Online-Nachricht - Donnerstag, 20.08.2020

Versicherungsteuer | Zur Steuerbarkeit und Steuerpflicht einer Auslandsunfallversicherung (BFH)

Die gem. § 140 Abs. 2 SGB VII abgeschlossene Auslandsunfallversicherung ist nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VersStG im Inland steuerbar, soweit die versicherten Personen als Arbeitnehmer des inländischen Unternehmers (Versicherungsnehmer) ihrer Beschäftigung im Ausland nachgehen. Die Auslandsunfallversicherung gem. § 140 Abs. 2 SGB VII ist nicht nach § 4 Nr. 3 VersStG von der Versicherungsteuer befreit (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Klägerin ist eine Berufsgenossenschaft in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Auf der Grundlage von § 140 Abs. 3 Satz 3 SGB VII bietet die Klägerin ihren Mitgliedern als Trägerin der Auslandsversicherung den Abschluss einer Auslandsunfallversicherung (AUV) gem. § 140 Abs. 2 SGB VII für deren Arbeitnehmer an. Nach § 4 Abs. 1 der Richtlinien für die Auslandsunfallversicherung (Richtlinien AUV) ist Voraussetzung für die Gewährung des Versicherungsschutzes eine Auslandstätigkeit im Zusammenhang mit einer Beschäftigung oder ehrenamtlichen Tätigkeit bei einem inländischen Unternehmen. Das Bundesversicherungsamt teilte der Klägerin 2013 mit, dass die AUV Teil der öffentlich-rechtlichen Sozialversicherung und somit nicht von der Fachaufsicht betroffen sind.

Im November 2017 (Streitjahr) vereinnahmte die Klägerin für bei ihr abgeschlossene AUV Versicherungsentgelte i. H. von 3.530 €. Die Klägerin gab für den Voranmeldungszeitraum November 2017 eine als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung geltende Versicherungsteueranmeldung ab (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VersStG i. V .m. § 168 der AO) und erklärte darin eine Versicherungsteuer von 563,61 €.

Die hiergegen gerichtete Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das FG bejahte die Versicherungsteuerpflicht der AUV ().

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die sich auf die Verletzung materiellen Rechts stützt.

Der BFH sah die Revision als begründet an und hat das Urteil des FG aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen:

  • Das Urteil ist aufzuheben, weil es § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VersStG verletzt hat.

  • Die Steuerpflicht richtet sich nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VersStG. Besteht danach das Versicherungsverhältnis - wie hier mit der Klägerin - mit einem Versicherer, der im Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union niedergelassen ist und geht es nicht - wie hier - um die Versicherung der in § 1 Abs. 2 Satz 1 VersStG genannten Risiken (unbewegliche Sachen, Fahrzeuge oder Reiserisiken), so besteht die Steuerpflicht, wenn der Versicherungsnehmer keine natürliche Person ist und sich bei Zahlung des Versicherungsentgelts der Sitz des Unternehmens, die Betriebsstätte oder die entsprechende Einrichtung, auf die sich das Versicherungsverhältnis bezieht, im Geltungsbereich dieses Gesetzes befindet.

  • Das FG hat aber den örtlichen Bezug des Versicherungsverhältnisses zum Inland rechtsfehlerhaft schon deshalb bejaht, weil die AUV zu einem Haftungsausschluss des Versicherungsnehmers gegenüber dem versicherten Arbeitnehmer führe, der dem Sitz des Versicherungsnehmers im Inland zuzurechnen sei. Damit hat das FG das versicherte Risiko einer AUV verkannt und aufgrund unzutreffender Maßstäbe in das Inland verlagert.

  • Das versicherte Risiko ist bei einer Versicherung i. S. des § 140 Abs. 2 SGB VII der Unfall, den die versicherte Person im Ausland erleidet.

  • Anders als das FG in seiner Vorentscheidung ausführt, ist die Absicherung der den Versicherungsnehmer und Arbeitgeber treffenden Haftungsrisiken kein versichertes Risiko. Die Haftungsbeschränkung ist die Rechtsfolge einer AUV, nicht aber das versicherte Risiko selbst.

  • Es mag zwar sein, dass der wirtschaftliche Zweck der AUV für die Mitglieder der Klägerin als Versicherungsnehmer in der Absicherung der sie treffenden Haftungsrisiken liegt, wie sie sich als Folge der AUV aus § 104 SGB VII ergibt. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG stellt aber nicht auf die wirtschaftliche Zweckrichtung oder Folgewirkung der Risikoübernahme ab, sondern knüpft ausschließlich an die geographische Belegenheit des Risikos an. Demgemäß ist für die Anwendung des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VersStG auf die im Streitfall geschlossenen AUV allein entscheidend, dass sich die versicherten Risiken (d. h. die im Versicherungsvertrag bezeichneten Schäden in Bezug auf den Unfall, den die versicherte Person im Ausland erleidet) am Ort der Belegenheit im Ausland verwirklichen (vgl. ).

Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner, Richter im V. Senat des BFH:

Der Fall betrifft die Steuerbarkeit der Auslandsunfallversicherung (AUV). Diese ist nur dann in Deutschland steuerbar, wenn sich das Versicherungsverhältnis, also die AUV, auf den hier befindlichen Sitz des Unternehmens, die Betriebsstätte oder die entsprechende Einrichtung bezieht. Das Versicherungsverhältnis bezieht sich auf einen Ort im Inland, wenn im Inland das versicherte Risiko liegt. Bei der AUV wird für die ins Ausland entsandten Personen Versicherungsschutz gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten gewährt; diese Versicherungsfälle bilden das versicherte Risiko. Deshalb ist bei einer Versicherung i.S. des § 140 Abs. 2 SGB VII das versicherte Risiko der Unfall, den die versicherte Person im Ausland erleidet. Das versicherte Risiko liegt jedenfalls nicht – wie das FG angenommen hat - allein deshalb am inländischen Sitz des Arbeitgeber-Versicherungsnehmers, weil sich dort die Folge der AUV - die Haftungsbeschränkung - realisiert. Vielmehr ist bei der hier vorliegenden Versicherung fremder Risiken (nämlich solcher der versicherten Arbeitnehmer) auf den Aufenthaltsort der Risikoperson abzustellen.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
NWB SAAAH-56396