Online-Nachricht - Mittwoch, 09.12.2020

Dieselgate | Kein Schadensersatz bei Kauf eines Gebrauchtwagens nach Aufdeckung des Dieselskandals (BGH)

Der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen gebrauchten Audi hat keinen Schadensersatzanspruch gegen VW, wenn er das Fahrzeug nach Bekanntwerden des sog. Dieselskandals gekauft hat ().

Sachverhalt: Der Kläger erwarb im Mai 2016 einen gebrauchten Audi Q5 2.0 TDI zu einem Kaufpreis von 32.600 €, der mit einem manipulierten Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet ist.

Vor Erwerb des Fahrzeugs, am , hatte die Volkswagen-AG in einer Ad-hoc-Mitteilung die Öffentlichkeit über Unregelmäßigkeiten der Software bei Dieselmotoren vom Typ EA189, die auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Konzerns vorhanden sei, informiert und mitgeteilt, dass sie daran arbeite, die Abweichungen zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb mit technischen Maßnahmen zu beseitigen, und dass sie hierzu mit dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Kontakt stehe. Das KBA wertete die Programmierung als unzulässige Abschalteinrichtung und verpflichtete VW, die Vorschriftsmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge durch geeignete Maßnahmen wiederherzustellen. Das daraufhin von VW entwickelte Software-Update wurde im Januar 2017 bei dem Fahrzeug des Klägers aufgespielt.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises abzüglich gezogener Nutzungen nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Der BGH wies die Klage – anders als die Vorinstanz – ab:

  • Wie der Senat bereits mit Urteil vom - VI ZR 5/20, Rn. 30 ff. entschieden hat, ist für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln und das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen.

  • Dies wird insbesondere dann bedeutsam, wenn die erste potenziell schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich auseinanderfallen und der Schädiger sein Verhalten zwischenzeitlich nach außen erkennbar geändert hat.

  • Durch die vom Berufungsgericht festgestellte Verhaltensänderung der Beklagten wurden wesentliche Elemente, die das Unwerturteil ihres bisherigen Verhaltens gegenüber bisherigen Käufern begründeten (vgl. hierzu Senatsurteil vom - VI ZR 252/19, Rn. 16 ff.), derart relativiert, dass der Vorwurf der Sittenwidrigkeit bezogen auf ihr Gesamtverhalten gerade gegenüber dem Kläger nicht mehr gerechtfertigt ist.

  • Dies gilt auch, obwohl Kläger im Streitfall ein Fahrzeug der Marke Audi und nicht der Marke Volkswagen erworben hat. Die Beklagte hat ihre Verhaltensänderung nicht auf ihre Kernmarke Volkswagen beschränkt, sondern im Gegenteil bereits in ihrer Ad-hoc-Mitteilung vom darauf hingewiesen, dass die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns vorhanden und dass der Motor vom Typ EA189 auffällig sei, ohne diesbezüglich eine Einschränkung auf eine bestimmte Marke des Konzerns vorzunehmen.

  • Mit diesem Schritt an die Öffentlichkeit und der damit verbundenen Mitteilung, mit den zuständigen Behörden und dem KBA bereits in Kontakt zu stehen, hat die VW-AG ihre strategische unternehmerische Entscheidung, das KBA und letztlich die Fahrzeugkäufer zu täuschen, auch bezüglich der weiteren Konzernmarken ersetzt durch die Strategie, Unregelmäßigkeiten einzuräumen und in Zusammenarbeit mit dem KBA Maßnahmen zur Beseitigung des gesetzwidrigen Zustands zu erarbeiten.

  • Damit war das Verhalten von VW generell, d.h. hinsichtlich aller Konzernmarken, nicht mehr darauf angelegt, das KBA und arglose Erwerber zu täuschen.

  • Dass der Kläger im Rahmen des Verkaufsgesprächs eine im Hinblick auf die Verwendung des VW-Motors EA189 und die zugehörige Abgasproblematik unzutreffende Auskunft ("Wir sind Audi und nicht VW") erhalten haben mag, könnte unter Umständen eine eigenständige Haftung des Autohauses begründen, ist aber nicht der Beklagten zuzurechnen.

Quelle: BGH, Pressemitteilung v. (il)

Fundstelle(n):
NWB XAAAH-66126