Online-Nachricht - Donnerstag, 11.03.2021

Umsatzsteuer | Steuerpflicht der Tätigkeit einer gemeinnützigen GmbH zugunsten ihrer Mitglieder (Rechtslage vor dem ) (BFH)

Die Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Gesellschafter (hier: christliche Kirche und kirchennaher Verein) durch eine gemeinnützige GmbH ist keine der Mehrwertsteuer unterliegende Tätigkeit, wenn die Tätigkeit der GmbH einer bestimmten Personengruppe (hier: allen christlichen Kirchen) zugutekommt und sich eine Wirkung zugunsten der einzelnen Gesellschafter nur mittelbar aus diesen Vorteilen ableitet (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Streitig ist, ob die Klägerin, eine im Jahr 1998 gegründete gemeinnützige GmbH, in den Streitjahren 2011 bis 2013 an ihre Gesellschafter bzw. an zwei Kirchen steuerbare und steuerpflichtige Leistungen im Bereich der Medienarbeit erbracht hat. Gesellschafter der Klägerin waren je zur Hälfte die A-Kirche und der B-Medienverein, der nach Angaben der Klägerin die Z Kirche repräsentiert.

Die Klägerin hatte die Aufgabe, Informationen und Berichte aus dem Bereich der Z- und der A-Kirche zu beschaffen und zu verbreiten. Nach dem Vortrag der Klägerin erfülle sie den Verkündigungsauftrag der Kirche mit journalistischen Mitteln.

Hierfür beschäftigte sie etwa sechs Redakteure. Diese verfassten Meldungen, die in handwerklicher Sicht dem dpa-Standard entsprechen sollten.

Zur Deckung ihrer Personal- und Sachkosten erhielt die Klägerin von ihren Gesellschaftern Geldbeträge, die sie als nichtsteuerbare Zuschüsse behandelte. Das FA vertrat dagegen die Auffassung, dass die Zuwendungen der Gesellschafter Entgelte für steuerpflichtige Leistungen der Klägerin seien, auf die der ermäßigte Steuersatz anzuwenden sei. Einspruch und Klage in erster Instanz hatten keinen Erfolg (, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 4.4.2019).

Die Richter des BFH hoben das Urteil auf und wiesen die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück:

  • Das FG hat nicht geprüft, ob die Umsätze der Klägerin steuerfrei sind. Eine Steuerbefreiung könnte sich aus Vorschiften der MwStSystRL ergeben, die in den Streitjahren nicht in nationales Recht umgesetzt waren So kann eine aus zwei Gesellschaftern bestehende gemeinnützige GmbH ein Personenzusammenschluss i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL und eine Einrichtung ohne Gewinnstreben i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL sein.

  • Darüber hinaus hält die steuersystematisch vorrangige Würdigung des FG, die Leistungen der Klägerin seien steuerbar, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

  • Zwar ist das FG u.a. zutreffend davon ausgegangen, dass ein steuerbarer Umsatz in Form einer Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG nur denn vorliegt, wenn ein identifizierbarer Leistungsempfänger vorhanden ist, der einen Vorteil erhält, der zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems führt (u.a. , BStBl II 2016, 360, Rz. 14).

  • Jedoch hat sich das FG nicht mit der späteren Rechtsprechung des EuGH und des BFH auseinandergesetzt, wonach die Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Gesellschafter (hier: christliche Kirche und kirchennaher Verein) durch eine gemeinnützige GmbH keine der Mehrwertsteuer unterliegende Tätigkeit ist, wenn die Tätigkeit der GmbH einer bestimmten Personengruppe (hier: allen christlichen Kirchen) zugutekommt und sich eine Wirkung zugunsten der einzelnen Gesellschafter nur mittelbar aus diesen Vorteilen ableitet ( "VNLTO" sowie , Rz. 14).

  • Ob diese neuere Rechtsprechung des EuGH und des BFH im Streitfall zu einer anderen Beurteilung führt, weil das "allgemeine Interesse der Mitglieder" in der Verbreitung christlicher Wertvorstellungen und ethischer Positionen (als "Branchenerzeugnis") bestehen könnte, hat das FG nicht erörtert und den Streitfall nicht anhand dieser Grundsätze geprüft.

Anmerkung von Prof. Dr. Alois Nacke, Richter im XI. Senat des BFH:

Obwohl ein Kommentator die Zulassung der Revision durch das FG nicht für erforderlich hielt (s. Wackerbeck, EFG 2019. 290), gibt die Entscheidung doch zu einzelnen Fragen wichtige Antworten.

In dem Besprechungsfall waren nach Ansicht des Finanzamtes die Zahlungen, die die Gesellschafter der Klägerin (GmbH) erbrachten, Entgelte für steuerpflichtige Leistungen der Klägerin, auf die der ermäßigte Steuersatz anzuwenden sei. Das Finanzgericht sah dies ebenso. Der BFH folgte dem aber nicht.

Maßgeblich war für den BFH, dass das FG zwei Befreiungsvorschriften der MwStSystRL nicht angemessen geprüft hat, weshalb auch die Streitsache an das FG zurückverwiesen wurde.

Aber der BFH hat die Entscheidung auch genutzt, um auf einige Auslegungspunkte des Umsatzsteuerrechts einzugehen. So weist der BFH darauf hin, dass für den EuGH die Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Mitglieder durch eine Vereinigung keine "der Mehrwertsteuer unterliegende" Tätigkeiten sind“. Wenn aber keine konkreten Vorteile durch die Mitglieder erzielt werden, liegt auch kein Leistungsaustausch im konkreten Individualinteresse der Gesellschafter vor. Mittelbare Vorteile, von denen die Gesellschafter der Klägerin bzw. die dahinterstehenden Kirchen allenfalls mittelbar profitieren (wie alle anderen christlichen Kirchen auch), die hier nur aufgrund der Verbreitung von Meldungen christlicher Wertvorstellungen und ethischer Positionen erzielt werden, reichen nicht aus. Darin sah der BFH einen Unterschied zu sonstigen PR-Maßnahmen, die konkret einem bestimmten Verein oder hier einer Kirche zukommen und als verbrauchsfähigen Vorteil anzusehen sind.

Die Entscheidung dürfte auch für andere Bereiche der Kirchen von Bedeutung sein. Maßgeblich ist m.E., ob ein konkreter Vorteil der betreffenden Kirche erzielt wird. Werden nur allgemein ethische Positionen oder im Fall der christlichen Kirchen allgemein christliche Wertvorstellungen vermittelt, reicht dies nicht aus, um eine konkretes Individualinteresse zu rechtfertigen und damit zu einer Steuerpflicht zu kommen.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB QAAAH-73602