BSG Beschluss v. - B 13 R 180/19 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - gerügte Verletzung der Amtsermittlungspflicht ohne Benennung eines konkreten Beweisantrags

Gesetze: § 62 SGG, § 103 SGG, § 128 Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 103 Abs 1 GG

Instanzenzug: SG Würzburg Az: S 6 R 454/15 Urteilvorgehend Bayerisches Landessozialgericht Az: L 19 R 459/16 Urteil

Gründe

1I. Mit Urteil vom hat das Bayerische LSG einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung verneint.

2Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin, die bereits eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bezieht, Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich allein auf verschiedene Verfahrensmängel (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

3II. Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

4In der Beschwerdebegründung der Klägerin vom wird keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgezählten Zulassungsgründe ausdrücklich geltend gemacht. Nur sinngemäß beruft sich die Klägerin auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. So stellt die Klägerin zunächst den Inhalt der Entscheidungsgründe des LSG dar und vertritt sodann die Auffassung, dass die Beweiswürdigung des LSG fehlerhaft sei. Dieses habe sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen nicht umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt. Unter Bezugnahme auf den Inhalt verschiedener in den Prozess eingeführter medizinischer Gutachten und sachverständiger Zeugnisse legt sie dar, dass sowohl SG als auch LSG aufgrund der Amtsermittlungspflicht gehalten gewesen seien, ein orthopädisches Gutachten einzuholen. In dem sie dies unterlassen hätten, hätten sie das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt. Zudem seien die Aussagen des LSG im Zusammenhang mit der Gabe von Cannabisprodukten in der Beweiswürdigung widersprüchlich. Im Rahmen der Amtsermittlung habe das LSG prüfen müssen, ob diese Verschreibung erforderlich sei und die Einnahme einer Beschäftigung über drei Stunden täglich entgegenstehe. Zudem sei die Klägerin bereits aufgrund der vorliegenden Gutachten nicht wegefähig, da sie zur Hauptverkehrszeit keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen könne.

5Diesen Vortrag der Beschwerdebegründung wertet der Senat zugunsten der Klägerin als Berufung auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln in Form von Verstößen gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) und die Grundsätze der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) sowie einer Verletzung des Rechts der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 SGG). Damit genügt die Klägerin jedoch nicht den formellen Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels.

6Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB - BSGE 2, 81 - juris RdNr 4; - juris RdNr 7). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Zugrunde zu legen ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG ( - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; - SozR 1500 § 160 Nr 33; - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 23). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl zB - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 16 mwN; - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

7Soweit sich die Klägerin auf Fehler in der Beweiswürdigung des LSG beruft, kann das Zulassungsbegehren - wie dargelegt - hierauf nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG). Die Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht genügt schon deshalb nicht den Zulässigkeitsanforderungen, weil die bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertretene Klägerin entgegen § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG keinen Beweisantrag benennt, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Den an die Darlegung einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu stellenden Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung bereits deshalb nicht, weil sie nicht - wie aber erforderlich - detailliert darlegt, welches konkrete Vorbringen vom LSG übergangen worden sein soll und dass sich das vorinstanzliche Gericht auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung mit diesem Vorbringen hätte auseinandersetzen müssen (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 697 mwN). Dass die Klägerin das Berufungsurteil - vor allem im Hinblick auf die Beurteilung der Wegefähigkeit - inhaltlich für unrichtig hält, kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

8Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

9Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

10Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2020:190820BB13R18019B0

Fundstelle(n):
ZAAAH-62489