Einkommensteuer | Erste Tätigkeitsstätte bei Auslands(praxis)semestern (BFH)
Studierende können Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen eines Auslandsemesters als vorab entstandene Werbungskosten geltend machen (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Die Klägerin nahm nach einer abgeschlossenen Ausbildung ein Studium an einer inländischen Hochschule auf. Die Studienordnung der Hochschule schreibt für den Studiengang vor, dass die/der Studierende das Studium für zwei Semester an einer ausländischen Partneruniversität zu absolvieren hat. Während des Auslandsstudiums bleibt die/der Studierende an der inländischen Hochschule eingeschrieben. Die Klägerin beantragte für die Zeit des Auslandsstudiums die Anerkennung der dadurch bedingten zusätzlichen Unterkunftskosten sowie der Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten.
Das Finanzamt lehnte dies ab, da die Auslandsuniversität die erste Tätigkeitsstätte der Klägerin sei und daher die Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung - vergleichbar einem Arbeitsnehmer - nur im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten angesetzt werden könnten. Eine solche liege aber unstreitig nicht vor. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg (,F).
Die Richter des BFH dagegen gaben der Klage statt:
Sieht die Studienordnung einer Universität vor, dass Studierende einen Teil des Studiums an einer anderen (weiteren) Hochschule (hier Auslandssemester) absolvieren können bzw. müssen, wird an der anderen Hochschule keine weitere erste Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG begründet.
Studierende können daher Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen, die durch den Besuch der anderen Hochschule veranlasst sind, nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5a und Abs. 4a EStG als vorab entstandene Werbungskosten geltend machen.
Entsprechendes gilt in der Regel auch für Studierende, die im Rahmen ihres Studiums ein Praxissemester oder Praktikum ableisten können bzw. müssen und dabei ein Dienstverhältnis begründen.
Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:
Von Bedeutung ist die Besprechungsentscheidung vorrangig für Steuerpflichtige, die eine Zweitausbildung absolvieren. Denn nach § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG sind (rückwirkend ab dem VZ 2004) Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium nur dann Werbungskosten, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat oder wenn die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.
Eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium i.S. des § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG, das eine Erstausbildung vermittelt, liegt vor, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von 12 Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird (§ 9 Abs. 6 Satz 2 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG). Abgeschlossen ist die Ausbildung mit dem Bestehen der Prüfung (). Danach liegt eine, den Werbungskostenabzug eröffnenden, Zweitausbildung beispielsweise vor, wenn im Anschluss an eine Berufsausbildung i.S. § 9 Abs. 6 Satz 2 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG oder einen Bachelorstudiengang ein weiteres Bachelor-oder ein Masterstudium aufgenommen werden.
Hinweis: Die (engere) Auslegung der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendeten Tatbestandsmerkmale "erstmalige Berufsausbildung" und "Erststudium" im Kindergeldrecht betreffend die Abgrenzung zwischen einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung und einer Zweitausbildung (s. dazu z.B. , BStBl II 2019, 765 und v. ) ist für die Auslegung des im Streitfall maßgeblichen § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG nicht von Bedeutung ().
Fallen die Berufsausbildungskosten im Rahmen einer ersten erste Ausbildung (Berufsausbildung oder Studium außerhalb eines Dienstverhältnisses) an, sind sie lediglich im Rahmen des Sonderausgabenabzugs (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG) zu berücksichtigen und wirken sich daher steuerlich nur aus, wenn die/der Studierende während der Erstausbildung über steuerpflichtige Einkünfte verfügt.
Quelle: BFH, Urteil v. - VI R 3/18; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
LAAAH-65599