Einkommensteuer | Beiträge an einen nicht der Versicherungsaufsicht unterliegenden Solidarverein (BFH)
Beiträge an einen nicht der Versicherungsaufsicht unterliegenden Solidarverein, der Leistungen in Krankheitsfällen gewährt, können - unbeschadet weiterer Voraussetzungen - nur dann als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn auf die Leistungen des Vereins ein Rechtsanspruch besteht. Eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG i. V. mit § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V kann auf der Grundlage sowohl deutschen als auch ausländischen Rechts bestehen (Anschluss an , Rz 14) (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Voraussetzung für den Abzug von Vorsorgeaufwendungen ist neben der Zahlung entsprechender Beiträge u.a., dass sie an bestimmte Versorgungsträger geleistet werden (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG).
Sachverhalt: Streitig ist, ob eine (inländische) aufsichtsfreie Unterstützungseinrichtung, die weder ein Versicherungsunternehmen ist noch der die für den Betrieb von Versicherungsgeschäften erforderliche Erlaubnis von der zuständigen Aufsichtsbehörde erteilt worden ist und die einen uneingeschränkten Leistungsanspruch ihrer Mitglieder nicht gewährleistet, ein begünstigter Versorgungsträger i. S. des § 10 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG ist, so dass an sie gezahlte Beiträge als Sonderausgaben (Vorsorgeaufwendungen) abzugsfähig sind.
Die Klägerin wurde in den Streitjahren gemeinsam mit ihrem nicht am gerichtlichen Verfahren beteiligten Ehemann zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Sie ist freiberuflich tätig und zahlt für ihre Absicherung im Krankheits- und Pflegefall Beiträge an einen eingetragenen Verein (V).
Die Klägerin machte die an V gezahlten Beiträge als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a und b EStG geltend. Das FA versagte den Abzug. Die hiergegen nach erfolglosen Einsprüchen erhobene Klage blieb ohne Erfolg ().
Der BFH hat die Revision als begründet angesehen, das FG-Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen:
Das FG hat zwar zu Recht die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 1 EStG auf V ausgeschlossen. Selbst wenn V als "Versicherungsunternehmen" anzusehen sein sollte, würde ein Sonderausgabenabzug voraussetzen, dass dieses Unternehmen das Versicherungsgeschäft im Inland betreiben darf (Doppelbuchst. aa) oder ihm die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland erteilt ist (Doppelbuchst. bb). Gem. § 8 Abs. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes bedürfen Versicherungsunternehmen zum Geschäftsbetrieb der Erlaubnis der Aufsichtsbehörde. Da V nach den - insoweit im Revisionsverfahren nicht angegriffenen - Feststellungen des FG weder eine solche Erlaubnis erteilt war noch die Voraussetzungen etwaiger Ausnahmetatbestände von der Erlaubnispflicht erfüllt waren, durfte V das Versicherungsgeschäft im Inland nicht betreiben.
Die in Bezug auf Buchst. a Satz 2 dieser Regelung vom FG gegebene Begründung, der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG beschränke sich auf Einrichtungen mit Sitz außerhalb des EU /EWR-Raums, ist aber rechtsfehlerhaft. Nach der genannten Regelung werden Krankenversicherungsbeiträge über Satz 1 hinaus nur berücksichtigt, wenn es sich um Beiträge an eine Einrichtung handelt, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V oder eine der Beihilfe oder freien Heilfürsorge vergleichbare Absicherung i. S. des § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) gewährt.
Aus dem Wortlaut dieser Regelung folgt - anders als das FG meint - kein Ausschluss solcher Einrichtungen, die ihren Sitz im EU /EWR-Raum haben. Im Gegenteil lässt die Bezugnahme gerade auf Normen des deutschen Sozialversicherungs- bzw. Privatversicherungsrechts erkennen, dass auch deutsche Einrichtungen erfasst sind.
Im zweiten Rechtsgang wird es daher auf die Frage ankommen, ob es sich bei V um eine Einrichtung handelt, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall i .S. des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gewährt und ob auf die Leistungen des V ein Anspruch besteht. Hierzu hat das FG keine revisionsrechtlich bindenden Feststellungen getroffen, was im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein wird.
Anmerkung von Honorarprofessor Dr. Gregor Nöcker, Richter im X. Senat des BFH:
Neben Versicherungsunternehmen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 1 EStG) können andere Versorgungsträger Kranken- und Pflegeversicherungsschutz gewähren. Im Fall der Klägerin hat das Finanzgericht erneut zu prüfen, ob ihre diesbezügliche Absicherung über einen eingetragenen Verein den Sonderausgabenabzug der geleisteten Beiträge möglich macht, obwohl die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht im Jahr 2016 ein Verfahren zur Einstellung des Geschäftsbetriebs dieses Vereins eingeleitet hat.
Anders als vom FG angenommen besteht nämlich die Möglichkeit, dass eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG i. V. mit § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V auch nach deutschem Recht besteht und entsprechende Einrichtungen im Inland ihren Sitz haben. Grundvoraussetzung bleibt jedoch, dass ein Rechtsanspruch auf Leistungen in Krankenfällen besteht und die Ansprüche denen von Versicherten der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung vergleichbar sind. Eine Leistung nur im Rahmen von vorhanden Mitteln wäre schädlich. Ob dies im Fall des eingetragenen Vereins in den Streitjahren 2015 und 2016 gegeben war, muss das FG ermitteln und würdigen. Ggf. sind die auf den Erwerb eines Schutzes im Pflegefall gerichteten Beitragsanteile herauszurechnen, da der eingetragene Verein bislang unstreitig nicht als Träger der gesetzlichen Pflegeversicherung angesehen worden ist.
Quelle: ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
IAAAH-71746