BGH Beschluss v. - 4 StR 67/20

Revision im Jugendstrafverfahren: Erfordernis der Angabe des Rechtsmittelziels

Gesetze: § 55 Abs 1 JGG, § 344 Abs 1 StPO, § 349 Abs 1 StPO

Instanzenzug: Az: 4 StR 67/20 Beschlussvorgehend LG Bochum Az: 8 KLs 1/19nachgehend Az: 4 StR 67/20 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Vergewaltigung in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen schuldig gesprochen und gegen ihn einen Dauerarrest von einer Woche verhängt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte ohne weitere Ausführungen „die Verletzung formellen und materiellen Rechts“. Das Rechtsmittel ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO).

21. Das schriftliche Urteil wurde wirksam zugestellt und die Revisionsbegründungsfrist mit dieser Zustellung in Gang gesetzt.

3Bedenken gegen eine wirksame Zustellung bestehen nicht deshalb, weil die Urteilsformel in der zugestellten Urteilsurkunde gänzlich fehlte (, BGHR StPO § 345 Abs. 1 Fristbeginn 7; vom - 2 StR 306/07, StraFo 2007, 502). Die Urteilsformel ist nach § 268 Abs. 2 Satz 1 StPO bei der Verkündung zu verlesen und nach § 273 Abs. 1 StPO in die Sitzungsschrift aufzunehmen. Die maßgebliche Information über den Inhalt der Urteilsformel ergibt sich aus der protokollierten Verkündung (§§ 268 Abs. 2 Satz 1, 273 Abs. 1, 274 StPO; vgl. , BGHSt 8, 41; Urteil vom - 5 StR 325/98, BGHR StPO § 345 Abs. 1 Fristbeginn 7). Die fehlende Wiedergabe der Urteilsformel in der Urteilsurkunde beruht deshalb ersichtlich auf einem offensichtlichen Versehen, das sowohl für die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägervertreterin als auch die Angeklagten und ihre Verteidiger, die sämtlich bei der Urteilsverkündung zugegen waren, offenkundig war. Damit war der zulässig. Seiner Zustellung bedurfte es im vorliegenden Fall zur Ingangsetzung der Revisionsbegründungsfrist nicht (, StraFo 2007, 502).

42. Zu dem Rechtsmittel des Angeklagten U.    hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift ausgeführt:

„...Die Revision ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO), weil sich der Revisionsbegründung entgegen § 344 Abs. 1 StPO kein nach § 55 Abs. 1 JGG zulässiges Rechtsmittelziel entnehmen lässt. Werden im angefochtenen Urteil - wie hier - lediglich Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel angeordnet, stellt es gemäß § 55 Abs. 1 JGG ein unzulässiges Ziel der Anfechtung dar, wenn nur die Auswahl der Maßnahmen angefochten wird, die Anordnung anderer oder weiterer Erziehungsmaßnahmen oder Zuchtmittel erreicht werden soll oder das Rechtsmittel sich gegen den Umfang der angeordneten Maßnahmen wendet, wobei es auch einen unzulässigen Angriff gegen den Umfang der Maßnahmen bedeutet, wenn mit dem Rechtsmittel nicht nur ein geringeres Ausmaß, sondern ein gänzliches Absehen davon erreicht werden soll. Wegen dieser sachlichen Beschränkung der Anfechtungsmöglichkeit, nach der die Anfechtung nur darauf gestützt werden kann, dass die Schuldfrage rechtlich oder tatsächlich falsch beantwortet oder die Sanktion selbst rechtswidrig ist, muss das Anfechtungsziel so eindeutig mitgeteilt werden, dass die Verfolgung eines unzulässigen Ziels sicher ausgeschlossen werden kann (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 278/13, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 6; vom - 3 StR 323/13 [insow. in NStZ-RR 2014, 11 nicht abgedr.] und vom - 5 StR 407/17; Meyer-Goßner/Schmitt StPO, 62. Aufl., § 344 Rn. 3a).

Die nicht ausgeführte Sachrüge genügt diesen Anforderungen nicht; schon einen Aufhebungsantrag hat der Beschwerdeführer nicht gestellt. Seiner Revision lässt sich nicht mit der gebotenen Sicherheit entnehmen, dass nach seiner Ansicht allein die Schuldfrage rechtlich oder tatsächlich falsch vom Landgericht beantwortet oder die Sanktion selbst rechtswidrig sein soll. Auch die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und sowohl als solche unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) als auch unbehelflich, um Aufschluss über das Angriffsziel des Rechtsmittels zu geben...“

5Dem schließt sich der Senat an.

63. Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 JGG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:210420B4STR67.20.0

Fundstelle(n):
YAAAH-65521