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NWB Nr. 52 vom Seite 3895

Bilanzierung und Bewertung von Vorratsvermögen

Handels- und steuerrechtliche Grundsätze

Dr. Ruth-Caroline Zimmermann und Alexander Wrede

[i]Willeke, Vorratsvermögen (HGB, EStG, IAS/IFRS), infoCenter, NWB LAAAB-14463 Die gesetzlichen Vertreter von Unternehmen sind gem. § 240 HGB dazu verpflichtet, jährlich eine Inventur des Vorratsvermögens durchzuführen, da diese eine der Grundlagen für die Erstellung des Jahresabschlusses bildet. Sie dient in Form der Stichtagsinventur unmittelbar der Aufstellung des Inventars. Wird stattdessen die permanente Inventur zur Feststellung der Verlässlichkeit der Lagerbuchführung gewählt, wird hieraus das Inventar abgeleitet. Das durch die Inventur aufgenommene Vorratsvermögen wird am Bilanzstichtag mit den (fortgeführten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten bewertet. In dem nachfolgenden Beitrag werden Inventurvereinfachungsverfahren sowie die Bilanzierung und Bewertung des Vorratsvermögens – mit Beispielen – praxisorientiert dargestellt. Große Bedeutung hat neben der Bestandsaufnahme auch die Bewertung des Vorratsvermögens am Bilanzstichtag. Während handelsrechtlich nach dem strengen Niederstwertprinzip zwingend eine Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert am Stichtag zu erfolgen hat, ist steuerrechtlich eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert nur bei einer voraussichtlich dauerhaften Wertminderung möglich. In der Praxis werden unter anderem Reichweiten-/Gängigkeitsabschläge zur Darstellung von Wertminderungen am Bilanzstichtag herangezogen. Wie die Ermittlung der Stichtagswerte erfolgen kann, wird in nachstehendem Beitrag ebenfalls erläutert. S. 3896

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Grundlagen zur Bilanzierung von Vorratsvermögen

1. Definition Vorratsvermögen

[i]Umlaufvermögen in Abgrenzung zum AnlagevermögenDas Vorratsvermögen ist Teil des Umlaufvermögens. Das Vorratsvermögen umfasst Wirtschaftsgüter, die zum Verbrauch, zur Weiterverarbeitung oder zum Verkauf bestimmt sind. In Abgrenzung zum Anlagevermögen fallen unter das Vorratsvermögen Wirtschaftsgüter, die nicht dazu bestimmt sind, dauernd dem Betrieb zu dienen (§ 247 Abs. 2 HBG Umkehrschluss; R 6.1 Abs. 1 Satz 1 EStR Umkehrschluss, R 6.1 Abs. 2 EStR). Für das Vorratsvermögen besteht nicht das Verbot der Aktivierung selbstgeschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nach § 5 Abs. 2 EStG (vgl. auch Zimmermann/Dorn/Bieschewski, NWB 42/2020 S. 3098, 3104 f.). Zudem werden Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens nicht nach § 7 EStG planmäßig abgeschrieben, wie es für das Anlagevermögen der Fall ist.

Nach § 266 Abs. 2 HGB untergliedert sich die Bilanzposition der Vorräte in folgende Posten:

  • Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe,

  • unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen,

  • fertige Erzeugnisse und Waren,

  • geleistete Anzahlungen.

[i]Zimmermann/Dorn, NWB 33/2020 S. 2462Für steuerliche Zwecke wird über die Maßgeblichkeit auf die handelsrechtliche Definition der Vorräte zurückgegriffen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). Steuerrechtlich zählt das Vorratsvermögen zu den (positiven) Wirtschaftsgütern (zur Definition von Vermögensgegenständen/Wirtschaftsgütern vgl. Zimmermann/Dorn, NWB 33/2020 S. 2462, 2466 f.).

a) Definition der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe

Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe gehen bei der Produktion in die hergestellten Vermögensgegenstände/Wirtschaftsgüter ein. Dabei stellen Rohstoffe einen Hauptbestandteil dar, während Hilfsstoffe von untergeordneter Bedeutung sind. Betriebsstoffe werden bei der Produktion verbraucht (vgl. Hick in Prinz/Kanzler [Hrsg.], Handbuch Bilanzsteuerrecht, 3. Aufl. 2018, NWB NAAAG-89810, Rz. 4234).

Beispiel 1:

Ein Unternehmen produziert Fruchtsäfte. Die im Unternehmen eintreffenden Früchte sind für den weiteren Produktionsprozess bestimmt. Es handelt sich bei den Früchten um Rohstoffe und bei dem auf Lager befindlichen Verpackungsmaterial um Hilfsstoffe.

b) Definition der unfertigen Erzeugnisse und Leistungen, der fertigen Erzeugnisse und Waren sowie der geleisteten Anzahlungen

[i]DefinitionUnter unfertigen Erzeugnissen werden im Unternehmen hergestellte Vermögensgegenstände/Wirtschaftsgüter erfasst, bei denen der Herstellungsprozess begonnen wurde, die Verkaufsfähigkeit aber noch nicht gegeben ist (vgl. Hick in Prinz/Kanzler [Hrsg.], Handbuch Bilanzsteuerrecht, 3. Aufl. 2018, NWB NAAAG-89810, Rz. 4235). Fertige Erzeugnisse sind dagegen vollständig produziert. Unfertige Leistungen stellen (Dienst-)Leistungen dar (z. B. noch nicht beendete Reparaturen, Errichtungen von Gebäuden auf fremden Grundstücken oder Steuerberatungsleistungen). Waren werden selbst angeschafft und sind Vermögensgegenstände/Wirtschaftsgüter, die ohne nennenswerte Weiterverarbeitung weiterveräußert werden. Unter geleisteten Anzahlungen werden hier nur solche bilanziert, die sich auf das Vorratsvermögen beziehen. S. 3897

2. Abgrenzungsschwierigkeiten

Diese eindeutig erscheinende Abgrenzung der einzelnen Arten des Vorratsvermögens erweist sich in der Praxis oftmals als schwierig. Rohstoffe können bspw. in die Produktion eingehen oder wie Waren verkauft werden (vgl. Hick in Prinz/Kanzler [Hrsg.], Handbuch Bilanzsteuerrecht, 3. Aufl. 2018, NWB NAAAG-89810, Rz. 4233). Bei der Inventur ist dies häufig noch nicht absehbar. Es ist daher zulässig, diese Bestände in einem Posten zu erfassen. Eine entsprechende Anhangangabe ist in jedem Fall zu ergänzen (vgl. Schubert/Waubke in Grottel u. a. [Hrsg.], Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 266 HGB Rz. 98).

II. Inventur

[i]Schmidt, Inventur und Inventar (HGB, EStG), infoCenter, NWB BAAAB-73651 Nach § 240 Abs. 1 und 2 HGB hat ein Kaufmann zu Beginn seiner Tätigkeit und zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres durch eine körperliche Bestandsaufnahme (Inventur) sein Inventar aufzustellen. Nach H 5.3 Inventur EStH umfasst das Inventar die einzelnen Vermögensgegenstände nach Art, Menge und unter Angabe des Werts. Ist ein beweglicher Vermögensgegenstand oder ein Wirtschaftsgut bereits abgeschrieben, ist dieser/dieses dennoch Teil des Bestandsverzeichnisses (R 5.4 Abs. 1 Satz 2 EStR). Im Anschluss an die Inventur werden die Vermögensgegenstände/Wirtschaftsgüter bewertet und finden Eingang in die Bilanz als Teil des Jahresabschlusses. Ist die Inventur nicht ordnungsgemäß durchgeführt oder fehlerhaft, ist die gesamte Buchführung nicht ordnungsgemäß und kann verworfen werden (R 5.3 Abs. 4 EStR).

1. Stichtagsinventur

[i]Frist von zehn TagenDie jährliche Inventur muss grds. am Tag des Geschäftsjahresendes erfolgen (§ 240 Abs. 2 HGB). Die Inventur kann auch zehn Tage vor bzw. nach dem Geschäftsjahresende stattfinden, wenn die Veränderung des Bestands zwischen der Inventur und dem Bilanzstichtag aufgezeichnet wird (R 5.3 Abs. 1 EStR).

2. Permanente Inventur

[i]Übernahme der Bestände aus der LagerbuchführungEin Unternehmen kann auch eine permanente Inventur durchführen. Die Besonderheit der permanenten Inventur liegt darin, dass die Bestände zum Bilanzstichtag allein aus der Lagerbuchführung übernommen werden. Voraussetzung hierfür ist daher ein leistungsfähiges Warenwirtschaftssystem, das sämtliche Zu- und Abgänge lückenlos dokumentiert. Gerade bei Fertigungsunternehmen ist es erforderlich, die Produktionsabläufe vollständig im System zu hinterlegen, um eine zutreffende Bestandsfortschreibung zu ermöglichen. Eine körperliche Bestandsaufnahme ist auch bei einer permanenten Inventur durchzuführen (Störk/Philipps in Grottel u. a. [Hrsg.], Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 241 HGB Rz. 32). Sie dient aber vielmehr einer Systemkontrolle und muss nicht zwingend am Bilanzstichtag stattfinden. Es reicht aus, wenn ein Abgleich der Soll-Bestände laut Lagerbuchführung mit den aufgenommenen Ist-Beständen zwischen den Bilanzstichtagen für jeden Artikel mindestens einmal vorgenommen wird. Zur permanenten Inventur als GoB-konformes Verfahren vgl. auch R 5.3 Abs. 2 EStR, H 5.3 Permanente Inventur EStH sowie § 241 Abs. 2 HGB.

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