Einkommensteuer | "Rentenbeginn" i.S. des § 22 EStG (FG)
"Rentenbeginn" i.S. des § 22 EStG ist auch dann das Jahr der tatsächlichen Bewilligung, wenn der bereits früher bestehende Rentenanspruch satzungsgemäß auf Antrag des Rentenberechtigten hinausgeschoben wird (; Revision anhängig, BFH-Az. X R 29/20).
Sachverhalt: Der Kläger im Entscheidungsfall ist selbständiger Rechtsanwalt, der aufgrund seiner Beiträge zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte einen Rentenanspruch erworben hatte. Nach der Satzung des Versorgungswerks bestand dieser Anspruch mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Allerdings konnte die Rentenzahlung auf Antrag des Berechtigten bis zu drei Jahre hinausgeschoben werden, mit der Folge einer Erhöhung der Rente. Hiervon hatte der Kläger jeweils dreimal für die Dauer eines Jahres Gebrauch gemacht. Das Finanzamt legte bei der Besteuerung der Rente als „Jahr des Rentenbeginns“ im Sinne der Tabelle des § 22 EStG das Alter des Klägers bei tatsächlicher erstmaliger Zahlung zugrunde.
Dem Begehren des Klägers, als „Jahr des Rentenbeginns“ das in der Satzung grundsätzlich als Rentenbeginn festgelegte Jahr der Vollendung des 65. Lebensjahres anzusetzen, folgte das FG nicht:
Nach § 22 Nr. 1 Satz 3 a) aa) EStG gehören zu den sonstigen Einkünften auch Leibrenten, die unter anderem aus den berufsständischen Versorgungseinrichtungen erbracht werden, soweit sie jeweils der Besteuerung unterliegen. Bemessungsgrundlage für den der Besteuerung unterliegenden Anteil ist nach § 22 Nr. 1 Satz 3 a) aa) Satz 2 der Jahresbetrag der Rente. Nach Satz 3 ist der Besteuerung unterliegende Anteil nach dem Jahr des Rentenbeginns und dem in diesem Jahr maßgebenden Prozentsatz aus der nachstehenden Tabelle zu entnehmen. Aus dieser Tabelle ergibt sich bei einem "Jahr des Rentenbeginns 2009 ein Besteuerungsanteil in Höhe von 58 %, bei einem "Jahr des Rentenbeginns" 2012 demgegenüber ein Besteuerungsanteil in Höhe von 64 %.
Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem der Besteuerung unterliegenden Anteil der Rente ist der steuerfreie Teil der Rente. Dieser gilt schließlich nach Satz 5 ab dem Jahr, das dem Jahr des Rentenbeginns folgt, für die gesamte Laufzeit des Rentenbezugs.
Die Auslegung des Begriffes "Jahr des Rentenbeginns" ergibt, dass im Streitfall maßgebend das Jahr der ersten tatsächlichen Rentenzahlung, also 2012, ist. Schon der Wortlaut spricht eher für ein Abstellen auf ein tatsächliches Ereignis als auf einen möglichen Rechtsanspruch. Denn nach dem Duden ist die Bedeutung des Wortes "Beginn" als Augenblick, in dem etwas einsetzt, definiert. Dies spricht für einen eher tatsächlichen Umstand. Aus den Gesetzesmaterialien lässt sich für die Auslegung nichts herleiten (BT-Drucks. 15/2150, S. 40 ff.), da keine weiteren Ausführungen zu dieser Frage gemacht werden.
Entscheidend ist das Ergebnis der Auslegung nach Sinn und Zweck der Regelung. Das EStG steht unter dem verfassungsrechtlichen Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit. Die finanzielle Leistungsfähigkeit wird bei einer Rentenzahlung aber erst bei einer tatsächlichen Zahlung erhöht und nicht bei einem bestehenden Rechtsanspruch, auf den zunächst verzichtet wird (so ähnlich auch , BStBl 1981 II S. 155).
Im Übrigen hätte die Rechtsansicht der Kläger zur Folge, dass die tatsächlich ab 2012 einheitlich gezahlte Rente des Klägers für die Besteuerung in vier Einzelrenten zerlegt werden müsste: für den Hauptteil der Rente, auf den seit 2009 Anspruch bestanden hat, sowie die jeweiligen Erhöhungsbeträge der folgenden drei Jahre. Hier müsste jeweils ein eigenständiger Steuerfreibetrag ermittelt werden. Dies würde dem auch in gewissem Umfang pauschalierenden Zweck des § 22 EStG widersprechen.
Die Revision gegen das Urteil ist beim BFH unter dem Az. X R 29/20 anhängig.
Quelle: FG Schleswig-Holstein, Newsletter V/2020 - I/2021, ; NWB Datenbank (JT)
Fundstelle(n):
NWB SAAAH-70078