Online-Nachricht - Donnerstag, 03.09.2020

Verfahrensrecht | Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung bei Mandatsniederlegung (BFH)

Es liegt ein erheblicher Grund für die Verlegung eines Termins zur mündlichen Verhandlung nach § 155 FGO i. V. mit § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO vor, wenn das FG unmittelbar nach der Niederlegung des Mandats durch den Prozessbevollmächtigten den Termin zur mündlichen Verhandlung während der Hauptferienzeit bestimmt und die Sache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht einfach ist (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Streitig ist in der Sache u.a., ob dem Kläger Einkünfte aus einer ausländischen Familienstiftung zuzurechnen sind. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers teilte dem FG mit Schreiben vom mit, dass er das Mandat niedergelegt habe und den Kläger nicht mehr vertrete. Das Schreiben ging beim FG am ein. Das FG terminierte mit Schreiben vom die mündliche Verhandlung auf den . Mit Schreiben vom , eingegangen beim FG am , beantragte der Kläger die Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung am . Zur Begründung führte er aus, dass sein Anwalt das Mandat niedergelegt habe und ein neuer Anwalt sich erst in die umfangreiche Materie einarbeiten müsse. Mit Schreiben vom lehnte das FG die Aufhebung des Termins ab.

Das Schreiben wurde vom FG am per Post an den Kläger übersandt. Bei der mündlichen Verhandlung erschien für den Kläger niemand. Es wurde im Protokoll festgestellt, dass der Kläger mit Zustellungsurkunde am ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen worden sei. Die Klage wurde bis auf einen geringen Teilbetrag abgewiesen ().

Der Kläger rügt in der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision u.a. einen Verfahrensfehler nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Das FG habe seinen Antrag auf Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung zu Unrecht abgelehnt und dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 119 Nr. 3 FGO) verletzt.

Auf die Beschwerde des Klägers hat der BFH das Urteil des FG aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen:

  • Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Der geltend gemachte Verfahrensfehler i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegt vor.

  • Das FG hat den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 119 Nr. 3 FGO) verletzt, indem es die mündliche Verhandlung durchgeführt und eine verfahrensabschließende Entscheidung getroffen hat, obwohl der Kläger einen begründeten Antrag auf Terminverlegung gestellt hatte.

  • Nach § 155 FGO i. V. mit § 227 Abs. 1 ZPO kann das Gericht "aus erheblichen Gründen" auf Antrag oder von Amts wegen einen Termin aufheben oder verlegen. Liegen erhebliche Gründe vor, verdichtet sich die in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessensfreiheit zu einer Rechtspflicht, d. h. der Termin muss zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs verlegt werden, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits durch die Verlegung verzögert wird ().

  • Im Streitfall war aufgrund des Antrags des Klägers die Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung am geboten.

    • Ein erheblicher Grund für die Aufhebung eines Termins zur mündlichen Verhandlung liegt nach der Rechtsprechung des BFH auch dann vor, wenn kurz vor der mündlichen Verhandlung in einer Sache, die in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht nicht einfach ist, der bisherige Prozessbevollmächtigte des Klägers sein Mandat niederlegt, ohne dass den Kläger daran ein Verschulden trifft (vgl. z. B. ; ).

    • Zwar hat im vorliegenden Fall der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Mandat nicht kurz vor der mündlichen Verhandlung niedergelegt, sondern zu einem Zeitpunkt, als noch keine mündliche Verhandlung terminiert worden war. Das FG hat den Kläger jedoch dadurch in eine vergleichbare Lage gebracht, dass es einen Tag, nachdem ihm die Mandatsniederlegung des Prozessbevollmächtigten bekannt geworden war, einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmte. Dabei hätte es sich dem FG aufdrängen müssen, dass es dem Kläger aufgrund der Sommerferien in Bayern vom 29.7. bis zum und angesichts des umfangreichen und schwierigen Prozessstoffes nicht ohne weiteres möglich war, rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung einen neuen Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen.

  • Die Vorgehensweise des FG verletzt auch die Grundsätze eines fairen Verfahrens.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
NWB RAAAH-57390