Bewertung | Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines Grundstücks (BFH)
Bodenrichtwerte sind für die Bestimmung des Bodenwerts geeignet, wenn sie für eine Bodenrichtwertzone ermittelt sind, in der das Grundstück liegt. Sind für ein Anliegergrundstück ein Straßen- und ein Platzwert anwendbar, ist im Rahmen einer Einzelbewertung zu entscheiden, in welchem Umfang das Grundstück jeweils dem Straßen- und dem Platzwert zuzuordnen ist. Die zeitliche Anwendbarkeit der WertV und der ImmowertV richtet sich danach, ob sie am Bewertungsstichtag in Kraft waren. Der Zeitpunkt der Gutachtenerstellung ist für die Anwendung der Verordnungen nicht von Bedeutung (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens sind nach § 157 Abs. 3 Satz 1 BewG die Grundbesitzwerte unter Anwendung der §§ 176 bis 198 BewG zu ermitteln. Mietwohngrundstücke i. S. des § 181 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 BewG werden nach § 182 Abs. 3 Nr. 1 BewG im Ertragswertverfahren (§§ 184 bis 188 BewG) bewertet. Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 BewG ermittelte Wert, so ist dieser Wert anzusetzen (§ 198 Satz 1 BewG).
Sachverhalt: Der Kläger ist Alleinerbe des im Jahr 2009 verstorbenen Erblassers. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einem 1/3-Miteigentumsanteil an dem Grundstück S-Straße in D. Das Grundstück ist nach den Feststellungen des FG mit einem Altbau bebaut.
Die Beteiligten streiten im Rahmen der Bedarfsbewertung für die Erbschaftsteuer um die Plausibilität eines vom Kläger beigebrachten Verkehrswertgutachtens. Das FA war der Auffassung, das Gutachten sei unplausibel und der Nachweis daher nicht gelungen. Der Gutachter hatte in seinem Gutachten den Bodenrichtwert einer anderen Bodenrichtwertzone herangezogen, weil das zu bewertende Grundstück nicht den Grundstücken der für dieses Grundstück geltenden Bodenrichtwertzone entsprach.
Die Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen ().
Der BFH hat die Revision als begründet angesehen, das FG Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen:
Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts gelten grundsätzlich die aufgrund des § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften (§ 198 Satz 2 BewG). Der Steuerpflichtige trägt insoweit die Nachweislast (vgl. , Rz 11, m.w.N.).
Ein Sachverständigengutachten ist regelmäßig zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines Grundstücks geeignet, wenn es unter Beachtung der maßgebenden Vorschriften ordnungsgemäß erstellt wurde. Zur Ordnungsmäßigkeit des Gutachtens gehören sowohl dessen methodische Qualität als auch eine zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen.
Die Anforderungen an die methodische Qualität des Wertgutachtens ergeben sich im Wesentlichen aus den §§ 194 ff. BauGB. Daneben sind die Wertermittlungsverordnung (WertV) i. V. mit den Wertermittlungsrichtlinien i. d. F. der Bekanntmachung vom und die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV), die die WertV ab dem abgelöst hat, zu beachten. Die zeitliche Anwendbarkeit der auf § 199 Abs. 1 BauGB beruhenden Rechtsverordnungen richtet sich danach, ob sie am Bewertungsstichtag in Kraft waren. Die WertV war bis zum in Kraft und wurde am durch die ImmoWertV abgelöst. Deshalb sind für Bewertungsstichtage bis die Vorschriften der WertV und für Bewertungsstichtage ab die Vorschriften der ImmoWertV anwendbar. Der Zeitpunkt der Gutachtenerstellung ist für die zeitliche Anwendung der WertV und der ImmoWertV nicht von Bedeutung.
Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat angenommen, dass sich die zeitliche Anwendbarkeit der ImmoWertV nach dem Zeitpunkt der Gutachtenerstellung richte und deshalb im Streitfall aufgrund der Erstellung des im FG-Verfahren eingereichten Gutachtens im Jahr 2017 für die Bewertung des Grundstücks auf den Bewertungsstichtag die Vorschriften der ImmoWertV anzuwenden, jedoch nicht beachtet worden seien. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben.
Für den zweiten Rechtsgang wird aus Gründen der Prozessökonomie auf Folgendes hingewiesen: Werden für die Ermittlung des Bodenwerts des Grundstücks im Gutachten mehrere durch den örtlichen Gutachterausschuss veröffentlichte Bodenrichtwerte herangezogen, ist von diesen für das Grundstück ermittelten Bodenrichtwerten auszugehen.
Bodenrichtwerte sind geeignet, wenn sie entsprechend den örtlichen Verhältnissen unter Berücksichtigung von Lage und Entwicklungszustand gegliedert und nach Art und Maß der baulichen Nutzung, Erschließungszustand und jeweils vorherrschender Grundstücksgestalt hinreichend bestimmt sind (§ 13 Abs. 2 WertV). Bodenrichtwerte sind überdies geeignet, wenn sie für eine Bodenrichtwertzone ermittelt sind, in der das Grundstück liegt.
Im Streitfall sind grundsätzlich zwei Bodenrichtwerte für die Ableitung des Bodenwerts geeignet. In welchem Umfang das Anliegergrundstück jeweils dem Straßen- oder Platzwert zuzuordnen ist, ist im Rahmen einer Einzelbewertung (vgl. § 194 BauGB) zu entscheiden.
Quelle: ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
RAAAH-66209