BBK Nr. 2 vom Seite 57

Und was hat's gebracht? Gedanken zur Umsatzsteuersenkung im 2. Halbjahr 2020

Bernd Rätke | VRiFG Berlin-Brandenburg, BBK-Herausgeber

Nach [i]Fuest/Neumeier/ Peichl, Hat die Mehrwertsteuersenkung den Konsum belebt?, ifo Schnelldienst Digital 2021, 2, Nr. 1einer Studie des IFO-Instituts hat die Senkung der Umsatzsteuersätze im 2. Halbjahr 2020 nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Das Institut errechnete einen relativen Anstieg des Binnenkonsums durch die Umsatzsteuersenkung von etwa 0,6 %. Die Studie beruht allerdings auf einer bloßen Umfrage bei Konsumenten.

Auch wenn die Grundlage dieser Studie somit auf eher wackligen Beinen zu stehen scheint, gibt sie Anlass zu einer ersten kritischen Einschätzung der Umsatzsteuersenkung. Hierzu will ich auf folgende Punkte hinweisen:

Die Umsetzung der Umsatzsteuersenkungen: [i]Gesetz und BMF-Schreiben wurden erst kurz vor dem Inkrafttreten verabschiedet bzw. veröffentlicht Bereits die Umsetzung der Umsatzsteuersenkungen war wenig professionell. Die Senkung sollte ab dem gelten, aber das Gesetz (§ 28 Abs. 1 bis 3 UStG) wurde erst am verabschiedet, also zwei Tage zuvor. Das BMF-Schreiben zur Senkung der Steuersätze erschien gar am , also nicht einmal 24 Stunden vor dem Inkrafttreten der Neuregelung. Dass das BMF-Schreiben ganze 53 Textziffern umfasste und das spätere immerhin noch aus 22 Textziffern bestand, machte die Umsetzung und Befolgung des Gesetzes nicht einfacher.

Ungeachtet der Schwierigkeit, kurzfristig die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zu bekämpfen, war es für die Unternehmen beinahe eine Zumutung, die Senkung der Umsatzsteuer zeitnah umzusetzen. Dabei schien dem Gesetzgeber die Komplexität moderner Kassensysteme und Buchhaltungsprogramme nicht bewusst zu sein; und überraschend war auch, dass nicht alle Experten für die Umstellung von Registrierkassen Gewehr bei Fuß standen und mit Sonderangeboten warben, um die Umstellung zum zu gewährleisten.

Wer die Umstellung der Steuersätze geschafft hat, musste schließlich noch die Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen mit dem Feld „zu anderen Steuersätzen“ meistern und die einzelnen Umsätze dem jeweiligen Steuersatz zuordnen.

Die Befristung: [i]Befristung auf ein halbes Jahr nicht sinnvollBefristete Regelungen sind nicht per se schlecht. Wenn aber ein erheblicher Umstellungsaufwand erforderlich wird und damit Geld und Zeit verloren gehen, ist eine Regelung, die nur für ein halbes Jahr gilt, nicht sinnvoll, sondern kontraproduktiv.

Die Gastwirte: [i]Bittere Pille für GastwirteEine besonders bittere Pille hatten die Gastwirte zu schlucken. Denn ihnen wurde bereits schon mit dem ersten Corona-Steuerhilfegesetz ein niedrigerer Umsatzsteuersatz gewährt, dieser aber immerhin für ein ganzes Jahr. Das Ergebnis: Gastwirte sind im Zeitraum vom bis im Wesentlichen mit der Umstellung der Steuersätze beschäftigt und nicht mit der Zubereitung von Gerichten. S. 58Dies ist umso bitterer, als die meisten Gastwirte erhebliche Investitionen in die Umsetzung von Hygienekonzepten getätigt hatten.

Das Ziel: [i]Wer sollte eigentlich von der Senkung profitieren? Der Gesetzgeber beabsichtigte, „dem Konsum einen kräftigen Impuls zu geben“. Weiter hieß es (BT-Drucks. 19/20058 S. 27): „Das kommt besonders Beziehern von kleineren Einkommen zugute, die einen größeren Anteil ihres Einkommens für den Konsum ausgeben.“ Damit war von Anfang an unklar, wem die Umsatzsteuersenkung zugute kommen soll: den Unternehmern oder den Konsumenten? Scheinbar erwartete der Gesetzgeber, dass die Menschen mehr Geld ausgeben würden, wenn die Umsatzsteuer sinken würde – eine Erwartung, die bei den genannten Beziehern kleinerer Einkommen allerdings mehr als mutig erscheint und die angesichts der späteren Schließung von Geschäften spektakulär gescheitert ist. Völlig unklar war zudem, ob die Unternehmer die Senkung an die Konsumenten weitergeben würden – mit der Folge, dass die Unternehmer von der Senkung zunächst einmal gar nichts gehabt hätten außer einem erhöhten Aufwand für die Umstellung.

Die Auswertung: [i]Auswertung wird nicht gelingenBei einer steuerlichen Hilfsmaßnahme sollte eine anschließende Auswertung möglich sein, um den Erfolg der Maßnahme prüfen zu können. Dies wird bei der Umsatzsteuersenkung kaum gelingen; denn es gab zu viele gewichtige Faktoren, die das Konsumverhalten seit dem beeinflussten: Hierzu gehören Einkommensverluste der Konsumenten infolge von Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit, die Schließung von Einzelhandelsgeschäften und Gaststätten bzw. der erschwerte Zugang zu diesen infolge von Zugangsbeschränkungen sowie die Sorge um eine Verlängerung der Corona-Maßnahmen.

Auch [i]Umsatzsteuersenkung war kein Erfolg wenn wir die endgültigen Zahlen, etwa des Einzelhandels, noch nicht kennen, lässt sich schon jetzt sagen, dass die Umsatzsteuersenkung angesichts des erheblichen Aufwands und der Komplexität kein Erfolgsrezept für die Bekämpfung der Folgen der Corona-Krise gewesen ist. In der BBK haben wir die Umsatzsteuersenkungen ausführlich dargestellt und mit Beispielen erläutert. Wir haben dies – ungeachtet der Kritik an der Senkung der Steuersätze – gern gemacht, wären aber nicht traurig, wenn weitere kurzfristige Senkungen bis auf weiteres nicht beschlossen würden.

Bleiben Sie gesund!

Ihr Bernd Rätke

Bernd Rätke

Fundstelle(n):
BBK 2021 Seite 57 - 58
NWB LAAAH-68460