Einkommensteuer | Erste Tätigkeitsstätte eines Postzustellers (BFH)
Der Zustellpunkt (Zustellzentrum), dem ein Postzusteller zugeordnet ist und an dem er arbeitstäglich vor- und nachbereitende Tätigkeiten (z.B. Sortiertätigkeiten, Abschreibpost, Abrechnungen) ausübt, ist erste Tätigkeitsstätte (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Der durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom (BGBl I 2013, 285) neu eingeführte und in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG definierte Begriff der "ersten Tätigkeitsstätte" tritt an die Stelle des bisherigen unbestimmten Rechtsbegriffs der "regelmäßigen Arbeitsstätte".
Sachverhalt: Streitig ist, ob bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Mehraufwendungen für Verpflegung als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als verbeamteter Postzusteller (zum BFH-Verfahren eines angestellten Postzustellers: BFH-Az. VI R 12/19; Vorinstanz: ). Der Kläger führte aus, dass der Zustellbezirk als weiträumiges Tätigkeitsgebiet und nicht als erste Tätigkeitsstätte anzusehen sei.
Der BFH wies die Revision des Klägers zurück:
Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zugeordnet, kommt es aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für die erste Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage nicht mehr an.
Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören ( und ).
Von einer dauerhaften Zuordnung ist ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll. Entgegen der Ansicht des Klägers ist er dem Zustellpunkt R dauerhaft zugeordnet.
Schließlich ist der Kläger am Zustellpunkt auch in dem erforderlichen Umfang tätig geworden. Als Postzusteller hatte er nach den bindenden Feststellungen des FG im Zustellpunkt arbeitstäglich Tätigkeiten auszuführen, die ebenso zum Berufsbild eines Postzustellers gehören wie das Zustellen der Briefe an die Kunden der Deutschen Post im Zustellbezirk. Das FG hat zutreffend darauf abgestellt, dass diese Tätigkeiten im Zustellpunkt als ortsfester betrieblicher Einrichtung Teil der Berufstätigkeit eines Postzustellers sind.
Die Einführung des neuen steuerlichen Reisekostenrechts zum hat einen Paradigmenwechsel bewirkt. Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zu¬geordnet, kommt es aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für die erste Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage nicht mehr an. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören. Dies hat der Lohnsteuersenat bereits mit , BStBl II 2019, 536 betreffend einen Polizeibeamten im Einsatz- und Streifendienst sowie mit , BStBl II 2019, 546 betreffend eine Flugzeugführerin entschieden. Die Abkehr des Gesetzgebers von der „alten Schwerpunktrechtsprechung“ (z.B. ) hat der BFH in der Besprechungsentscheidung (Postzusteller) und der ebenfalls zur amtlichen Veröffentlichung bestimmten Entscheidung VI R 11/19 (Rettungssanitäter; veröffentlicht am s. hierzu NWB Online-Nachricht v. 7.1.2021) für weitere Berufsgruppen verdeutlicht.
Gleichwohl sind weitere Verfahren von Steuerpflichtigen, die sich durch das neue steuerliche Reisekostenrecht schlechter gestellt sehen, anhängig (z.B. VI R 25/19, Müllwerker; VI R 9/19, Mitarbeiter im allgemeinen Ordnungsdienst und VI R 35/18, Gerichtsvollzieher). Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die Frage, ob der schwerpunktmäßig im Außendienst tätige Steuerpflichtige auch in einem hinreichenden Maß „inside“ tätig ist und deshalb keine auswärtige berufliche Tätigkeit i.S. des § 9 Abs. 4a EStG ausübt, letztlich - wertend - anhand des konkreten Einzelfalls zu beantworten ist.
Quelle: ; NWB Datenbank (JT)
Fundstelle(n):
BAAAH-68083