bei Zahlungsunfähigkeit drei Wochen beträgt und bei Überschuldung auf sechs Wochen verlängert worden ist.

3. Steuerhinterziehung gem. § 370 AO

Wegen Steuerhinterziehung wird bestraft, wer den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO), die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis setzt (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) oder pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt (§ 370 Abs. 1 Nr. 3 AO) und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Der Strafrahmen beträgt Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. In besonders schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren (§ 370 Abs. 3 AO).

Ungeachtet dessen, dass während der gesamten Laufzeit der Restrukturierungssache die steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen sind, sind auch die Besonderheiten zu beachten. [8] Der Geschäftsleiter hat z. B. mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob aus Eingangsrechnungen noch Vorsteuer geltend gemacht werden kann. Der Gestaltung durch den Restrukturierungsplan unterliegen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG Restrukturierungsforderungen, also Forderungen, die gegen eine restrukturierungsfähige Person (Schuldner) begründet sind. Wird durch den Restrukturierungsplan, insbesondere mit der Bestätigung des Restrukturierungsplans gemäß § 67 StaRUG, eine langfristige Stundung oder ein (teilweiser) Forderungsverzicht angeordnet, so sind die umsatzsteuerlichen Konsequenzen [9] ebenso zu beachten wie eine (mögliche) ertragswirksame Ausbuchung der Verbindlichkeit in ertragssteuerlicher Hinsicht. All diese Entscheidungen wird der Geschäftsleiter ohne die sachkundige Beratung durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer nicht leisten können.

4. Betrug gem. § 263 StGB

Selbst wenn im Restrukturierungsverfahren noch keine Zahlungsunfähigkeit i.S. des § 18 InsO eingetreten ist, so sollte der Geschäftsleiter stets prüfen, ob noch hinreichende Liquidität vorliegt, um alle Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu bedienen. Wer einen Vertrag eingeht, erklärt damit konkludent, dass er bei Fälligkeit der Gegenleistung willens und in der Lage ist, die geschuldete Gegenleistung zu erbringen. Der erforderliche Vermögensschaden liegt beim Eingehungsbetrug in der Verminderung des Vermögens des Geschädigten. Ob eine solche Einbuße gegeben ist muss der Richter durch einen Vergleich der Vermögenslage vor und nach Vertragsschluss ermitteln. [10] Diese Vermögenseinbuße ist in den Fällen einer späteren Insolvenz des Restrukturierungsschuldners dadurch zu bestimmen, dass der Nominalbetrag der Forderung mit der späteren Insolvenzquote ins Verhältnis gesetzt wird.

Praxishinweis

Schon weil stets die Gefahr besteht, dass die Restrukturierung nicht gelingt und es später zu einem Insolvenzverfahren kommt, sollte der Geschäftsleiter – mit Hilfe eines beruflich qualifizierten Beraters – die Liquiditätsplanung fortschreiben und laufend kontrollieren, um sich in einem späteren Verfahren exkulpieren zu können.

5. Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gem. § 266a StGB

Während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache ist in jedem Fall mit besonderer Sorgfalt darauf zu achten, dass die sozialversicherungsrechtlichen Melde- und Zahlungspflichten eingehalten werden. Davon ist insbesondere der Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung betroffen,S. 48 da gemäß § 266a Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe drohen, wenn der Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung vorenthält. Dies gilt auch, wenn das Arbeitsentgelt nicht gezahlt wird. In besonders schweren Fällen kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren in Betracht (§ 266a Abs. 4 StGB).

III. Handlungsempfehlungen für Berater

Das Restrukturierungsverfahren nach StaRUG bringt Beratern neue Möglichkeiten, gegenüber Bestandsmandanten und neuen Mandanten weitere abrechenbare Leistungen zu erbringen. Dieses ist insbesondere darin begründet, dass verschiedene Aufgaben, die die Geschäftsleiter während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache haben, von diesen allein kaum sachgerecht selbst erfüllt werden können.

Der Berater sollte aber dabei zugleich darauf achten, dass er sich nicht dem Risiko einer eigenen Strafverfolgung aussetzt. Im Strafrecht ist zunächst zwischen der Täterschaft und der Teilnahme zu unterscheiden. Als Täter wird gemäß § 25 Abs. 1 StGB bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder gemäß § 25 Abs. 2 StGB als Mittäter bestraft. Soweit es sich um „echte Sonderdelikte“ handelt, so können sie lediglich vom organschaftlichen Vertreter oder dem Schuldner selbst begangen werden. Die Strafandrohung des § 43 Abs. 3 StaRUG richtet sich lediglich gegen den Antragspflichtigen, also den Geschäftsleiter, so dass ein Sonderdelikt vorliegt, bei dem die Täterschaft eines Beraters ausscheidet.

Soweit bei „echten Sonderdelikten“ eine Täterschaft des Beraters ausscheidet, ist aber zu prüfen, ob eine Teilnahme in Betracht kommt. [11] Gemäß § 27 Abs. 1 StGB ist Beihilfe die vorsätzliche Hilfeleistung zur Vorsatztat eines Anderen. Objektiv muss die Beihilfehandlung zwar für den Taterfolg nicht ursächlich gewesen sein, die tatbestandsmäßige Handlung aber gefördert, erleichtert oder den Täter in seinem Entschluss zur Tatbegehung bestärkt haben. Im Fall der Strafbarkeit gemäß § 15a InsO ist in subjektiver Hinsicht neben dem entsprechenden Vorsatz des Täters zumindest die Erkenntnis des Gehilfen erforderlich, dass das Organ den Insolvenzantrag trotz gegebener Insolvenzreife pflichtwidrig unterlässt. [12]

Bezogen auf den Straftatbestand des § 43 Abs. 3 StaRUG kann dies z. B. eine Beihilfe begründen, wenn der Geschäftsleiter in der irrigen Vorstellung, dass ein Insolvenzgrund noch nicht vorliegt, vom Steuerberater bestärkt wird. Ebenso kann eine Beihilfe in Betracht kommen, wenn der Steuerberater die Annahme des Geschäftsleiters unterstützt, die Antragsfristen von drei Wochen bei Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen bei Überschuldung (§ 15a InsO) könnten in jedem Fall ausgenutzt werden, obgleich zutreffender Weise die Anzeige ohne schuldhaftes Zögern beim Restrukturierungsgericht einzureichen ist.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist zwar durch das Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen sowie zur Verlängerung der Steuererklärungsfrist in beratenen Fällen und der zinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2019 vom [13] unter engen Voraussetzungen nochmals bis zum verlängert worden. Dies gilt zudem nur, wenn die erlangbaren Hilfen bis beantragt worden sind und damit der Insolvenzgrund beseitigt werden kann. In allen anderen Fällen bleibt es bei der Pflicht, ohne schuldhaftes Zögern Insolvenzantrag zu stellen.

Für eine psychische Beihilfe reicht es schon aus, dass der Berater den Steuerpflichtigen in seinem Tatbeschluss bestärkt und ihm ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit vermittelt. Dazu reicht aber die bloße Teilnahme an einer Besprechung und die Kenntnis einer Handlung nicht aus. [14] Eine psychische Beihilfe kommt gleichwohl noch in Betracht, wenn der Steuerpflichtige zwar zur Tatbegehung an sich schon entschlossen ist, der Berater ihm aber noch Ratschläge zur Tatdurchführung gibt. [15]

IV. Fazit

Das durch das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz eingeführte Restrukturierungsverfahren nach StaRUG bietet interessante Möglichkeiten der Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen, ohne die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Ungeachtet der zivilrechtlichen Konsequenzen von Pflichtverletzungen der Geschäftsleiter während dieses Verfahrens sind auch die strafrechtlichen Tatbestände zu beachten.

Gemäß § 42 Abs. 3 StaRUG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache dem Insolvenzgericht den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nicht oder nicht rechtzeitig anzeigt. Sofern der Berater dazu Beihilfe leistet, droht auch ihm strafrechtliche Verfolgung.

Autor

Prof. Dr. Jens M. Schmittmann,
ist Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Wirtschafts- und Steuerrecht an der FOM Hochschule für Oekonomie und Management Essen, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, für Handels- und Gesellschaftsrecht und für Steuerrecht sowie Steuerberater und Mitglied des Senats für Anwaltssachen des Bundesgerichtshofs. Darüber hinaus ist er Vizepräsident des RIFAM Rhein-Ruhr-Instituts für angewandte Mittelstandsforschung e. V., Düsseldorf.

Fundstelle(n):
NWB Sanieren 2/2021 Seite 45
NWB RAAAH-73778

1ABl EU 2019 Nr. L 172 S. 18.

2RL, Erwägungsgrund 2.

3BGBl 2020 I S. 3256 ff. – „SanInsFoG“; vgl. Bode, NWB SAAAH-70976; Heidrich/Gabriel, SanB 2020 S. 164 ff.; Morgen, INDAT Report 9/2020 S. 13 ff.; Poertzgen, ZInsO 2020 S. 2509 ff.; Proske, ZRI 2020 S. 641 ff.; Proske/Streit, NZI 2020 S. 969 ff.; Ringelspacher/Ruch, ZRI 2020 S. 636 ff.; Römermann, Stbg 2020 S. 463 ff.; Schmittmann, ZRI 2020 S. 649 ff.; Skauradszun, ZRI 2020 S. 625 ff.; Thole, ZRI 2020 S. 393 ff.; Vallender, ZInsO 2020 S. 2579 ff.; Vallender, ZInsO 2020 S. 2677 ff.

4So § 13 Abs. 2 GmbHG; für die übrigen juristischen Personen gelten vergleichbare Vorschriften.

5Vgl. Bitter/Baschnagel, ZInsO 2018 S. 557 ff.; Bitter/Baschnagel, ZInsO 2018 S. 625 ff.; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 8. Aufl. 2019; Schmittmann, Haftung der Organe in Krise und Insolvenz, 3. Aufl. 2020.

6So Priester, Verlustanzeige und Eigenkapitalersatz, ZGR 1999 S. 533, 536.

7Vgl. Gehrlein, Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) – ein Überblick, BB 2021 S. 66 ff.

8Vgl. umfassend: Duda/Schmittmann, Steuerstrafrechtliche Risiken in Krise und Insolvenz, 2. Aufl. 2021.

9Berichtigung gemäß § 17 UStG.

10So , wistra 1992 S. 24 ff., Rz. 16.

11Vgl. dazu: Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, 3. Aufl. 2020, Rz. 1193.

12So NWB FAAAB-98100.

13BGBl 2020 I S. 237.

14So NWB UAAAA-96919.

15So Trück in Bittmann, Insolvenzstrafrecht, 2. Aufl. 2017, § 29 Rz. 37.