Versicherungsteuer; Steuerbefreiung von Personenversicherungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 5 VersStG
Bezug: BStBl 2013 II S. 596
Für Versicherungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 5 in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Versicherungsteuerrechts und zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 3. Dezember 2020 (BGBl 2020 I S. 2659) gilt Folgendes:
A. Gesetzliche Regelungen (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. Abs. 2 VersStG, § 12 Abs. 3 VersStG, § 1 Abs. 6 VersStDV) – Grundsatz
1 Personenversicherungen, durch die im Fall der Krankheit, der Pflegebedürftigkeit, der Berufs- oder der Erwerbsunfähigkeit oder der verminderten Erwerbsfähigkeit Ansprüche auf Kapital-, Renten- oder sonstige Leistungen begründet werden, sind von der Steuer befreit, sofern diese Ansprüche der Versorgung der natürlichen Person, bei der sich das versicherte Risiko realisiert (Risikoperson), oder der Versorgung von deren nahen Angehörigen im Sinne des § 7 des Pflegezeitgesetzes (PflegeZG) oder von deren Angehörigen im Sinne des § 15 der Abgabenordnung (AO) dienen.
2 Demgegenüber sind Versicherungen, durch die Ansprüche auf Kapital-, Renten- oder sonstige Leistungen im Fall des Todes, des Erlebens oder des Alters begründet werden, unabhängig davon, wem die Versicherungsleistung zustehen soll, nach wie vor generell versicherungsteuerfrei (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a VersStG).
B. Anwendungsfragen im Hinblick auf die Neuregelung gegliedert nach Themenbereichen
I. Anwendungszeitpunkt und Definition von „Vertragsschluss“ (§ 12 Abs. 3 VersStG)
1. Stichtag
3 § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b VersStG findet Anwendung auf Versicherungsverträge, die nach dem geschlossen werden.
Auf Versicherungsverträge, die vor dem geschlossen worden sind, ist § 4 Nr. 5 VersStG in der Fassung des Artikels 1 Nr. 4 des Gesetzes vom (BGBl 2012 I S. 2431) anzuwenden.
2. „Vertragsschluss“
4 Als Vertragsschluss i. S. d. § 12 Abs. 3 VersStG gilt jede erstmalige Absicherung eines bestimmten Risikos der Risikoperson durch den Versicherer.
5 Bei Gruppenversicherungsverträgen gilt im Hinblick auf die Risikoperson als Datum des Vertragsschlusses der Tag, an dem die Risikoperson in den Gruppenversicherungsvertrag aufgenommen worden ist.
6 Maßgebend ist der zivilrechtliche Vertragsschluss, d.h. der Zeitpunkt des Zustandekommens der Vereinbarung durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen.
Arbeitgeber A betreibt ein Unternehmen zum Bau von Spezialmaschinen. Er beschäftigt vier Spezialkräfte, für die er am einen Gruppenversicherungsvertrag abgeschlossen hat, mit dem das Risiko der Berufsunfähigkeit der vier Schlüsselkräfte als Gruppenmitglieder abgesichert wird. Den Gruppenmitgliedern (Risikopersonen) wurde kein Bezugsrecht auf die Versicherungsleistung eingeräumt. Vielmehr soll mit der Versicherung der wirtschaftliche Schaden des A ausgeglichen werden, der durch die Berufsunfähigkeit einer Schlüsselkraft entsteht, einschließlich etwaiger Kosten für die Nachbesetzung des Schlüsselkraftpostens. Nach dem in § 12 Abs. 3 VersStG geregelten Stichtag stellt A eine fünfte Spezialkraft ein und vereinbart mit dem Versicherer die Aufnahme dieser Person als weiteres Mitglied in den Gruppenversicherungsvertrag.
Ergebnis: Der Anteil des Versicherungsentgelts, der auf die vier bisherigen Risikopersonen entfällt, ist weiterhin von der Steuer befreit, weil die Zahlung des Versicherungsentgelts insoweit auf einem vor dem Stichtag geschlossenen Vertrag beruht, auf den § 4 Nr. 5 VersStG a. F. Anwendung findet.
Die Aufnahme der fünften Spezialkraft in den Gruppenversicherungsvertrag stellt hingegen einen (neuen) Vertragsschluss im Sinne des § 12 Abs. 3 VersStG dar, auf den § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b VersStG anzuwenden ist. Da die Voraussetzungen der Steuerbefreiungsnorm nicht erfüllt sind, weil der Risikoperson die Versicherungsleistung weder unmittelbar noch mittelbar zu Gute kommen soll, ist der Anteil des Versicherungsentgelts, der auf das neue Gruppenmitglied entfällt, steuerpflichtig. Da der Gruppenversicherungsvertrag im Hinblick auf das fünfte Gruppenmitglied versicherungsteuerpflichtig ist, hat A als Versicherungsnehmer dem Versicherer diesen versicherungsteuerrechtlich relevanten Umstand mitzuteilen (§ 4 Nr. 1 VersStDV). Der Versicherer kann beim Versicherungsnehmer die nachzuentrichtende Versicherungsteuer einfordern bzw. im Versicherungsfall die Leistung entsprechend kürzen (§ 9 Abs. 7 VersStG). Siehe zu dieser Thematik auch die Ausführungen unter Punkt III.
3. Änderung eines vor dem Stichtag geschlossenen Vertrages
8 Änderungen eines Versicherungsvertrages können sich auf unterschiedliche Vertragselemente beziehen:
Ein Austausch des versicherten Risikos oder die Erstreckung eines vor dem Stichtag geschlossenen Versicherungsvertrages auf weitere Risiken sind als neuer Vertragsschluss im Sinne des § 12 Abs. 3 VersStG anzusehen.
Demgegenüber liegt kein neuer Vertragsschluss vor, wenn die Änderung eines vor dem Stichtag geschlossenen Versicherungsvertrages nicht das versicherte Risiko betrifft, wie z. B. Prämienerhöhungen oder Leistungserweiterungen des Versicherers, Änderungen der allgemeinen Versicherungsbedingungen oder die Übernahme des Versicherungsvertrages durch einen anderen Versicherer. Das Gleiche gilt bei Übernahme des hinsichtlich der versicherten Risikoperson und der versicherten Risiken unveränderten Versicherungsvertrages durch einen anderen Versicherungsnehmer.
Versicherungsnehmer V versichert seine Freundin im Jahr 2020 gegen das Risiko der Berufsunfähigkeit. Im Jahr 2023 wird der bestehende Versicherungsvertrag auf das Risiko der Erwerbsunfähigkeit erweitert.
Ergebnis: Die Steuerbefreiung des Anteils des Versicherungsentgelts, der auf das zusätzliche Risiko der Erwerbsunfähigkeit entfällt, beurteilt sich nach dem neuen § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b VersStG, während der Anteil des Versicherungsentgelts, der auf das Risiko der Berufsunfähigkeit entfällt, nach § 4 Nr. 5 VersStG a. F. in jedem Fall steuerbefreit bleibt, weil es sich insofern um einen „Altvertrag“ handelt.
Wie Beispiel 1, wobei der Versicherer die Vertragsänderung zum Anlass nimmt, das Versicherungsentgelt für die bereits bestehende Berufsunfähigkeitsversicherung zu erhöhen.
Ergebnis: Wie Beispiel 1. Die Prämienerhöhung für die Berufsunfähigkeitsversicherung stellt keinen (neuen) Vertragsschluss im Sinne des § 12 Abs. 3 VersStG dar und hat auf die bestehende Steuerbefreiung nach altem Recht keinen Einfluss.
4. Kombination steuerbefreiter (Alt-)Vertrag - steuerpflichtige Zusatzabrede
11 Wird ein steuerbefreiter (Alt-)Vertrag um eine nicht steuerbefreite Abrede erweitert, bleibt der ergänzte Vertrag in Anlehnung an die BFH-Rechtsprechung zu Versicherungspaketen (, BStBl 2013 II S. 596) nur dann insgesamt weiterhin versicherungsteuerfrei, wenn das Versicherungsentgelt für den für sich genommen steuerfreien Teil im Rahmen der Vertragserweiterung gesondert ausgewiesen wird.
Ein Arbeitgeber hat im Jahr 2019 für seinen wichtigsten Angestellten, der über Spezialkenntnisse hinsichtlich des Gegenstandes des Unternehmens verfügt, eine Lebensversicherung abgeschlossen. Im Versicherungsfall steht die Versicherungsleistung dem Arbeitgeber zu. Sie dient der Abdeckung des Vermögensschadens des Arbeitgebers, der durch den Tod des Angestellten entsteht. Im August 2022 wird der Versicherungsvertrag auf das Risiko der Erwerbsunfähigkeit des Angestellten erweitert, um auch einen hierdurch eintretenden Vermögensschaden des Arbeitgebers abzudecken. Die Versicherungsprämie wird entsprechend erhöht. Variante 1: Im Vertrag wird nur eine Gesamtprämie für den erweiterten Vertrag ausgewiesen. Variante 2: Im Vertrag wird neben einer Gesamtprämie auch die Prämie für die Lebensversicherung gesondert ausgewiesen.
Ergebnis: Die Lebensversicherung ist nach altem wie nach neuem Recht grundsätzlich von der Steuer befreit. Nach der Vertragserweiterung um eine steuerpflichtige Komponente (Risiko der Berufsunfähigkeit) hängt das Fortbestehen der Steuerbefreiung des Versicherungsentgelts für die Lebensversicherung davon ab, ob die diesbezügliche Prämie im Versicherungsvertrag gesondert ausgewiesen ist.
Zu Variante 1: Die Gesamtprämie ist steuerpflichtig.
Zu Variante 2: Die für die Lebensversicherung ausgewiesene Prämie bleibt steuerfrei. Nur die Prämie für die hinzugetretene Berufsunfähigkeitsversicherung unterliegt der Steuer.
Arbeitgeber A versichert seinen Angestellten R im Februar 2022 gegen Krankheit und bestimmt R zum Empfangsberechtigten der Versicherungsleistung. Im Oktober 2022 erweitert A den Vertrag um ein Krankentagegeld, das seinen Vermögensschaden infolge der krankheitsbedingten Abwesenheit des R abdecken soll.
Variante 1: Im Vertrag wird nur eine Gesamtprämie für den erweiterten Vertrag ausgewiesen.
Variante 2: Im Vertrag wird neben einer Gesamtprämie auch die Prämie für die Krankenversicherung gesondert ausgewiesen.
Ergebnis: Die Krankenversicherung ist grundsätzlich nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b VersStG i. V. m. § 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VersStDV von der Steuer befreit, weil sie der Versorgung der Risikoperson R dient. Demgegenüber ist die Krankentagegeldversicherung steuerpflichtig.
Zu Variante 1: Die Gesamtprämie ist steuerpflichtig.
Zu Variante 2: Die für die Krankenversicherung ausgewiesene Prämie bleibt steuerfrei. Nur die Prämie für die hinzugetretene Krankentagegeldversicherung unterliegt der Steuer.
II. Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals „der Versorgung dienen“ (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b VersStG)
14 Die Versicherung dient der Versorgung, wenn im Versicherungsfall die Versicherungsleistung der Risikoperson unmittelbar oder mittelbar zu Gute kommt.
Die Fälle, in denen im Versicherungsfall die Versicherungsleistung der Risikoperson unmittelbar oder mittelbar zu Gute kommt, werden in den Nummern 1 bis 6 des § 1 Abs. 6 Satz 2 der VersStDV konkretisiert.
1. Versicherung der eigenen Person
15 a) Ist der Versicherungsnehmer eine natürliche Person und versichert sich selbst, besteht Identität zwischen Versicherungsnehmer und Risikoperson. Der Risikoperson stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag, insbesondere der Anspruch auf die Versicherungsleistung im Versicherungsfall zu. Eine solche Personenversicherung ist versicherungsteuerfrei und dürfte in der Praxis der Regelfall sein.
Der Berufssportler S schließt für sich eine Sportinvaliditätsversicherung ab.
Ergebnis: Die Sportinvaliditätsversicherung ist von der Versicherungsteuer befreit. S ist selbst Risikoperson und die Versicherungsleistung kommt ihm im Versicherungsfall unmittelbar zu Gute.
17 b) Keine Versicherung der eigenen Person liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer eine Gesellschaft mit eigener (Teil-)Rechtsfähigkeit ist (z. B. Personengesellschaften) und die Gesellschafter als Risikopersonen versichert werden. Gleiches gilt für eine Versicherung, die z. B. von einer Ein-Mann-GmbH für den Gesellschafter abgeschlossen wird. In diesen Fällen sind Versicherungsnehmer und Risikopersonen nicht identisch. Eine Steuerbefreiung kommt aber dann in Betracht, wenn der/den Risikoperson/en ein eigener Anspruch gegenüber dem Versicherer oder ein Bezugsrecht auf die Versicherungsleistung eingeräumt wird (siehe dazu Rz. 19 ff.) oder wenn vertraglich vereinbart wird, dass der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung im Versicherungsfall nur für die betroffene Risikoperson beanspruchen kann (siehe dazu Rz. 43 ff.).
2. Versicherung einer anderen Person
18 Schließt der Versicherungsnehmer eine Personenversicherung für den Fall ab, dass sich das versicherte Risiko bei einer anderen Person realisiert, ist diese andere Person die Risikoperson. Die Versicherung dient in folgenden Konstellationen der Versorgung dieser Risikoperson:
a. Unbedingter Anspruch oder Bezugsrecht der Risikoperson
19 Hat die Risikoperson einen unbedingten Anspruch oder ein Bezugsrecht, kommt ihr im Versicherungsfall die Versicherungsleistung unmittelbar zu Gute und die Zahlung des Versicherungsentgelts ist von der Steuer befreit. Risikoperson kann jeder Dritte sein.
aa) Unbedingter Anspruch
20 Der Anspruch muss unbedingt sein, weil bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrags feststehen muss, ob die Risikoperson im Versicherungsfall die Versicherungsleistung beanspruchen kann. Dies wäre nicht möglich, würde der Anspruch vom Eintritt zukünftiger Bedingungen abhängig gemacht.
Im Versicherungsvertrag wird der Risikoperson ein Anspruch auf die Versicherungsleistung unter der Bedingung eingeräumt, dass sie ihr Studium innerhalb der nächsten zwei Jahre erfolgreich abschließt.
Ergebnis: Die Voraussetzung eines unbedingten Anspruchs der Risikoperson ist nicht erfüllt. Ist die Bedingung allerdings eingetreten, d. h. erfolgt im Beispielsfall der Abschluss des Studiums innerhalb der vorgegebenen Zeit, und besteht der Versicherungsvertrag fort, so ist die Zahlung des Versicherungsentgelts nach Eintritt der Bedingung versicherungsteuerfrei.
bb) Bezugsrecht
22 Unter Bezugsrecht ist das Recht zu verstehen, die Erbringung der Versicherungsleistung an die eigene Person zu verlangen. Hierunter fällt auch die in § 194 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelte Empfangsberechtigung.
Der Bundesligaverein schließt als Versicherungsnehmer für seinen Profifußballspieler S (Risikoperson) eine Sportinvaliditätsversicherung ab und räumt dem S das Bezugsrecht ein.
Ergebnis: Die Sportinvaliditätsversicherung ist von der Versicherungsteuer befreit.
Dem S wird im obigen Beispiel kein Bezugsrecht eingeräumt, vielmehr soll die Versicherung dazu dienen, mit der Versicherungsleistung den eigenen Vermögensschaden des Vereins als Versicherungsnehmer aufgrund des Verlusts des Marktwertes des S abzudecken.
Ergebnis: Die Sportinvaliditätsversicherung ist nicht von der Versicherungsteuer befreit.
b. Dem Anspruch oder Bezugsrecht der Risikoperson gleichgestellte Fälle
aa) Gesetzlicher Vertreter der Risikoperson
25 Die Voraussetzungen für eine steuerbefreite Versicherung sind auch dann erfüllt, wenn der Anspruch bzw. das Bezugsrecht z. B. von einem gesetzlichen Vertreter, etwa von den Eltern, einem Vormund oder einem bestellten Betreuer der Risikoperson geltend zu machen ist.
A versichert den unter Vormundschaft des V stehenden minderjährigen R (Risikoperson) gegen Krankheit und räumt dem R das Bezugsrecht ein. Im Versicherungsfall macht der Vormund V den Anspruch des R gegenüber dem Versicherungsunternehmen geltend.
Ergebnis: R hat als Risikoperson das Bezugsrecht, das in diesem Fall vom Vormund geltend zu machen ist, der die Versicherungsleistung zugunsten des Mündels zu verwenden hat.
27 Das Gleiche gilt, wenn die Versicherung für eine minderjährige oder unter Vormundschaft stehende oder betreute Person genommen wird, und das Bezugsrecht dem jeweiligen Vertreter der Risikoperson zusteht.
A versichert den unter Betreuung stehenden R (Risikoperson) gegen Krankheit und bestimmt den Betreuer B des R als diejenige Person, an die im Versicherungsfall die Versicherungsleistung ausgezahlt werden soll.
Ergebnis: Die Versicherung ist von der Versicherungsteuer befreit. Sie dient der Versorgung der Risikoperson, auch wenn die Versicherungsleistung nicht unmittelbar von der Risikoperson beansprucht werden kann, sondern von einer Person, die die Versicherungsleistung für die Risikoperson zu verwenden hat.
29 Die Verpflichtung zur Verwendung der Versicherungsleistung zugunsten der Risikoperson ergibt sich in diesen Fällen aus der Stellung als gesetzlicher Vertreter der Risikoperson. Endet diese Stellung, bleibt die Steuerfreiheit nur erhalten, wenn der Risikoperson ein Anspruch oder ein Bezugsrecht bezüglich der Versicherungsleistung eingeräumt wird oder diese einem anderen gesetzlichen Vertreter eingeräumt werden oder im Versicherungsvertrag geregelt ist, dass der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung nur für die Risikoperson beanspruchen kann.
Der Vormund A schließt eine Krankentagegeldversicherung für sein in Ausbildung befindliches Mündel (Risikoperson) ab. Dem Mündel steht kein unmittelbarer Anspruch oder Bezugsrecht hinsichtlich der Versicherungsleistung zu. Im Vertrag ist auch nicht gesondert geregelt, dass A die Versicherungsleistung nur für die Risikoperson beanspruchen kann. Ein Jahr später endet die Vormundschaft des A und wird ein neuer Vormund B für das Mündel bestellt. Der Anspruch aus der Versicherung wird versehentlich nicht auf B übertragen, sondern verbleibt bei A.
Ergebnis: Die Rechtslage ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen. A ist nicht mehr gesetzlicher Vertreter der Risikoperson. Ab diesem Zeitpunkt erlischt auch die Steuerfreiheit.
bb) Treuhänderische Verwaltung der Versicherungsleistung
31 Die Versicherung dient auch in Fällen der Versorgung der Risikoperson, in denen das Bezugsrecht weder der Risikoperson selbst noch einem Vertreter der Risikoperson (siehe oben Rz. 25 ff.) zusteht, sondern einer Person, die die Versicherungsleistung treuhänderisch für die Risikoperson verwaltet.
Ein gemeinnütziger Hilfsverein für Suchtkranke, der sich aus Spendengeldern finanziert, schließt für einen Suchtkranken (Risikoperson) eine Pflegezusatzversicherung ab, die im Versicherungsfall ein Pflegetagegeld zahlt. Aus Sorge um eine zweckwidrige Verwendung des vom Versicherer jeweils für 30 Tage gebündelt auszuzahlenden Tagesgeldes durch die Risikoperson wird im Vertrag vereinbart, dass die Versicherungsleistung an den Verein auszuzahlen ist und dieser das Tagegeld treuhänderisch zu verwalten, d. h. für die Risikoperson zu verwenden hat.
Ergebnis: Die Versicherung ist von der Versicherungsteuer befreit. Sie dient der Versorgung der Risikoperson, auch wenn die Versicherungsleistung nicht unmittelbar von der Risikoperson beansprucht werden kann, sondern von einer Person, die die Versicherungsleistung treuhänderisch für die Risikoperson verwaltet.
c. Der Versicherungsnehmer kann die Versicherungsleistung für einen (nahen) Angehörigen (§ 7 Pflegezeitgesetz, § 15 AO - Risikoperson) beanspruchen
33 Diese Fallkonstellation erfasst die Mitversicherung eines (nahen) Angehörigen im Rahmen einer Versicherung, die der Versicherungsnehmer auch für die eigene Person nimmt (z. B. Familienversicherung), wobei der mitversicherten Person weder ein unbedingter Anspruch noch ein Bezugsrecht eingeräumt ist. Nur in diesen Fällen ist die Angehörigeneigenschaft der mitversicherten Risikoperson von Bedeutung; anderenfalls ergibt sich die Steuerbefreiung bereits aus der in § 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VersStDV beschriebenen Konstellation.
Die Alleinerziehende A schließt eine Krankenversicherung für sich und ihren minderjährigen Sohn und ihre volljährige studierende Tochter ab.
Variante 1: Die mitversicherten Kinder (Risikopersonen) erhalten weder einen eigenen unbedingten Anspruch noch ein Bezugsrecht.
Ergebnis: Die Mitversicherung der beiden Kinder ist von der Versicherungsteuer befreit (§ 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VersStDV).
Variante 2: Die Tochter wird dem Versicherer als Empfangsberechtigte i.S. des § 194 Abs. 3 VVG benannt.
Ergebnis: Die Versicherungsteuerbefreiung für den Anteil des Versicherungsentgelts, der auf die Mitversicherung der Tochter mit dem eigenen Bezugsrecht entfällt, ergibt sich bereits aus § 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VersStDV. Auf deren Angehörigenstatus kommt es nicht an. Die Mitversicherung des minderjährigen Sohnes ist auf Grund seines Angehörigenstatus‘ steuerbefreit.
Der Versicherungsnehmer schließt für seine Verlobte eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung ab.
Variante 1: ohne unbedingten Anspruch und ohne Bezugsrecht der Verlobten
Ergebnis: Die Versicherung ist auf Grund des Angehörigenstatus‘ der Risikoperson von der Steuer befreit (§ 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VersStDV). Eine Auflösung der Verlobung während der Vertragslaufzeit führt ab dem Zeitpunkt der Entlobung wegen Verlusts des Angehörigenstatus‘ zur Steuerpflicht.
Variante 2: mit Bezugsrecht der Verlobten
Ergebnis: Die Versicherung ist auf Grund des Bezugsrechts der Risikoperson von der Steuer befreit (§ 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VersStDV). Der Angehörigenstatus ist unbeachtlich. Auch im Fall der Entlobung bleibt die Steuerbefreiung bestehen.
A versichert ihren Ehegatten E gegen Berufsunfähigkeit. E erhält keinen unbedingten Anspruch und kein Bezugsrecht. Während der Vertragslaufzeit wird die Ehe geschieden.
Ergebnis: Die Versicherung bleibt steuerbefreit (§ 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VersStDV), da die Scheidung den Angehörigenstatus unberührt lässt (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 AO).
d. Der Versicherung liegt eine entsprechende gesetzliche oder vertragliche Verpflichtung des Versicherungsnehmers gegenüber der Risikoperson zugrunde
aa) Allgemeines
37 Versicherungen, die der Versicherungsnehmer abschließt, um sich die finanziellen Mittel zu beschaffen, mit denen er bei Eintritt des Versicherungsfalls gesetzliche oder vertragliche Verpflichtungen gegenüber der Risikoperson erfüllen will, dienen der Versorgung der Risikoperson. Die an den Versicherungsnehmer bewirkte Versicherungsleistung kommt der Risikoperson in diesen Fällen mittelbar zu Gute, weil sie den Versicherungsnehmer in die Lage versetzt, seiner Verpflichtung gegenüber der Risikoperson nachzukommen.
Die Kommune K ist gesetzlich verpflichtet, ihren Beamten im Krankheitsfall Beihilfeleistungen zu gewähren. Sie schließt eine Beihilfeablöseversicherung ab, um sich die Finanzmittel zu besorgen, mit denen sie ihre gesetzliche Verpflichtung erfüllen kann.
Ergebnis: Erhalten die Beamten einen unbedingten Anspruch oder werden sie gegenüber dem Versicherer als Empfangsberechtigte im Sinne des § 194 Abs. 3 VVG benannt, ist die Versicherung bereits gemäß § 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VersStDV von der Steuer befreit, da ihnen die Versicherungsleistung unmittelbar zu Gute kommt.
Kann nur die Kommune als Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung beanspruchen, ist die Versicherung gemäß § 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 VersStDV von der Steuer befreit, da ihr eine gesetzliche Verpflichtung zu Leistungen gegenüber der Risikoperson zugrunde liegt.
Arbeitgeber A verpflichtet sich in einem Haustarifvertrag gegenüber seinen Arbeitnehmern zu Leistungen im Krankheitsfall. Um diese Verpflichtung erfüllen zu können, schließt er eine entsprechende Gruppenversicherung ab (sog. Rückdeckungsversicherung).
Ergebnis: Erhalten die Risikopersonen keinen unbedingten Anspruch und werden auch nicht gegenüber dem Versicherer als Empfangsberechtigte im Sinne des § 194 VVG benannt, kommt ihnen die Versicherungsleistung jedenfalls mittelbar zu Gute, weil der Versicherung eine vertragliche Verpflichtung des Versicherungsnehmers zugrunde liegt. Die Versicherung ist von der Steuer befreit (§ 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 VersStDV).
Arbeitgeber A versichert seine Arbeitnehmer auf Grund einer vertraglichen Zusage gegen das Risiko der Berufsunfähigkeit
Variante 1: mittels Direktversicherung,
Variante 2: bei einer Unterstützungskasse.
Ergebnis: In beiden Fällen beruht die Versicherung auf einer vertraglichen Verpflichtung des Versicherungsnehmers gegenüber den Risikopersonen und ist aus diesem Grund von der Steuer befreit.
In Variante 2 kommt hinzu, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den Arbeitnehmern in Fällen, in denen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Leistungen einer Unterstützungskasse zugesagt hat, den Arbeitnehmern auch ein unmittelbarer Anspruch gegen die Unterstützungskasse zusteht. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der Ausschluss des Rechtsanspruchs lediglich als ein an sachliche Gründe gebundenes Widerrufsrecht zu verstehen sei ( unter Verweis auf und v. 16.2. 2010 - 3 AZR 216/09, BAGE 133, 158). Damit kann im Falle einer Versicherung bei einer Unterstützungskasse zudem von einer eigenen Bezugsberechtigung des Arbeitnehmers ausgegangen werden.
bb) Fortführung einer vom Arbeitgeber auf Grund vertraglicher Verpflichtung abgeschlossenen (Rückdeckungs-)Versicherung durch den Arbeitnehmer (Risikoperson) bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis oder bei Insolvenz des Arbeitgebers
41 Scheidet ein Arbeitnehmer aus einen Arbeitsverhältnis aus, auf dessen Grundlage der Arbeitgeber eine vertragliche Verpflichtung gegenüber seinen Arbeitnehmern eingegangen ist, diese z. B. gegen die Risiken „Leben“ (Tod, Erleben, Alter) sowie Berufsunfähigkeit zu versichern, so kann das Versicherungsverhältnis vom Arbeitnehmer grundsätzlich fortgesetzt werden, sofern dieses durch Entgeltumwandlungen finanziert worden ist und unverfallbare Anwartschaften entstanden sind (§ 1b Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Betriebsrentengesetzes - BetrAVG). Das Bezugsrecht des ausgeschiedenen Arbeitnehmers darf in einem solchen Fall vom Arbeitgeber nicht mehr widerrufen werden (§ 1b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG). Der ausgeschiedene Arbeitnehmer wird selbst Versicherungsnehmer, dem die Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsverhältnis zustehen. Die Steuerfreiheit für die ab Fortführung gezahlten Versicherungsentgelte ergibt sich hinsichtlich der auf das Risiko „Leben“ (Tod, Erleben, Alter) entfallenden Anteile aus § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a VersStG, hinsichtlich des auf das Risiko „Berufsunfähigkeit“ entfallenden Anteils aus § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b VersStG i. V. m. § 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VersStDV. Dies gilt ebenso bei einer durch den Arbeitgeber finanzierten Versicherung, wenn der ausgeschiedene Arbeitnehmer von seinem im Versicherungsvertrag eingeräumten Recht zur Fortsetzung der Versicherung mit eigenen Beiträgen im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BetrAVG Gebrauch macht (sog. versicherungsförmige Lösung).
42 Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers von seinem nach § 8 Abs. 2 BetrAVG bestehenden Recht Gebrauch macht, in die vom Arbeitgeber abgeschlossene Rückdeckungsversicherung als Versicherungsnehmer einzutreten und die Versicherung mit eigenen Beiträgen fortsetzt.
e. Der Versicherungsnehmer nimmt die Versicherung zur Deckung von Risiken einer Personengruppe und beansprucht die Versicherungsleistung nur für die Gruppenmitglieder
43 Gruppenversicherungen, bei denen die Gruppenmitglieder einen eigenen unbedingten Anspruch oder ein Bezugsrecht hinsichtlich der Versicherungsleistung erhalten, erfüllen bereits die unter II. 2. a. (Rz. 19 ff.) beschriebenen Voraussetzungen und sind aus diesem Grund von der Steuer befreit.
44 Darüber hinaus dienen Gruppenversicherungsverträge mittelbar der Versorgung der Risikoperson als Gruppenmitglied, wenn der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung für die Gruppenmitglieder beanspruchen kann.
Der Vorsitzende eines Kegelvereins schließt anlässlich einer einwöchigen Reise der Vereinsmitglieder eine Reisekrankenversicherung in Form eines Gruppenversicherungsvertrags ab. Im Vertrag ist vereinbart, dass im Versicherungsfall nur der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung gegenüber dem Versicherer beanspruchen kann und die weitere Abwicklung vereinsintern erfolgen soll.
Ergebnis: Die Versicherung ist von der Versicherungsteuer befreit (§ 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 4 VersStDV).
f. Die Versicherungsleistung besteht in einer vom Versicherer finanzierten Naturalleistung
47 § 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 VersStDV verdeutlicht, dass auch solche Versicherungen der Versorgung der Risikoperson dienen, die den Versicherer verpflichten, im Versicherungsfall eine von einem Dritten gegenüber der Risikoperson zu erbringende Naturalleistung zu finanzieren. Dabei kommt es nicht darauf an, von wem der Dritte die Bezahlung seiner Naturalleistung erhält:
- vom Versicherungsnehmer, der seinerseits Kostenerstattung vom Versicherer erhält oder
- vom Versicherer unmittelbar.
Frau A schließt einen Versicherungsvertrag ab, demzufolge der Versicherer im Falle der vorübergehenden Pflegebedürftigkeit der A verpflichtet ist, für die Dauer der Pflegebedürftigkeit die Kosten für eine Pflegekraft zu übernehmen.
g. Die Versicherungsleistung besteht in der Anleitung einer Person oder in der Finanzierung einer Anleitung einer Person zur Erbringung von Naturalleistungen gegenüber der Risikoperson
49 Die im Vertrag vereinbarte Versicherungsleistung kann auch in der Anleitung einer Person zur Erbringung von Naturalleistungen gegenüber der Risikoperson oder in der Finanzierung einer solchen Anleitung bestehen, beispielsweise im Rahmen einer Pflege(zusatz)versicherung. In einem solchen Fall kommt die Versicherungsleistung der Risikoperson zumindest mittelbar zu Gute. Die Ausführungen unter f. gelten entsprechend.
Wie im Beispielsfall zu f. (Rz. 48) mit dem Unterschied, dass ein Freund die Pflege der A übernehmen würde, jedoch zuvor einen kostenpflichtigen Kurs besuchen müsste, um entsprechende Fähigkeiten zu erwerben.
Ergebnis: Ist der Versicherer aus dem Versicherungsvertrag verpflichtet, die Kosten für den Kurs zu übernehmen, besteht Versicherungsteuerfreiheit des Vertrags gem. § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b i. V. m. § 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 6 VersStDV.
3. Sachverhalte, die den Versorgungszweck unberührt lassen
a. Organtransplantationen
51 Eine Versicherung dient auch dann der Versorgung der Risikoperson, wenn diese Empfänger einer Organspende werden soll und die Versicherung im Fall der Organtransplantation Leistungen an den Lebendorganspender erbringt.
b. Einsetzen der Versicherung als Sicherungsmittel
52 § 1 Abs. 6 Satz 3 VersStDV verdeutlicht, dass der für die Steuerfreiheit erforderliche Versorgungszweck der Versicherung unberührt bleibt, wenn die Rechte aus der Versicherung Gegenstand einer Sicherungsabtretung oder Verpfändung im Hinblick auf eine Verbindlichkeit der Risikoperson sind, oder wenn das Risiko der Krankheit, der Pflegebedürftigkeit, der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder der verminderten Erwerbsfähigkeit eines Kreditnehmers (der Risikoperson) zugunsten eines Kreditinstituts versichert wird.
In diesen Fällen kommt die Versicherungsleistung im Versicherungsfall der Risikoperson mittelbar zu Gute. Gelangt die Versicherungsleistung an den Sicherungsnehmer (Gläubiger der Risikoperson), erfährt die Risikoperson eine entsprechende Entlastung von einer Verbindlichkeit.
A schließt eine Baufinanzierung über 15 Jahre ab. Für den Fall, dass A während der Laufzeit des Kredits erwerbsunfähig wird, schließt er eine Restschuldversicherung ab, durch die der Versicherer verpflichtet ist, im Versicherungsfall die abgesicherten Kreditraten zu übernehmen.
Ergebnis: Eine derartige Versicherung ist gem. § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b i. V. m. § 1 Abs. 6 Satz 3 2. Fall VersStDV versicherungsteuerfrei.
Leasingnehmer R schließt eine Versicherung ab, die im Fall von Berufsunfähigkeit oder hierdurch bedingter Umschulung für eine gewisse Zeit die Leasingraten an den Gläubiger weiterzahlt.
Ergebnis: Auch hier erfährt die Risikoperson eine Befreiung von Verbindlichkeiten. Die Versicherung ist steuerfrei. § 1 Abs. 6 Satz 3 2. Fall VersStDV ist auf andere Gläubiger als Kreditinstitute entsprechend anzuwenden. Entscheidend ist nicht die formale Stellung des Gläubigers als Kreditinstitut, sondern die Befreiung der Risikoperson von einer Verbindlichkeit als ein der Versorgung dienender Zweck.
55 Wird hingegen eine andere Person als die Risikoperson von der Verbindlichkeit befreit, dient die Versicherung nicht der Versorgung der Risikoperson.
Die Ein-Mann-GmbH mit dem alleinigen Gesellschafter R schließt eine Versicherung gegen Erwerbsunfähigkeit des Gesellschafters R ab. Das Bezugsrecht steht einem Kreditinstitut zu, das der GmbH ein Darlehen gewährt hat.
Ergebnis: Im Versicherungsfall wird nicht R als Risikoperson, sondern die GmbH von einer Verbindlichkeit entlastet. Die Versicherung ist nicht von der Versicherungsteuer befreit.
III. Steuerrechtliche Behandlung durch den Versicherer
1. Anfängliche Beurteilung der Steuerfreiheit bzw. Steuerpflichtigkeit des Versicherungsvertrages
57 Die Beurteilung des Versicherers, ob der Versicherungsvertrag die Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt, ist im Zeitpunkt des Vertragsschlusses anhand der auf den Angaben des Versicherungsnehmers beruhenden Vereinbarungen vorzunehmen.
58 Ist der Versicherungsvertrag nach den unter B. II. dargestellten Kriterien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses als steuerbefreit zu beurteilen, ist der Versicherer nicht verpflichtet, laufend das Fortbestehen der die Steuerbefreiung begründenden Kriterien zu überprüfen. Vielmehr darf er, ohne insbesondere steuerstrafrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen, die bei Vertragsschluss vorgenommene Beurteilung solange seiner steuerrechtlichen Behandlung zu Grunde legen, bis er Kenntnis von Umständen erlangt, die zu einer abweichenden steuerrechtlichen Beurteilung führen.
59 Die Art und Weise der Kenntniserlangung ist dabei ohne Bedeutung. Kann der Versicherer eine erhaltene Information nicht eindeutig bewerten, kann er beispielsweise Informationen nach § 4 Satz 2 Nr. 1 VersStDV unmittelbar vom Versicherungsnehmer einholen.
1. Nachträgliche Beurteilung der Steuerfreiheit bzw. Steuerpflichtigkeit des Versicherungsvertrages
60 Ändern sich nach Vertragsschluss rechtserhebliche Umstände, die zu einer von der anfänglichen Beurteilung abweichenden versicherungsteuerrechtlichen Beurteilung führen, erfolgt die zutreffende steuerrechtliche Behandlung im Wege der Steuererstattung (§ 9 Abs. 2 VersStG) bzw. der Nachentrichtung der Steuer (§ 9 Abs. 5 VersStG).
a) Grundsätzliche Abwicklung über den Versicherer
61 Die Erstattung oder Nachentrichtung der Steuer erfolgt regelmäßig über den Versicherer.
62 Ist gezahltes Versicherungsentgelt nachzuversteuern, ist der Versicherer zum Zweck der Steuerentrichtung berechtigt, die Steuer beim Versicherungsnehmer nachträglich einzufordern oder im Leistungsfall die Versicherungsleistung entsprechend zu kürzen (§ 9 Abs. 7 VersStG).
63 Der Versicherer hat die Steuer in dem Anmeldungszeitraum anzumelden und zu entrichten, in dem der Nachzahlungsanspruch erfüllt worden ist. Dies gilt auch für sog. Sollversteuerer.
b) Ausnahme
64 Verweigert der Versicherungsnehmer rechtsgrundlos die Nachzahlung der Steuer an den Versicherer, kommt im Rahmen des Auswahlermessens eine unmittelbare Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers als Gesamtschuldner (§ 7 Abs. 8 VersStG) durch das Bundeszentralamt für Steuern in Betracht. Der Versicherer kann dies formlos beantragen und hat in diesem Fall dem Bundeszentralamt für Steuern die rechtsgrundlose Zahlungsverweigerung des Versicherungsnehmers durch Vorlage des Schriftverkehrs mit dem Versicherungsnehmer glaubhaft zu machen, die für die steuerrechtliche Beurteilung maßgebenden Umstände zu benennen sowie die für die Geltendmachung der nachzuentrichtenden Steuer erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen. Erfüllt der Antrag diese Voraussetzungen, ist ihm regelmäßig stattzugeben.
C. Prüffragen zur Beurteilung der Steuerfreiheit
I. Bestimmt sich die Steuerfreiheit der Versicherung nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a oder nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b VerstG?
§ 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a VersStG betrifft Versicherungen, durch die Ansprüche auf Kapital-, Renten- oder sonstige Leistungen im Fall des Todes, des Erlebens oder des Alters begründet werden.
Diese Versicherungen sind generell von der Steuer befreit.
§ 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b VersStG betrifft Versicherungen, durch die Ansprüche auf Kapital-, Renten- oder sonstige Leistungen im Fall der Krankheit, der Pflegebedürftigkeit, der Berufs- oder der Erwerbsunfähigkeit oder der verminderten Erwerbsfähigkeit begründet werden.
Diese Versicherungen sind unter der Voraussetzung von der Steuer befreit, dass die genannten Ansprüche der Versorgung der natürlichen Person, bei der sich das versicherte Risiko realisiert (Risikoperson), oder der Versorgung von deren nahen Angehörigen im Sinne des § 7 des Pflegezeitgesetzes oder von deren Angehörigen im Sinne des § 15 der Abgabenordnung dienen.
Dies und damit die Steuerfreiheit ist zu bejahen, wenn eine der unter II. oder III. dargestellten Voraussetzungen erfüllt sind:
II. Ist die Risikoperson Inhaber eines unbedingten Anspruchs oder eines Bezugsrechts?
Versicherungsentgeltzahlungen sind in diesem Fall von der Versicherungsteuer befreit. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Risikoperson um einen (nahen) Angehörigen des Versicherungsnehmers handelt. Die Steuerbefreiung beruht auf der Inhaberschaft von Rechten der Risikoperson gegenüber dem Versicherer; auf die Angehörigeneigenschaft kommt es insoweit nicht an. Die Steuerbefreiung bleibt daher auch dann erhalten, wenn sich während der Vertragslaufzeit die Umstände dahingehend ändern, dass die Risikopersonen ihren Status als (nahe) Angehörige verlieren.
Steht der Risikoperson weder ein unbedingter Anspruch noch ein Bezugsrecht zu, ist Ziff. III. zu prüfen.
III. Kommt die Versicherungsleistung im Versicherungsfall der Risikoperson mittelbar zu Gute?
Dies ist dann der Fall, wenn
der Anspruch oder das Bezugsrecht einem gesetzlichen Vertreter der Risikoperson zusteht (siehe oben B. II.2.b. aa, Rz. 25 ff.), oder
der Anspruch oder das Bezugsrecht einer Person zusteht, die die Versicherungsleistung für die Risikoperson treuhänderisch verwaltet (siehe oben B. II.2.b. bb, Rz. 31 ff.), oder
der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung für die Risikoperson als (nahen) Angehörigen oder als Mitgliedglied einer Gruppenversicherung beanspruchen kann (siehe oben B. II. 2 c., Rz. 33 ff., und B. II. 2. e., Rz. 43 ff.) oder
der Versicherungsnehmer gegenüber der Risikoperson im Versicherungsfall gesetzlich oder vertraglich zu Leistungen verpflichtet ist und die Versicherung der Finanzierung dieser Leistungen dient (siehe oben B. II. 2. d., Rz. 37 ff.) oder
die Versicherungsleistung in der Finanzierung von Naturalleistungen besteht, die ein Dritter gegenüber der Risikoperson erbringt (siehe oben B. II. 2. f., Rz. 47 f.) oder
die Versicherungsleistung in der Anleitung einer Person oder in der Finanzierung einer Anleitung einer Person zur Erbringung von Naturalleistungen gegenüber der Risikoperson besteht (siehe oben B. II. 2. g., Rz. 49 f.) oder
die Versicherung im Fall einer Organtransplantation Leistungen an den Lebendorganspender abdeckt (siehe oben B. II. 3 a., Rz. 51) oder
die Versicherungsleistung von einem Sicherungsnehmer der Risikoperson beansprucht werden kann und die Risikoperson im Versicherungsfall eine unmittelbare Entlastung von einer Verbindlichkeit erfährt (siehe oben B. II. 3 b., Rz. 52 ff.).
BMF v. - III C 4 -S 6405/21/10001 :001
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2021 I Seite 187
DStR 2021 S. 423 Nr. 7
DStR 2021 S. 8 Nr. 4
TAAAH-69999