NWB Nr. 38 vom Seite 2785

Insgesamt ist die Reform zu begrüßen

Prof. Dr. Thomas Küffner | RA/FAfStR, StB/WP | Partner der auf das Umsatzsteuerrecht spezialisierten Kanzlei KMLZ, München, Düsseldorf

Europäische Union: Turbo für die Umsatzsteuer

Am hat das Bundeskabinett den Entwurf für das Jahressteuergesetz 2020 beschlossen. Er sieht umfangreiche Änderungen für die Umsatzsteuer vor. Dabei geht es aber nicht um redaktionelle Verbesserungen, sondern um tiefgreifende inhaltliche Neuerungen – die fast allesamt aus Brüssel kommen. So wird insbesondere die zweite Stufe des Mehrwertsteuer-Digitalpakets gezündet. Neben der Fiktion von Reihengeschäften zwischen Onlinehändler, elektronischer Schnittstelle (z. B. Online-Marktplätzen) und Endverbraucher findet sich eine Überarbeitung der Regelungen zum Versandhandel. Versandhandel heißt jetzt „Fernverkauf“ und die bisherige Vorschrift zum Lieferort wird erweitert. Innergemeinschaftliche Fernverkäufe gelten weiterhin dort als erbracht, wo sich der Gegenstand bei Beendigung des Transports befindet. Die bisher länderspezifischen Lieferschwellen werden durch eine EU-einheitliche Geringfügigkeitsschwelle ersetzt. Der neue Schwellenwert von 10.000 € pro Jahr gilt dabei für sämtliche grenzüberschreitenden Lieferungen an Endverbraucher in andere Mitgliedstaaten.

Zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens wird – endlich – das Mini-One-Stop-Shop-Verfahren zum One-Stop-Shop (kurz „OSS“) erweitert. Das OSS-Verfahren ermöglicht es Unternehmern, ihrer Meldepflicht für andere Mitgliedstaaten im Ansässigkeitsstaat nachzukommen und so eine Registrierung in mehreren Staaten zu vermeiden. Der One-Stop-Shop ist in Deutschland beim Bundeszentralamt für Steuern angesiedelt. Bisher beschränkte sich die zentrale Meldestelle auf die Deklaration von Dienstleistungen, die auf elektronischem Weg an Nichtunternehmer erbracht wurden. Nur wenige Steuerberater bzw. Unternehmen nutzten deshalb das Mini-One-Stop-Shop-Verfahren. Gleichwohl war diese Testphase erfolgreich. Die EU hat daher beschlossen, den One-Stop-Shop auf weitere Leistungen auszudehnen. So können Unternehmer zukünftig das Verfahren für innergemeinschaftliche Fernverkäufe und weitere Umsätze nutzen. Alles im Sinne der Vereinfachung, da sich deutsche Unternehmer nicht mehr für teures Geld im Ausland registrieren lassen müssen. Als weitere Vereinfachung gilt die Meldeschwelle künftig für das gesamte Gemeinschaftsgebiet und ist nicht mehr für jeden Mitgliedstaat gesondert zu überwachen. Zusätzlich können für einige Unternehmer die Meldepflichten in anderen Ländern wegen der Erweiterung des OSS entfallen. Endlich wird Bürokratie abgebaut. Wer hätte gedacht, dass dies ausgerechnet in Brüssel gelingen würde.

Umsatzsteuerspezialisten werden dennoch monieren, dass die Reform in bestimmten Teilen zu kurz greift. Denn längst nicht alle Umsätze können im OSS gemeldet werden. Onlinehändler, die z. B. die Fulfillment-Service-Struktur eines Online-Marktplatzes nutzen, bei der Waren innerhalb der EU umgelagert werden, müssen die innergemeinschaftlichen Verbringungen weiterhin im regulären Besteuerungsverfahren melden. Für diesen Fall bleibt eine Registrierung in den Ländern mit Warenlager notwendig.

Auch wenn man den einen oder anderen Wermutstropfen schmeckt – insgesamt ist die Reform zu begrüßen. Wir können der EU dankbar sein, dass es sie gibt.

Thomas Küffner

Fundstelle(n):
NWB 2020 Seite 2785
YAAAH-58312