BGH Urteil v. - IX ZR 80/20

Rückgewährklage nach Insolvenzanfechtung: Pflicht der Lohnausgleichskasse zur Rückgewähr der von dem insolventen Arbeitgeber/Dachdeckerbetrieb abgeführten Winterbeschäftigungsumlage

Leitsatz

Ist der Arbeitgeber zur Abführung der Winterbeschäftigungsumlage über die gemeinsame Einrichtung seines Wirtschaftszweigs oder über eine Ausgleichskasse verpflichtet, so ist in der Insolvenz des Arbeitgebers die gemeinsame Einrichtung oder Ausgleichskasse zur Rückgewähr einer in anfechtbarer Weise erlangten Zahlung der Umlage verpflichtet.

Gesetze: § 143 Abs 1 InsO, § 356 Abs 1 S 1 SGB 3

Instanzenzug: LG Wiesbaden Az: 3 S 77/19vorgehend AG Wiesbaden Az: 91 C 760/19 (18)

Tatbestand

1Die Klägerin ist Verwalterin in dem auf Eigenantrag vom am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der D.                          GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Die Schuldnerin war ein Betrieb des Dachdeckerhandwerks und beschäftigte gewerbliche Arbeitnehmer. Sie war zur Entrichtung der Winterbeschäftigungsumlage verpflichtet, die sie über die beklagte Lohnausgleichskasse abführte. Nachdem die Schuldnerin die Umlage für März 2015 in Höhe von 214,54 € nicht entrichtet hatte, erließ die Bundesagentur für Arbeit durch die Agentur für Arbeit Frankfurt am Main (nachfolgend: Bundesagentur) am einen Leistungsbescheid. Mit dem Bescheid setzte die Bundesagentur die Schuldnerin insbesondere darüber in Kenntnis, dass ihr die offene Winterbeschäftigungsumlage für März 2015 zur Durchführung des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens gemeldet worden sei, und forderte die Schuldnerin auf, die Umlage zur Vermeidung einer zwangsweisen Beitreibung innerhalb einer Woche an die Beklagte zu zahlen. Dies geschah nicht.

2Mit Vollstreckungsanordnung vom beauftragte die Bundesagentur das Hauptzollamt Berlin mit der Vollstreckung und bat, eingezogene Beträge an die Beklagte auszukehren. Am zahlte die Schuldnerin die offene Umlage an das Hauptzollamt, das die bei ihm eingegangenen 214,54 € an die Beklagte weiterleitete. Die Beklagte führte die Umlage an die Bundesagentur ab.

3Die Klägerin ist der Ansicht, die Zahlung der Umlage sei gegenüber der Beklagten als inkongruente Deckung anfechtbar. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Beklagte nicht die richtige Anfechtungsgegnerin und dementsprechend nicht passivlegitimiert sei. Die Klägerin hat die vom Amtsgericht wegen Grundsatzbedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassene Berufung eingelegt. Nach Eingang der Berufungsbegründung hat die angerufene Berufungskammer den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen. Dieser hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel in vollem Umfang weiter.

Gründe

4Die Revision hat bis auf einen Teil des als Nebenforderung geltend gemachten Zinsanspruchs Erfolg.

I.

5Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Das Amtsgericht habe die Passivlegitimation der Beklagten mit zutreffenden rechtlichen Erwägungen verneint. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung werde nicht nur darauf abgestellt, dass die einziehende Kasse eine ausschließliche Empfangszuständigkeit habe. Es komme auch darauf an, ob die einziehende Stelle darüber hinaus Prozessstandschafterin, Titelgläubigerin und Klauselberechtigte im Sinne des § 725 ZPO sei, wie ein Vollrechtsinhaber gegen den späteren Schuldner vorgegangen sei und mit Vollstreckungszwang die Leistungen beigetrieben habe.

6Dies treffe auf die Beklagte nicht zu. Sie habe den Anspruch auf Zahlung der Winterbeschäftigungsumlage nicht selbst vollstreckt. Dies sei aufgrund eines Titels und Antrags der Bundesagentur durch das Hauptzollamt erfolgt. Der durch das Hauptzollamt eingezogene Betrag sei an die Beklagte als reine Zahlstelle weitergeleitet worden. Es sei daher von dem allgemeinen Grundsatz auszugehen, dass richtiger Anfechtungsgegner derjenige sei, dessen Vermögen einen Vorteil erlangt habe. Das sei die Bundesagentur.

II.

7Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Prüfung im Wesentlichen nicht stand.

81. Allerdings ist das Berufungsurteil nicht unter Verstoß gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen. Ein solcher Verstoß liegt entgegen der Auffassung der Revision nicht darin, dass statt der Kammer in ihrer im Gerichtsverfassungsgesetz vorgesehenen Besetzung der Einzelrichter entschieden hat.

9a) Nach § 526 Abs. 3 ZPO kann ein Rechtsmittel weder auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung auf den Einzelrichter noch auf die erfolgte oder unterlassene Vorlage oder Übernahme an oder durch das Kollegium gestützt werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt bei verfassungskonformer Auslegung von § 526 Abs. 3 ZPO nur unter den engen Voraussetzungen der Willkür in Betracht, da in einem solchen Fall eine Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter und damit ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gegeben ist (vgl. , BGHZ 170, 180 Rn. 5; vom - VII ZR 288/17, BGHZ 220, 68 Rn. 13).

10b) Vorliegend fehlt es an einem Verstoß gegen das Willkürverbot. Ein solcher liegt weder in der Übertragung des Rechtsstreits durch die Kammer in ihrer im Gerichtsverfassungsgesetz vorgesehenen Besetzung auf den Einzelrichter noch darin, dass der Einzelrichter in der Sache entschieden hat, statt sie dem Kollegium zur Entscheidung über eine Übernahme vorzulegen.

11aa) Anhaltspunkte für eine willkürlich unterlassene Vorlage durch den Einzelrichter an das Kollegium gibt es nicht. Sein Vorgehen begegnet schon keinen (einfach-)rechtlichen Bedenken. Der Einzelrichter ist im Berufungsverfahren gemäß § 526 Abs. 1 ZPO nach Übertragung des Rechtsstreits durch das Kollegium zur Entscheidung berufen. Nach § 526 Abs. 2 ZPO hat er die Sache lediglich dann dem Kollegium zur Entscheidung über eine Übernahme vorzulegen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache oder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben (§ 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) oder wenn die Parteien dies übereinstimmend beantragen (§ 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Keine dieser Voraussetzungen lag vor. Insbesondere fehlte es an einer wesentlichen Änderung der Prozesslage. Der Einzelrichter ist zur Vorlage an das Kollegium zur Entscheidung über eine Übernahme nicht berechtigt, wenn er sie anders als das Kollegium von vornherein als grundsätzlich ansieht (vgl. aaO Rn. 14 mwN).

12bb) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Übertragung des Rechtsstreits durch die Kammer auf den Einzelrichter willkürlich erfolgt ist. Zwar ist eine Übertragung auf den Einzelrichter ausgeschlossen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. § 526 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Dies dürfte im Streitfall anzunehmen gewesen sein. Eine richterliche Entscheidung verstößt jedoch erst dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG), wenn sie unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Schuldhaftes Handeln des Richters ist nicht erforderlich. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht objektiv willkürlich. Schlechterdings unhaltbar ist eine Entscheidung vielmehr erst dann, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird (BVerfG, FamRZ 2019, 1461 Rn. 25; st. Rspr.). Das ist hier nicht der Fall. Die Kammer dürfte die Grundsatzbedeutung rechtsfehlerhaft verneint haben. Unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar war ihre Entscheidung jedoch nicht. Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich dies insbesondere nicht daraus, dass Amtsgericht und Klägerin zuvor von einer grundsätzlichen Bedeutung ausgegangen waren.

132. Die streitgegenständliche Zahlung der Schuldnerin vom in Höhe von 214,54 € ist gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO gegenüber der Beklagten anfechtbar. Der mit der Klage verfolgte Anspruch findet demnach seine Grundlage in § 143 Abs. 1 InsO.

14a) Die Beklagte ist die richtige Anfechtungsgegnerin.

15aa) Der Bundesgerichtshof hat bei der Bestimmung des Anfechtungsgegners im Mehrpersonenverhältnis im Wesentlichen zwei Fallgruppen herausgebildet.

16(1) Mittelbare Zuwendungen, die unter Einschaltung eines Dritten an einen Gläubiger vorgenommen werden, werden regelmäßig so behandelt, als habe der befriedigte Gläubiger unmittelbar vom Schuldner erworben. Der Rückgewähranspruch richtet sich in solchen Fällen grundsätzlich gegen den, der infolge der anfechtbaren Handlung den Gegenstand aus dem Vermögen des Schuldners erhalten hat; die Anfechtung einer mittelbaren Zuwendung an den Leistungsempfänger schließt die Anfechtung gegen den Leistungsmittler aus, sofern dieser - für den Leistungsempfänger erkennbar - für den Leistenden gehandelt hat. Leistet ein Schuldner in anfechtbarer Weise an einen vom Gläubiger mit dem Empfang der Leistung beauftragten Dritten, ist der Gläubiger zur Rückgewähr der Leistung verpflichtet. Tilgt der Schuldner eine zum Zwecke des Forderungseinzugs treuhänderisch abgetretene Forderung gegenüber einem Inkassounternehmen als Forderungszessionar, kann die Zahlung gegenüber dem ursprünglichen Forderungsinhaber angefochten werden. Eine Anfechtung gegenüber dem Inkassounternehmen soll nicht möglich sein; jedenfalls nach Weiterleitung der Zahlung an den ursprünglichen Forderungsinhaber kann sie nur diesem gegenüber angefochten werden (, ZInsO 2019, 2159 Rn. 9 mwN).

17(2) Soweit die Vermögensübertragung unmittelbar auch eigene Rechte oder Pflichten der Zwischenperson - etwa als (Mit-)Schuldner oder Sicherungsnehmer - berührt, diese also nicht als Zahlungs- und Verrechnungsstelle eingeschaltet ist, richtet sich der Anfechtungsanspruch grundsätzlich gegen die Zwischenperson. In gleicher Weise ist die Zwischenperson verpflichtet, wenn sie selbst Vollrechtsinhaber ist und - sofern dies nicht lediglich auf einer Abtretung beruht - schuldbefreiend nur an sie geleistet werden kann, was bei einer Einzugsstelle für Gesamtsozialversicherungsbeiträge ebenso wie bei den Umsatzsteuerforderungen einziehenden Bundesland und der Betreiberin eines Systems zur Erhebung der Lkw-Maut im Guthabenabrechnungsverfahren zu bejahen ist ( aaO Rn. 10 mwN).

18(3) In der ersten Fallgruppe wird der beauftragende Gläubiger oder Zedent als Leistungsempfänger im Sinne des § 143 Abs. 1 InsO eingestuft. Den maßgeblichen Wertungsgesichtspunkt dafür bildet die Pflicht des Empfangsbeauftragten oder Zessionars zur Auskehr der empfangenen Beträge. Nicht entscheidend sind die dingliche Zuordnung des eingezogenen Erlöses und die Frage, ob die Zahlungen des Schuldners über ein Treuhandkonto eingezogen wurden ( aaO Rn. 11).

19In der zweiten Fallgruppe, bei der Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Steuern, ist die Einzugsstelle jedoch auch insoweit Anfechtungsgegnerin, als die Mittel von ihr im Innenverhältnis an einen anderen Rechtsträger abzuführen sind. Wesentlicher Grund hierfür ist, dass im Außenverhältnis der Einzugsstelle zu dem Abgabenschuldner dieser nur an die Einzugsstelle mit befreiender Wirkung leisten kann. Deshalb ist die Einzugsstelle wie eine Vollrechtsinhaberin anzusehen. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Empfangszuständigkeit des Leistungsempfängers erst durch eine Verfügung des Forderungsinhabers - sei es eine Abtretung oder die Erteilung einer Einziehungsermächtigung - begründet wird. Da in dieser Konstellation der ursprüngliche Forderungsinhaber aus freiem Entschluss einen Dritten mit dem treuhänderischen Forderungseinzug betraut hat, muss er sich weiterhin als Leistungsempfänger behandeln lassen ( aaO Rn. 12).

20bb) Der Streitfall ist der zweiten Fallgruppe zuzuordnen.

21(1) Es geht um die Abführung der Winterbeschäftigungsumlage, aus der die ergänzenden Leistungen nach § 102 SGB III einschließlich der Verwaltungskosten und der sonstigen Kosten gedeckt werden (§ 354 Satz 1 SGB III). Die umlagefinanzierten Leistungen nach § 102 SGB III ergänzen das beitragsfinanzierte (vgl. BeckOK-Sozialrecht/Bieback, 2020, § 354 SGB III Rn. 1; Brand/Kühl, SGB III, 8. Aufl., § 354 Rn. 2) Saison-Kurzarbeitergeld. Arbeitgeber, auf welche die Tarifverträge über die gemeinsamen Einrichtungen oder Ausgleichskassen Anwendung finden, sind gemäß § 356 Abs. 1 Satz 1 SGB III verpflichtet, die Winterbeschäftigungsumlage über die gemeinsame Einrichtung ihres Wirtschaftszweigs oder über eine Ausgleichskasse abzuführen. Die gemeinsame Einrichtung oder Ausgleichskasse führt die eingezogene Umlage an die Bundesagentur für Arbeit ab. Hierzu kann ein vereinfachtes Abrechnungsverfahren vereinbart werden (§ 356 Abs. 1 Satz 4 SGB III). Die Abführung der Winterbeschäftigungsumlage über gemeinsame Einrichtung oder Ausgleichskasse dient der Verwaltungsvereinfachung (BT-Drucks. 16/429, S. 16). Vor diesem Hintergrund dürfen nur die Arbeitgeber direkt an die Bundesagentur für Arbeit zahlen, auf welche die Tarifverträge über die gemeinsamen Einrichtungen oder Ausgleichskassen keine Anwendung finden (§ 356 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Diese Arbeitgeber haben der Bundesagentur für Arbeit die infolge der Direktzahlung entstehenden Mehraufwendungen pauschal zu ersetzen (§ 356 Abs. 2 Satz 2 SGB III).

22(2) Daraus folgt, dass ein Arbeitgeber, auf den, wie im Streitfall auf die Schuldnerin, der entsprechende Tarifvertrag Anwendung findet, die Winterbeschäftigungsumlage mit befreiender Wirkung nur an die Beklagte abführen kann (vgl. Bienert in Heinz/Schmidt-De Caluwe/Scholz, SGB III, 7. Aufl., § 356 Rn. 13). Dies beruht nicht auf einer Verfügung und damit einer freien Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit als der eigentlich Berechtigten, sondern auf gesetzlicher Anordnung. Insolvenzanfechtungsrechtlich ist die Beklagte vor diesem Hintergrund wie eine Vollrechtsinhaberin anzusehen. Sie ist deshalb zur Rückgewähr einer in anfechtbarer Weise an sie abgeführten Winterbeschäftigungsumlage verpflichtet. Daran ändert nichts, dass nicht die Beklagte, sondern die Bundesagentur für Arbeit tätig wird, wenn eine zwangsweise Beitreibung der Umlage erforderlich erscheint (vgl. Gagel/Bieback, SGB II/SGB III, 2018, § 356 SGB III Rn. 14, 17 f). Maßgeblich ist, dass die Winterbeschäftigungsumlage mit befreiender Wirkung nur an die Beklagte abgeführt werden kann. Schon deshalb ist sie insolvenzanfechtungsrechtlich wie die Vollrechtsinhaberin anzusehen. Das gilt für den (Normal-)Fall der ordnungsgemäßen Abführung der Umlage durch den Arbeitgeber an die Beklagte, die ohne jede Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit erfolgt. Aber auch im Fall der verweigerten oder verzögerten Zahlung bleibt die Beklagte Einzugsstelle. Die gesetzliche Anordnung des § 356 Abs. 1 Satz 1 SGB III gilt unabhängig davon, ob die Winterbeschäftigungsumlage ordnungsgemäß oder erst unter Anwendung von Vollstreckungsdruck gezahlt wird. Mit befreiender Wirkung kann der Arbeitgeber die Umlage daher auch dann nur an die Beklagte abführen, wenn bereits eine Vollstreckungsanordnung ergangen ist. Im Wege der Vollstreckung durch das von der Bundesagentur beauftragte Hauptzollamt beigetriebene Beträge sind ebenso an die Beklagte abzuführen. Dies rechtfertigt es, die Beklagte als Anfechtungsgegnerin anzusehen.

23b) Die Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind erfüllt. Die streitbefangene Zahlung ist im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden. Die durch die Zahlung erlangte Befriedigung war inkongruent. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine während des Anfechtungszeitraums von drei Monaten der Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO) im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherheit oder Befriedigung als inkongruent anzusehen. Eine inkongruente Deckung liegt auch dann vor, wenn der Schuldner in der Krise zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung geleistet hat (, WM 2014, 324 Rn. 37, insoweit in BGHZ 199, 344 nicht abgedruckt). Die durch die Zahlung der Schuldnerin an das Hauptzollamt erlangte Deckung war demnach inkongruent.

243. Der Zinsanspruch ergibt sich für den Zeitraum vom bis zum aus § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO aF, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. BT-Drucks. 18/11199, S. 12). Für die Zeit danach ist § 143 Abs. 1 Satz 3 InsO in der ab dem geltenden Fassung anzuwenden (Art. 103j Abs. 2 Satz 2 EGInsO). Danach wird eine Geldschuld nur verzinst, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 BGB vorliegen. Ein Schuldnerverzug der Beklagten ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Rechtshängigkeit ist am eingetreten.

III.

25Das angefochtene Urteil ist danach im tenorierten Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Die Vorinstanzdaten des Urteils vom werden aufgrund eines Übertragungsfehlers wie folgt berichtigt:

Vorinstanzen:

AG Wiesbaden, Entscheidung vom - 91 C 760/19 (18) -

LG Wiesbaden, Entscheidung vom - 3 S 77/19 -

Karlsruhe, den

Preuß, Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:101220UIXZR80.20.0

Fundstelle(n):
DB 2021 S. 618 Nr. 12
DStR 2021 S. 491 Nr. 8
NJW 2021 S. 10 Nr. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 10/2021 S. 680
WM 2021 S. 257 Nr. 5
ZIP 2021 S. 264 Nr. 5
TAAAH-69934