BGH Beschluss v. - NotZ (Brfg) 4/20

Restitutionsklage: Vorliegen des Restitutionsgrundes der durch den EGMR festgestellten Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention

Leitsatz

Zum Vorliegen eines Restitutionsgrundes gemäß § 580 Nr. 8 ZPO.

Gesetze: § 580 Nr 8 ZPO, Art 6 MRK, § 111b Abs 1 S 1 BNotO, § 130a VwGO, § 153 Abs 1 VwGO

Instanzenzug: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Az: 29295/16 Urteilvorgehend Az: NotZ(Brfg) 6/14vorgehend Az: NotZ(Brfg) 6/14vorgehend OLG Celle Az: Not 4/13nachgehend Az: 1 BvR 519/21 Nichtannahmebeschluss

Gründe

I.

1Der Kläger wurde mit Bescheid des Beklagten vom endgültig seines Amtes als Notar enthoben. Seine hiergegen gerichtete Anfechtungsklage hat das Oberlandesgericht Celle mit Urteil vom abgewiesen. Den Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Senat mit Beschluss vom (NotZ(Brfg) 6/14) zurückgewiesen. Nach erfolgloser Verfassungsbeschwerde hat der Kläger Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erhoben, mit der er gemäß Art. 6 Satz 1 EMRK geltend gemacht hat, dass das Oberlandesgericht in dem Anfechtungsklageverfahren kein unabhängiges und unparteiisches Gericht gewesen sei. Mit Urteil vom (Az. 29295/16) hat der EGMR festgestellt, dass kein Verstoß gegen Art. 6 Satz 1 EMRK vorliegt.

2Daraufhin hat der Kläger Restitutionsklage erhoben, mit der er die Aufhebung des Senatsbeschlusses vom (NotZ(Brfg) 6/14) und der Entscheidung des über die Nichtzulassung der Berufung beantragt. Er ist der Auffassung, dass die Ausführungen des Senats im Beschluss vom in Widerspruch zur Begründung des Urteils des EGMR vom (insbesondere Rn. 79 und 71) stehen.

3Der Beklagte hat beantragt, die Restitutionsklage als unzulässig zu verwerfen.

4Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Restitutionsklage durch Beschluss entsprechend § 130a VwGO iVm § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO abzuweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachte. Die Parteien haben hierzu Stellung genommen.

II.

5Der Senat entscheidet über die Restitutionsklage nach entsprechender Anhörung der Beteiligten durch Beschluss, da er sie, auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Klägers, einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 130a VwGO analog i.V.m. § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO, vgl. , NVwZ-RR 2018, 787).

6Der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 8 ZPO (i.V.m. § 153 Abs. 1 VwGO, § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO) liegt nicht vor. Dieser ist gegeben, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der EMRK festgestellt hat und die angefochtene Entscheidung auf dieser Verletzung beruht.

7In seinem Urteil vom , Az. 29295/16, ist der EGMR aufgrund bestimmter Umstände, die in Rn. 62 ff. der Entscheidung genannt sind, in Rn. 79 zu dem Zwischenergebnis gekommen, dass die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notarsenats (des Oberlandesgerichts) "in Frage gestellt werden kann". Gleichwohl hat der EGMR weiter festgestellt, dass kein Verstoß gegen Art. 6 Satz 1 der Konvention vorliegt, "da das gerichtliche Überprüfungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof ‚eine ausreichende Überprüfung‘ bot, um sicherzustellen, dass die Anforderungen des Artikels 6 hinsichtlich der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des [Oberlandes-]Gerichts erfüllt sind" (Rn. 88). Allein der Umstand, dass der Senat in dem Verfahren NotZ(Brfg) 6/14 Rechtsfragen anders beurteilt hat als später der EGMR, erfüllt die Voraussetzungen des Restitutionsgrundes des § 580 Nr. 8 ZPO nicht.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:161120BNOTZ.BRFG.4.20.0

Fundstelle(n):
WM 2021 S. 1249 Nr. 25
SAAAH-69622