BVerwG Urteil v. - 9 A 6/20

Tatbestand

1Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom für den Neubau der A 33/B 61, Zubringer Ummeln. Der planfestgestellte Abschnitt umfasst eine Länge von rund 3,7 km. Er beginnt bei Bau-km 1+480 auf der Südseite der vorhandenen, autobahnkreuzähnlich ausgebauten Anschlussstelle der A 33 - Anschlussstelle Bielefeld-Zentrum - und endet bei Bau-km 5+200, wo die Trasse an die nach Gütersloh weiterführende B 61 angeschlossen werden soll. Die geplante Trasse ersetzt die bisherige Ortsdurchfahrt Ummeln und dient so auch als Ortsumgehung. Das Projekt ist in der Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 2 FStrAbG in die Dringlichkeitsstufe "Laufend und fest disponiert" eingeordnet.

2Die Planunterlagen lagen in der Zeit vom 30. August bis zum bei der Stadt Bielefeld sowohl im Bezirksamt Brackwede als auch im Amt für Verkehr öffentlich aus. Am 10. und fand ein Erörterungstermin statt. Nach Auswertung der Ergebnisse des Anhörungsverfahrens nahm der Vorhabenträger diverse Planänderungen vor und brachte diese im April 2014 über das Deckblatt 1 in das Verfahren ein. Dabei ging es unter anderem um die Errichtung einer Versickerungsanlage unter Verzicht auf ein Regenrückhalte- und Klärbecken im Anschlussstellenohr Ummeln, vergrößerte Gewässerunterführungen, einen neuen landschaftspflegerischen Begleitplan sowie ein neues Verkehrsgutachten, eine neue lärmtechnische Unterlage und ein neues Luftschadstoffgutachten.

3Aufgrund dieser Planänderungen erfolgte eine Neuauslegung in der Zeit vom 19. Mai bis zum . Dabei wurden die Unterlagen des Deckblatts ausgelegt, in das unter Kenntlichmachung bzw. Beschreibung der Planänderungen nochmals alle Planunterlagen - d.h. auch die unverändert gebliebenen - und Gutachten aufgenommen wurden. Die Unterlagen wurden darüber hinaus auf der Homepage der Bezirksregierung Detmold für den Zeitraum der Auslegung auch im Internet zur Einsichtnahme bereitgestellt.

4Der über 80-jährige Kläger hat seinen Wohnsitz an der G. Straße ... in B. Das 1 742 m² große Wohngrundstück (Flurstück ... der Flur ... der Gemarkung U.) steht nicht in seinem Eigentum; ihm steht dort aber ein lebenslanges dinglich gesichertes Wohnrecht zu. Der Kläger betreibt zudem auf dem Grundstück nach eigenen Angaben seit fast 50 Jahren ein Unternehmen. Das genannte Flurstück ist zur vollständigen Übernahme durch den Vorhabenträger vorgesehen; das Wohngebäude soll abgerissen werden.

5Der Kläger ist außerdem Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebs (G. Straße ...) mit einer Gesamtgröße von ca. 48,50 ha. Den Betrieb bewirtschaftet er nicht mehr selbst, sondern er hat die Flächen verpachtet. Auf der Hofstelle befinden sich vier Mietwohnungen; eine der Mietparteien betreibt in Teilen der Wirtschaftsgebäude eine Hundeschule. Insgesamt geht es um acht Flurstücke, deren Bezeichnungen sich zwischenzeitlich nach Neuvermessung und Teilung geändert haben (neue Bezeichnungen: Flst.-Nrn. ..., ... und ... der Flur ...; Flst.-Nrn. ..., ..., ... und ... der Flur ... sowie Flurstück ... der Flur ..., sämtlich Gemarkung U.). Diese Flurstücke sollen in unterschiedlichem Umfang für das Vorhaben selbst bzw. für naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen in Anspruch genommen werden. Dabei soll u.a. die bisherige nördliche Zufahrt zur Hofstelle von der B 61/G. Straße entsiegelt und rekultiviert werden. Die neue Zufahrt soll über den R. erfolgen.

6Der Kläger hat fristgerecht am Klage erhoben.

7Er hält den Planfeststellungsbeschluss für formell und materiell rechtswidrig. So sei schon das Anhörungsverfahren rechtswidrig gewesen. Auch fehle die Planrechtfertigung und der Planfeststellungsbeschluss sei abwägungsfehlerhaft, da seine klägerischen Belange nicht ordnungsgemäß abgewogen worden seien. Schließlich genüge die nun geplante Versickerung nicht den wasserrechtlichen Anforderungen; das Oberflächenwasser der Fahrbahnen müsse geklärt werden.

8Der Kläger beantragt,

1. den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Detmold für den Neubau der A 33/B 61, Zubringer Ummeln, vom in der Fassung der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Protokollerklärungen des Beklagten aufzuheben,

2. hilfsweise: festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist.

9Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10Er ist dem Vorbringen des Klägers entgegengetreten.

11Das Verfahren des Klägers wurde - unter dem damaligen Aktenzeichen BVerwG 9 A 15.16 - gemeinsam mit der Parallelsache BVerwG 9 A 16.16 verhandelt. Jenes Verfahren hat der Senat mit Beschluss vom ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union um die Klärung mehrerer Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten sowie der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, zuletzt geändert durch Art. 1 der Richtlinie 2014/101/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom (ABl. Nr. L 311 S. 32) gebeten. Mit weiterem Beschluss desselben Datums hat der Senat seine vorläufige Einschätzung aufgrund der mündlichen Verhandlung festgehalten (im Folgenden: Hinweisbeschluss im Verfahren BVerwG 9 A 16.16).

12Ebenfalls mit Beschluss vom hat der Senat das Verfahren des Klägers bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ausgesetzt und zugleich seine vorläufige Einschätzung aufgrund der mündlichen Verhandlung festgehalten (im Folgenden: Aussetzungsbeschluss).

13Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom - C-535/18 [ECLI:EU:C:2020:391] - über die Vorlage entschieden. Einen Antrag des Beklagten vom auf weitere Aussetzung des Verfahrens bis zur Beendigung des vor der Einleitung stehenden Planänderungsverfahrens hat der Senat nach Anhörung des Klägers mit Beschluss vom abgelehnt.

Gründe

14Mit Einverständnis der Beteiligten kann der Senat ohne erneute mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

15Die zulässige Klage (A) ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom in Gestalt der in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärten Änderungen und Ergänzungen enthält in Bezug auf die Alternativenprüfung einen Fehler, auf den sich der Kläger auch berufen kann; im Übrigen hält er der klägerischen Kritik stand (B). Der Fehler hat nicht die mit dem Hauptantrag begehrte Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, sondern lediglich die hilfsweise beantragte Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit zur Folge (C).

16A. Die Klage ist zulässig. Dem Planfeststellungsbeschluss kommt, da er Grundlage der nachfolgenden Enteignung ist (§ 19 Abs. 1 FStrG), enteignungsrechtliche Vorwirkung zu. Daher hat der Kläger als Eigentümer von Grundstücken, die für die Planung in Anspruch genommen werden sollen, nach Art. 14 Abs. 1 GG Anspruch auf gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses auf seine objektive Rechtmäßigkeit (sog. Vollüberprüfungsanspruch), soweit der geltend gemachte Fehler für die Inanspruchnahme seiner Grundstücke kausal ist (stRspr, vgl. 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 24). Seine Klagebefugnis ergibt sich zudem daraus, dass auch sein lebenslang dinglich gesichertes Wohnrecht durch die Planung gefährdet ist. Denn auch dieses Wohngrundstück wird für die Planung benötigt; das Haus soll sogar abgerissen werden.

17B. Der Planfeststellungsbeschluss hält im Wesentlichen der Kritik des Klägers stand (dazu 1. bis 3. und 5. bis 7.); er leidet allerdings an einem erheblichen Fehler der Abwägung zwischen der Variante 3 und 3.1, auf den sich der Kläger auch berufen kann (dazu 4.).

181. Die formellen Bedenken des Klägers greifen nicht durch. Das Verkehrsgutachten hat nach den Angaben des Beklagten sowohl 2010 als auch in der Deckblatt-Auslegung 2014 ausgelegen, wenngleich nicht als Bestandteil der drei Mappen, sondern als separates Dokument. Dass es ausgelegen habe, zeige sich auch daran, dass es in vielen Einwendungen konkret in Bezug genommen worden sei. Zusätzlich weist der Beklagte darauf hin, dass dem Prozessbevollmächtigten des Klägers die Verkehrsuntersuchung als PDF Dokument per E-Mail vom und damit noch vor dem Ende der Einwendungsfrist () übersandt worden sei. Dem ist der Kläger nicht mehr entgegengetreten.

192. Die Planrechtfertigung folgt aus der gesetzlichen Bedarfsfeststellung, die für die Planfeststellung und das gerichtliche Verfahren verbindlich ist (§ 1 Abs. 2 Satz 2 FStrAbG, stRspr; vgl. 9 A 16.12 - (BVerwGE 146, 254 Rn. 18 m.w.N.). Zwar weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass dennoch eine Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde besteht, bei der vorzunehmenden Abwägung der einzustellenden Belange rechtsmindernde Eingriffe nach Möglichkeit zu vermeiden und in diesem Rahmen alternative Planungen auf ihre jeweilige Eingriffsintensität bei gleicher planerischer Zielsetzung zu prüfen und gegebenenfalls auch offen zu sein für eine "Null-Variante" ( a.a.O. Rn. 20 m.w.N.). Damit wird indes nicht die Planrechtfertigung infrage gestellt.

203. Der Kläger hat die technische Entwässerungsplanung nicht hinreichend substantiiert beanstandet. Die Klage beschränkt sich insoweit auf die Behauptung, das Regenrückhaltebecken hätte nicht gestrichen werden dürfen; die vorgesehene Versickerung genüge nicht den Anforderungen; das Oberflächenwasser der Fahrbahnen sei "einer entsprechenden Behandlung zuzuführen" (vgl. Klagebegründung S. 9).

214. Der Planfeststellungsbeschluss leidet aber an einem erheblichen Fehler der Abwägung zwischen der Variante 3 und 3.1. Insoweit hat der Senat im Hinweisbeschluss im Verfahren BVerwG 9 A 16.16 (dort Rn. 57 - 62) ausgeführt:

a) Die Auswahl unter verschiedenen in Frage kommenden Trassenvarianten ist gerichtlicher Kontrolle nur begrenzt auf Abwägungsmängel hin zugänglich. Bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials müssen einerseits alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen berücksichtigt und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingestellt werden. Eine Planfeststellungsbehörde handelt andererseits nicht schon dann abwägungsfehlerhaft, wenn eine von ihr verworfene Trassenführung ebenfalls mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Vielmehr sind die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit erst dann überschritten, wenn sich eine andere als die gewählte Trassenführung unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere, hätte aufdrängen müssen oder wenn der Planfeststellungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (stRspr, vgl. 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 66 und vom - 9 A 1.15 - BVerwGE 154, 153 Rn. 14, jeweils m.w.N.).

Der Planfeststellungsbeschluss ist der Sache nach von dem zutreffenden Maßstab ausgegangen (vgl. S. 292 f.). Die von den Klägern kritisierte ergänzende Erwähnung des gerichtlichen Kontrollmaßstabes (S. 293, 322) hält der Senat für unschädlich. Den unter Bezugnahme auf die frühere UVS vorgenommenen Vergleich der Hauptvarianten 1 bis 3 (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 300 ff.) beanstanden die Kläger ausdrücklich nicht, so dass kein Anlass für eine gerichtliche Kontrolle besteht. Demgegenüber machen sie aber zu Recht geltend, dass der Planfeststellungsbeschluss es versäumt hat, einen Vergleich der Trassenvarianten 3 und 3.1 vorzunehmen. Insoweit war ihm eine Bezugnahme auf die UVS des Linienbestimmungsverfahrens nicht möglich, denn diese hatte lediglich mit dem Vorschlag geendet, eine "aus städtebaulicher Sicht durch ein weiteres Abrücken von der Wohnbebauung 'Auf der Hart' optimierte Variante 3.1 zugrunde" zu legen (vgl. Kurzfassung der UVS S. 8 f.).

Diese Optimierung hätte auf der Ebene der Planfeststellung vorgenommen werden müssen. Denn eine Enteignung verlangt nach Art. 14 Abs. 3 GG eine Gesamtabwägung der für das Vorhaben sprechenden Gemeinwohlbelange mit den durch seine Verwirklichung beeinträchtigten öffentlichen und privaten Belangen; erforderlich ist eine Gewichtung der in der Summe betroffenen privaten Belange ( u.a. - BVerfGE 134, 242 Rn. 211, 229). Dies bedeutet, dass insbesondere die Zahl und das Ausmaß der mit den beiden Varianten verbundenen Gebäudeabrisse bzw. Existenzgefährdungen hätte ermittelt und mit den übrigen Belangen (etwa städtebauliche Argumente, Schutz des Landschaftsbildes, Kosten für Lärmschutz, naturschutzfachliche Gründe) abgewogen werden müssen. Hieran fehlt es. Soweit dies in der Klageerwiderung (Kosten für Lärmschutz) bzw. in der mündlichen Verhandlung (Erläuterung der Gebäudeabrisse sowie städtebauliche Erwägungen) nachträglich geschehen ist, handelt es sich nach Auffassung des Senats nicht um eine bloße Vertiefung einer bereits im Planfeststellungsbeschluss vorgenommenen Abwägungsentscheidung, sondern um eine erstmals vorgenommene Abwägung. Dies zeigt sich schon daran, dass die Planfeststellungsbehörde auf Nachfrage keinerlei Unterlagen aus dem Verwaltungsverfahren (etwa Karten, Aktenvermerke, tabellarische Übersichten o.Ä.) zu diesen Fragen vorlegen konnte. Die in der mündlichen Verhandlung gezeigten Karten zum "Detailplanungskonzept Variante 3/3.1" (Anlagen 1a und 1b zum Protokoll vom ) wurden erst für das gerichtliche Verfahren erstellt.

b) Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass der vorgenannte offensichtliche Abwägungsmangel auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen und damit gemäß § 17c FStrG i.V.m. § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG erheblich ist.

Eine Erheblichkeit kann nur verneint werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür nachweisbar sind, dass die Planfeststellungsbehörde auch im Falle einer ordnungsgemäßen Abwägung die gleiche Entscheidung getroffen hätte. Solche Anhaltspunkte können sich etwa aus dem Planfeststellungsbeschluss ergeben. Das Gericht darf keine eigene hypothetische Abwägungsentscheidung an die Stelle der Entscheidung durch die Planfeststellungsbehörde setzen ( 9 A 1.15 - BVerwGE 154, 153 Rn. 30 unter Hinweis auf - WM 2016, 184 <186>). An derartigen konkreten Anhaltspunkten fehlt es hier.

Sollte die Variantenprüfung in einem ergänzenden Verfahren nachgeholt werden, weist der Senat mit Blick auf die Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss zu den erforderlichen Gebäudeabrissen (S. 310) vorsorglich darauf hin, dass der Erhalt von Wohnungseigentum und landwirtschaftlichen Betrieben über Art. 14 GG einen hohen Schutz genießt und daher mit einem entsprechend hohen Gewicht in die Abwägung eingestellt werden muss. Dies ist nicht dadurch gemindert, dass die abzureißenden Gebäude keine kulturhistorische Bedeutung haben. Allenfalls umgekehrt kann dem Erhalt kulturhistorisch wertvoller Gebäude ein besonderes Gewicht zukommen.

22Daran hält der Senat weiterhin fest. Auf diesen Abwägungsfehler kann sich der Kläger auch berufen, denn er stünde im Falle der Variante 3 besser da, als bei der planfestgestellten Variante 3.1 (vgl. hierzu bereits Aussetzungsbeschluss Rn. 5).

235. Hiervon abgesehen ist die Inanspruchnahme des Grundeigentums des Klägers bzw. die Beeinträchtigung seiner sonstigen Rechte nicht zu beanstanden.

24Der Planfeststellungsbeschluss (S. 519 f.) hält die Grundstücksinanspruchnahmen einschließlich des Gebäudeabrisses für unverzichtbar. Auswirkungen auf das Handelsunternehmen - gemeint ist offenbar das Unternehmen G. Straße ... - seien im Rahmen der Grunderwerbsverhandlungen bzw. des separaten Enteignungs- und Entschädigungsverfahrens zu prüfen und ggf. zu entschädigen. Hinsichtlich der geltend gemachten Existenzgefährdung in Bezug auf den landwirtschaftlichen Betrieb G. Straße ... wird darauf hingewiesen, dass nur rd. 2,6 % der 48,5 ha in Anspruch genommen würden. Diese Erwägungen sind fehlerfrei.

25Nicht zu beanstanden ist ferner, dass die bisherige (kürzere) Zufahrt zum Wohnhaus trassenbedingt entfallen soll. Denn eine weitere Zufahrt ist bereits über den R. vorhanden. Eine gesetzliche Vorschrift, aus der der Kläger einen Anspruch auf Beibehaltung der bisherigen günstigen Zufahrt herleiten könnte, existiert nicht. Vielmehr ergibt sich aus der Regelung des § 8a Abs. 4 FStrG, dass lediglich ein Anspruch auf eine Verbindung zum Wegenetz besteht, die eine angemessene Nutzung des Grundeigentums ermöglicht ( 9 A 54.02 - Buchholz 407.4 § 8a FStrG Nr. 14 = juris Rn. 20). Dass die bestehende Anfahrt über den R. für LKW, Müllfahrzeuge etc. nicht ausreicht, also keine angemessene Nutzung im vorgenannten Sinne ermöglicht, ist nicht ersichtlich, zumal die Wirtschaftsgebäude schon jetzt auf diese Weise erschlossen werden. Im Übrigen hat der Vorhabenträger zugesichert, dass er die Ersatzzufahrt auf seine Kosten so herrichten wird, dass sie von der Ausbauqualität her der bisherigen Zufahrt entspricht; hinsichtlich der Einzelheiten verweist der Planfeststellungsbeschluss in zulässiger Weise auf das Enteignungs- bzw. Entschädigungsverfahren (S. 519).

266. Soweit der Kläger rügt, die Auswirkungen auf das Wirtschaftswegenetz seien nicht ordnungsgemäß abgewogen worden, geht es ihm offensichtlich um die aus mehreren Flurstücken bestehende wirtschaftliche Grundstückseinheit, die von seinem Pächter als Gartenbaubetrieb genutzt wird. Zwar wird diese Einheit künftig trassenbedingt durchschnitten; auf eine mangelnde Erschließung hat sich der Kläger aber im Einzelerörterungstermin nicht berufen. Zwar hat der Pächter, Jürgen H., seinerseits eine Einwendung erhoben, die auch erörtert wurde (vgl. Verwaltungsvorgang <VV> Bl. 000749 ff.). Die zunächst zugesagte Prüfung der Existenzgefährdung unterblieb allerdings später mangels Einreichung von Unterlagen. Im Übrigen hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass der Planfeststellungsbeschluss auch für den Fall ausreichend Vorkehrungen trifft, dass später doch noch Zufahrten erforderlich werden sollten (vgl. NB 5.6.4 <S. 50> und 5.14.3 <S. 61>).

277. Ebenso wenig ist die Klage wegen einer Verkennung der Lärmbelange des Klägers begründet. Die Lärmgrenzwerte werden für die G. Straße ... (Mischgebiet), betrachtet man allein das Straßenvorhaben mit dem vorgesehenen Lärmschutz, unterschritten (vgl. planfestgestellte Unterlage 11.2 S. 21, dort Nr. 131). Der - mit Schienenbonus - errechnete Summenpegel weist maximal Werte von 57 dB(A) tags und 50 dB(A) nachts aus (VV Bl. 001164), so dass ausreichend Abstand zu grundrechtsrelevanten Werten besteht.

28C. Die festgestellten Fehler führen nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, sondern lediglich zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit. Denn sie betreffen kein zwingendes Planungshindernis; es besteht die konkrete Möglichkeit, dass sie in einem ergänzenden Verfahren behoben werden können, ohne die Gesamtplanung infrage zu stellen (§ 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG).

29D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2020:261120U9A6.20.0

Fundstelle(n):
CAAAH-69529