BGH Beschluss v. - VII ZB 2/20

Klauselerinnerungsverfahren: Geltendmachung materiell-rechtlicher Einwendungen gegen eine Vollstreckungsklausel für eine notarielle Urkunde über eine Sicherungsgrundschuld

Gesetze: § 724 Abs 1 ZPO, § 726 ZPO, § 732 ZPO, § 767 ZPO, § 797 Abs 2 S 1 ZPO, § 1193 BGB

Instanzenzug: LG Osnabrück Az: 1 T 16/20 Beschlussvorgehend AG Osnabrück Az: 53 C 2907/19 (25) Beschluss

Gründe

I.

1Der Schuldner wendet sich gegen die Erteilung einer Vollstreckungsklausel für eine notarielle Urkunde, aus der die Gläubigerin die Zwangsvollstreckung betreibt.

2Durch Urkunde des Notars R.      B.       vom bestellte der Schuldner der Gläubigerin an seinem Wohnungseigentum (196/1000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück Gemarkung O.        , Flur    , Flurstücke     und      , verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung), eingetragen im Wohnungsgrundbuch von O.        , Blatt     , unter laufender Nr. 1, eine Sicherungsgrundschuld in Höhe von 100.000 € nebst dinglichen Zinsen und Nebenleistung zur Absicherung eines Darlehens.

3Unter Ziffer 3.3 der Grundschuldbestellungsurkunde heißt es:

4"Der Eigentümer beantragt beim Notar:

a) der Gläubigerin sofort eine Ausfertigung dieser Urkunde zu erteilen,

b) der Gläubigerin eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde zu erteilen,

...

Es wird auf den Nachweis der Tatsachen verzichtet, die das Entstehen und die Fälligkeit der Grundschuld und der Nebenleistung bedingen."

5Am erteilte der Notar R.      B.      der Gläubigerin eine mit einer einfachen Vollstreckungsklausel versehene vollstreckbare Ausfertigung der Grundschuldbestellungskunde vom .

6Am leitete die Gläubigerin wegen einer offenen Restforderung in Höhe von 62.000 € aus der vollstreckbaren Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde das Zwangsversteigerungsverfahren in den Grundbesitz des Schuldners ein.

7Das Amtsgericht hat die durch den Schuldner am eingelegte Klauselerinnerung mit Beschluss vom zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben.

8Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde beantragt der Schuldner, die Entscheidung des Beschwerdegerichts aufzuheben und die Zwangsvollstreckung aus der für die vollstreckbare notarielle Urkunde des Notars R.      B.       vom erteilten Vollstreckungsklausel vom6. April 2010 für unzulässig zu erklären.

II.

9Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

101. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in BKR 2020, 300 (mit zust. Anm. Freckmann) veröffentlicht ist, hat ausgeführt, dass der vom Schuldner in der notariellen Urkunde erklärte Verzicht auf den Nachweis des Entstehens und der Fälligkeit der Zahlungsverpflichtung zulässig gewesen sei. Dies entspreche der grundsätzlichen Trennung zwischen der materiellen Rechtslage und dem Prozessrechtsverhältnis. Auch habe das Risikobegrenzungsgesetz den Gestaltungsspielraum in der Zwangsvollstreckung nicht eingeschränkt, sondern nur die Rechtsstellung des Eigentümers speziell im Hinblick auf eine ungerechtfertigte Rechtsdurchsetzung verbessert.

11Zudem komme es auf die Zulässigkeit des Verzichts nicht an, da die Voraussetzungen der Klauselerteilung inzwischen vorlägen. Der maßgebliche Zeitpunkt zur Überprüfung der Voraussetzungen der Klauselerteilung sei der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung und nicht derjenige der Erteilung der Klausel. Die Kündigung der Grundschuld sei dem Schuldner am zugestellt worden. Dies sei durch die Postzustellungsurkunde nachgewiesen; demgegenüber genüge das pauschale Bestreiten der Zustellung durch den Schuldner nicht, um den erforderlichen Gegenbeweis zu erbringen. Die Zwangsvollstreckung sei dann später als sechs Monate nach Zustellung der Kündigung eingeleitet worden.

122. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

13Zu Recht hat Notar R.       B.      der Gläubigerin eine mit einer einfachen Vollstreckungsklausel gemäß § 724 Abs. 1 ZPO versehene vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde vom erteilt, § 797 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

14Im Verfahren der Klauselerinnerung gemäß § 732 ZPO kann ein Schuldner in begründeter Weise grundsätzlich nur Einwendungen gegen eine dem Gläubiger erteilte Vollstreckungsklausel erheben, die Fehler formeller Art zum Gegenstand haben (st. Rspr.; vgl. Rn. 12, NJW 2009, 1887; Beschluss vom - VII ZB 54/05, NJW-RR 2006, 567, juris Rn. 15; Beschluss vom - VII ZB 27/05, MDR 2005, 1432, juris Rn. 10). In diesem Rahmen ist unter anderem überprüfbar, ob ein Notar zu Recht eine einfache Vollstreckungsklausel gemäß § 724 ZPO erteilt hat oder ob es der Erteilung einer qualifizierten Vollstreckungsklausel, etwa gemäß § 726 ZPO, bedurft hätte (vgl. Rn. 14 f., NJW-RR 2012, 1146).

15a) Wie der Senat mit weiterem Beschluss vom heutigen Tage in dem Verfahren VII ZB 56/18 entschieden hat, handelt es sich bei dem Kündigungserfordernis des § 1193 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich um eine Vollstreckungsbedingung im Sinne des § 726 Abs. 1 ZPO, wenn sich der Schuldner in der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Der Notar ist daher grundsätzlich gehalten, eine qualifizierte Vollstreckungsklausel frühestens nach entsprechendem Nachweis der Kündigung der Grundschuld zu erteilen.

16Das Klauselerteilungsorgan ist verpflichtet, durch Auslegung des Titels zu ermitteln, ob dessen Vollstreckbarkeit seinem Inhalt nach vom Eintritt einer vom Gläubiger zu beweisenden Tatsache abhängt. Der Auslegung sind allerdings durch die Formalisierung des Klauselerteilungsverfahrens Grenzen gesetzt. Da der Vollstreckungstitel Inhalt und Umfang der Zwangsvollstreckung festlegt und der Schuldner staatlichen Zwang nur nach dieser Maßgabe zu dulden hat, muss eine im Klauselerteilungsverfahren zu berücksichtigende Abhängigkeit der Vollstreckbarkeit nach § 726 Abs. 1 ZPO durch den Titel selbst festgestellt sein und sich klar aus diesem ergeben. Bei der Auslegung kann nicht auf außerhalb des Titels liegende Umstände abgestellt werden. Im Grundsatz muss der Titel daher aus sich heraus für eine Auslegung genügend bestimmt sein oder jedenfalls sämtliche Kriterien für seine Bestimmbarkeit eindeutig festlegen (vgl. Rn. 22 ff. m.w.N., BGHZ 190, 172). Dabei können auch gesetzliche Regelungen Berücksichtigung finden, sofern sich deren Anwendbarkeit aus dem Titel zweifelsfrei ergibt. Nach diesen Maßstäben ist auch das Kündigungserfordernis des § 1193 Abs. 1 Satz 1 BGB zu beachten, wenn sich aus einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde, die aufgrund einer Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung einen Titel darstellt (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), nichts Abweichendes ergibt. Das materielle Kündigungserfordernis ist dann zugleich Vollstreckungsbedingung (vgl. Volmer, MittBayNot 2009, 1, 6 f.; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 17. Aufl., § 726 Rn. 3; MünchKommBGB/Lieder, 8. Aufl., § 1193 Rn. 5).

17b) Enthält die Grundschuldbestellungsurkunde außerdem die Erklärung, dass dem Gläubiger ohne Nachweis der das Bestehen und die Fälligkeit der Zahlungsverpflichtung begründenden Tatsachen eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde erteilt werden kann, hat das Klauselerteilungsorgan allerdings auf Antrag eine einfache Vollstreckungsklausel gemäß § 724 ZPO zu erteilen (vgl. Senatsbeschluss vom heutigen Tag in dem Verfahren VII ZB 56/18).

18Ob dieser Nachweisverzicht aus materiell-rechtlichen Erwägungen unwirksam ist, ist im Klauselerteilungsverfahren grundsätzlich nicht zu prüfen und kann deshalb vom Schuldner nicht mit Erfolg mit einer Klauselerinnerung (§ 732 ZPO) geltend gemacht werden. Der Prüfungsumfang im Klauselerinnerungsverfahren entspricht insoweit demjenigen im Klauselerteilungsverfahren, auf dessen Überprüfung es ausgerichtet ist. Was vom Klauselerteilungsorgan aufgrund des eingeschränkten Prüfungsprogramms im Klauselerteilungsverfahren nicht zu prüfen ist, kann im Erinnerungsverfahren nicht zur Überprüfung gestellt werden (vgl. MünchKommZPO/Wolfsteiner, 6. Aufl., § 732 Rn. 3; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 17. Aufl., § 732 Rn. 5; BeckOK ZPO/Ulrici, Stand: , § 732 Rn. 11).

19aa) Die Erklärung eines solchen Nachweisverzichts ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich zulässig (vgl. , NJW-RR 2006, 567, juris Rn. 18; Urteil vom - III ZR 179/79, NJW 1981, 2756, juris Rn. 13, vgl. ferner Volmer, MittBayNot 2009, 1, 8 m.w.N.), da sich der Verzicht nur auf das Klauselerteilungsverfahren bezieht und damit lediglich der Vereinfachung des Nachweises der Vollstreckungsvoraussetzungen dient ( Rn. 33, NJW 2008, 3208; Urteil vom - XI ZR 120/00, BGHZ 147, 203, juris Rn. 24). Eine materiell-rechtliche Wirkung geht mit dem Nachweisverzicht nicht einher, Einwendungen gegen den Anspruch selbst bleiben dem Schuldner erhalten. Der Verzicht auf den Nachweis führt dazu, dass das Klauselerteilungsorgan ohne Prüfung des Eintritts der betreffenden Tatsache eine einfache Vollstreckungsklausel zu erteilen hat. Die materielle Bedingung verliert hierdurch ihren Charakter als Vollstreckungsbedingung (vgl. Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde, 4. Aufl., Rn. 17.24 f., 17.45).

20bb) Der Notar hat den Nachweisverzicht - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - zutreffend als wirksam behandelt.

21(1) Vom Klauselerteilungsorgan zu beachtende gesetzliche Vorschriften, die eine Unwirksamkeit dieser rein prozessualen Erklärung eines Schuldners anordnen, bestehen nicht.

22(2) Ob der Nachweisverzicht bei Bestellung einer Sicherungsgrundschuld mit Unterwerfungserklärung aus materiell-rechtlichen Erwägungen - beispielsweise gemäß oder entsprechend § 134 BGB oder §§ 307 ff. BGB - unwirksam ist, ist im Klauselerteilungsverfahren aufgrund des in diesem Verfahren eingeschränkten Prüfungsmaßstabs grundsätzlich nicht zu prüfen. Weder der Notar noch der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle sind im Klauselerteilungsverfahren zu einer umfassenden materiell-rechtlichen Würdigung berufen (vgl. Rn. 14, NJW 2009, 1887; Zöller/Geimer, ZPO, 33. Aufl., § 797 Rn. 5 bis 7 m.w.N.). Daher können etwaige Auswirkungen des Sinns und des Zwecks des § 1193 Abs. 2 Satz 2 BGB auf vollstreckungsrechtliche Erklärungen nicht im Klauselerteilungsverfahren und dementsprechend nicht im Klauselerinnerungsverfahren berücksichtigt werden.

23(3) Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes ist auch nicht etwa deshalb geboten, weil die notarielle Vollstreckungsklausel die Anordnung der Zwangsversteigerung und die Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerks im Grundbuch unmittelbar bedinge. Der Schuldner ist nicht schutzlos gestellt. Ihm stehen, unabhängig vom Vollstreckungsverfahren, Möglichkeiten zur Verfügung, sich gegen eine Vollstreckungsklausel zur Wehr zu setzen, im Rahmen derer er materiell-rechtliche Einwendungen geltend machen kann.

24Zum einen kann der Schuldner im Falle der bevorstehenden Einleitung der Zwangsvollstreckung durch den Gläubiger, die eine vorherige Zustellung des Schuldtitels voraussetzt (§ 798 ZPO), bereits vor dem Beginn der Zwangsvollstreckung Vollstreckungsabwehrklage gemäß §§ 767, 797 Abs. 4 und 5 in Verbindung mit § 795 Satz 1 ZPO erheben und einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 769 ZPO beantragen (vgl. auch BT-Drucks. 16/9821, S. 18). Diese Klage hat Erfolg, wenn es an einer Kündigung oder dem Ablauf der Frist des § 1193 Abs. 1 Satz 3 BGB fehlt.

25Für den Schuldner besteht ab dem Zeitpunkt der Errichtung der notariellen Urkunde zum anderen die Möglichkeit, eine etwaige Unwirksamkeit seiner Unterwerfungserklärung nebst Nachweisverzicht im Wege einer prozessualen Gestaltungsklage analog § 767 ZPO geltend zu machen (vgl. , NJW 2002, 138, juris Rn. 13 ff.). Dies gilt in gleicher Weise, wenn er sich nur gegen die Wirksamkeit des Nachweisverzichts wenden will.

26c) Soweit das Beschwerdegericht mit weiterer, selbständig tragender Begründung darauf abgestellt hat, dass für die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der Klauselerteilung der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Klauselerinnerungsverfahren maßgeblich und zu diesem Zeitpunkt sowohl die Kündigung der Grundschuld nachgewiesen als auch die Wartefrist abgelaufen sei, kommt es hierauf - da bereits die erste Begründung des Beschwerdegerichts trägt - nicht entscheidungserheblich an und bedarf daher keiner Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

III.

27Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:071020BVIIZB2.20.0

Fundstelle(n):
UAAAH-69040