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NWB Nr. 8 vom Seite 557

Auslegung von Vorläufigkeitsvermerken in Änderungsbescheiden

Anmerkungen zum

Alexander Rukaber

[i] Gerlach, Vorläufige Steuerfestsetzung, infoCenter, NWB VAAAA-88460 Die Frage, ob und inwieweit eine ursprüngliche Vorläufigkeit nach § 165 AO in Änderungsbescheiden weiterhin gilt, hat den BFH und die Finanzgerichte in den vergangenen 20 Jahren schon mehrfach beschäftigt. Da es hierzu bereits seit dem Jahr 1999 BFH-Rechtsprechung gibt, könnte anzunehmen sein, jede Rechtsunsicherheit zu diesem Thema sei ausgeräumt. Dass sich der BFH aktuell wieder damit beschäftigen musste, zeigt jedoch, dass dem nicht so ist. Im aktuellen Revisionsverfahren hat der (BStBl 2020 II S. 702) – zugunsten der Steuerpflichtigen – entschieden, dass der ursprüngliche Umfang der Vorläufigkeit auch ohne ausdrückliche Aufhebung nicht mehr bestehen bleibt, wenn in einem Änderungsbescheid ein Vorläufigkeitsvermerk an die Stelle des bereits im Vorgängerbescheid enthaltenen Vorläufigkeitsvermerks tritt und damit den Umfang der Vorläufigkeit neu bestimmt. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über die aktuelle Entwicklung der Rechtsprechung und macht deutlich, dass stets genauestens geprüft werden sollte, ob § 165 AO als Änderungsvorschrift in betroffenen Fällen einschlägig ist.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

S. 558

I. Hintergrund

[i]Vorläufigkeitsvermerke in Änderungsbescheiden sind streitanfälligEine vorläufige Steuerfestsetzung kann – durch ausdrückliche Erklärung – jederzeit für endgültig erklärt werden. Die Vorläufigkeit des Steuerbescheids bleibt bis dahin bestehen. Ein Vorläufigkeitsvermerk bleibt auch dann wirksam, wenn er in einem nachfolgenden, auf eine andere Änderungsvorschrift gestützten Änderungsbescheid nicht ausdrücklich wiederholt wird (, BStBl 1989 II S. 9). Strittig ist immer wieder, inwieweit der ursprüngliche Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich seines Umfangs weiterhin gilt, wenn in einem Änderungsbescheid der Grund und Umfang nicht wiederholt werden und der Bescheid den Vorläufigkeitsvermerk im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift oder eines anhängigen BFH-Verfahrens enthält.

Die Vorläufigkeit gilt zwar mangels ausdrücklicher Aufhebung weiter, die entscheidende Frage ist jedoch, in welchem Umfang. Weiterhin ist fraglich, inwieweit der Tenor des Bescheids („Der Bescheid ergeht vorläufig nach § 165 Abs. 1 ...“) und die Erläuterungen zur Festsetzung richtig und übereinstimmend abgefasst werden müssen, ohne dass der Vorläufigkeitsvermerk in seinem Umfang eingeschränkt ist.

II. Vorläufigkeit nach § 165 AO

[i]Zweifel auf SachverhaltsebeneSoweit ungewiss ist, ob und inwieweit der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungsfähigkeit knüpft, kann die Steuerfestsetzung vorläufig erfolgen. Die Zweifel müssen jedoch stets auf der Sachverhaltsebene bestehen. Zweifel bei der Auslegung der Steuergesetze rechtfertigen keine vorläufige Steuerfestsetzung (vgl. AEAO zu § 165, Nr. 1).

1. Angabe von Grund und Umfang der Vorläufigkeit

[i]Grund und Umfang der Vorläufigkeit zwingend§ 165 Abs. 1 Satz 3 AO verlangt in formeller Hinsicht, dass Umfang und Grund der Vorläufigkeit anzugeben sind. Diese Angaben dienen dem Rechtsschutzinteresse. Der Steuerpflichtige soll wissen, welche Umstände der endgültigen Festsetzung entgegenstehen und hinsichtlich welcher als ungewiss betrachteter Tatsachen sich das Finanzamt eine weitere Überprüfung vorbehält. Diese Angaben können sich ggf. aus der Begründung des Bescheids oder sonstigen Umständen ergeben, müssen aber ausreichend bestimmt sein. Entscheidend ist, wie der Adressat den Vorläufigkeitsvermerk nach den ihm bekannten Umständen verstehen musste. Eine fehlende Begründung führt lediglich zur Rechtswidrigkeit des Vorläufigkeitsvermerks bzw. zur Anwendung des § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO; die Begründung kann nachgeholt werden. Zum Grund der Vorläufigkeit ist mitzuteilen, welche Umstände einer endgültigen Veranlagung entgegenstehen. Ein Vorläufigkeitsvermerk, der keine Angaben über den Umfang der Vorläufigkeit enthält und bei dem dieser auch sonst nicht erkennbar ist, ist unwirksam, selbst wenn Gegenstand des Bescheids nur eine Einkunftsart ist (, BStBl 2008 II S. 2 ).

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