Umsatzsteuer | Vorsteuervergütung im Insolvenzeröffnungsverfahren (BFH)
§ 55 Abs. 4 InsO ist nur auf Masseverbindlichkeiten, nicht aber auch auf Vergütungsansprüche zugunsten der Masse anzuwenden (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 55 Abs. 4 InsO als Masseverbindlichkeiten.
Sachverhalt: Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer KG. Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens war er bereits als vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt (sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter) bestellt worden. Für den Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung machte der Kläger Vorsteuerüberhänge geltend und beantragte eine entsprechende Festsetzung zugunsten der Insolvenzmasse. Dies lehnte das FA ab, da die Vorsteuern dem vorinsolvenzrechtlichen Vermögensteil zuzuordnen seien.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (). (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 15.7.2019)
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen:
§ 55 Abs. 4 InsO ist nur auf Masseverbindlichkeiten, nicht aber auch auf Vergütungsansprüche zugunsten der Masse anzuwenden. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus einer vom Kläger angenommenen Zuordnungswirkung im Voranmeldungsverfahren. Denn Voranmeldungen kommt für die Jahressteuerfestsetzung keine materiell-rechtliche Bindungswirkung zu.
Der Vorauszahlungsbescheid ist zu keinerlei materiellen Bestandskraft in dem Sinne fähig, dass er mit gegenüber dem Jahressteuerbescheid durchsetzungsfähiger Verbindlichkeit über das Bestehen einer Umsatzsteuer(vorauszahlungs)schuld entscheidet (). Denn vorläufige Bescheide werden materiell nicht bestandskräftig. Nur der endgültige Jahressteuerbescheid ist uneingeschränkt anfechtbar, auch wenn er einen vorläufigen Bescheid nur bestätigt (vgl. ).
Diese unmittelbar das Steuerfestsetzungsverfahren betreffende Rechtsprechung ist auch bei der Zuordnung von Steueransprüchen zum Insolvenzbereich des § 38 InsO und zum Massebereich des § 55 InsO zu beachten. Daher ist für das Jahr der Insolvenzeröffnung nicht nur über das Bestehen und den Umfang des Steueranspruchs, sondern auch über seine insolvenzrechtliche Einordnung abschließend erst bei der Jahressteuerberechnung und der insolvenzrechtlichen Durchsetzung des Jahressteueranspruchs zu entscheiden. Dabei ist der Teil der Jahressteuer, die Insolvenzforderung ist, zur Insolvenztabelle anzumelden (§§ 174 ff. InsO), während der Teil der Jahressteuer, die zu einer Masseverbindlichkeit nach § 55 InsO führt, durch Steuerbescheid festzusetzen ist.
Dabei ist die vom Kläger geschilderte Gefahr einer Doppelerfassung oder einer fehlerhaften Nichtberücksichtigung einzelner Besteuerungsgrundlagen zu verneinen, so dass auch dies nicht für die vom Kläger angenommene Zuordnungswirkung des Voranmeldungsverfahrens spricht.
Auf die Überlegungen des FA zur Auszahlung der Vergütungsansprüche unter der Insolvenzsteuernummer ohne Aufrechnung mit anderen Insolvenzforderungen kommt es nicht an.
Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner, Richter im V. Senat des BFH:
Das Urteil betrifft die unterschiedliche Behandlung von im vorläufigen Insolvenzverfahren entstandenen Steueransprüchen und Steuererstattungsansprüchen. Maßgebliche Zäsur für die Abgrenzung von Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen ist grds. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. So gehören zu den Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO u. a. Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden. Zu den Masseverbindlichkeiten zählende Steueransprüche kann das FA mit Steuerbescheid festsetzen und diese sind aus der Masse zu befriedigen. Andere Steueransprüche muss es wie andere Insolvenzgläubiger auch zur Tabelle anmelden.
§ 55 Abs. 4 InsO erweitert nun die Tatbestände, nach denen Masseverbindlichkeiten entstehen. Hierzu zählen danach auch Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind. Es geht also um Tatbestände, die im Zuge des vorläufigen Insolvenzverfahrens verwirklicht werden, die mit anderen Worten der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zeitlich vorgelagert sind. Allerdings beschränkt sich die Erweiterung auf Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis; von der Regelung nicht umfasst werden Steuervergütungsansprüche, wie der Anspruch auf Vorsteuererstattung.
Quelle: ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
OAAAH-62432