Online-Nachricht - Donnerstag, 06.08.2020

Verfahrensrecht | Keine Verzinsung eines Erstattungsbetrags nach StraBEG (BFH)

Ein auf der Grundlage des Strafbefreiungserklärungsgesetzes (StraBEG) an das FA gezahlter und später teilweise wieder erstatteter Betrag unterliegt nicht der Verzinsung nach § 233a AO (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Wer gegenüber den Finanzbehörden unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht hat oder die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer, Vermögensteuer, Gewerbesteuer, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer oder Abzugsteuern nach dem EStG verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt hat, wird gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG nicht nach den §§ 370, 370a AO oder § 26c UStG bestraft, soweit er nach dem und vor dem die auf Grund seiner unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen gegenüber der Finanzbehörde erklärt (strafbefreiende Erklärung, Nr. 1) und innerhalb von zehn Tagen nach Abgabe der Erklärung, spätestens aber bis zum 25 % der Summe der erklärten Beträge entrichtet werden (Nr. 2).

Sachverhalt: Streitig ist, ob ein auf der Grundlage des StraBEG vom an das FA gezahlter und später wieder erstatteter Betrag nach § 233a AO zu verzinsen ist.

Der Kläger gab am eine strafbefreiende Erklärung nach dem StraBEG ab, in der er neben Kapitalerträgen der Jahre 1998 bis 2001 einen Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (Aktien) des Jahres 2001 als Einnahmen i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StraBEG berücksichtigte. Der Kläger leistete darauf eine Strafbefreiungsabgabe. Im Rahmen des anschließenden Einspruchsverfahrens berief sich der Kläger auf die Verfassungswidrigkeit der Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze des § 17 Abs. 1 EStG auf 1 %; dies mache die Strafbefreiungsabgabe rechtswidrig. Das FA verminderte die Strafbefreiungsabgabe um den auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Betrag.

Der Kläger beantragte die Festsetzung von Erstattungszinsen nach § 233a AO für den Zeitraum von der Zahlung bis zur Erstattung der Strafbefreiungsabgabe. Dies lehnte das FA ab. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.

Die hiergegen gerichtete Klage wies das FG als unbegründet ab (.)

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen:

  • Eine Verzinsung der erstatteten Pauschalabgabe nach § 233a Abs. 1 AO scheidet aus.

  • Dafür spricht zunächst der Wortlaut des § 233a AO.

    • In Fallkonstellationen wie der vorliegenden fehlt es an einer "Festsetzung der Einkommensteuer" i. S. des § 233a Abs. 1 Satz 1 AO. Der Kläger hat mittels der strafbefreienden Erklärung keine Einkommensteuerfestsetzung bewirkt. Zwar gilt der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StraBEG zu entrichtende Betrag gem. § 10 Abs. 1 Halbsatz 1 StraBEG als Einkommensteuer. Zudem steht die strafbefreiende Erklärung einer Steuerfestsetzung (ohne Vorbehalt der Nachprüfung) gleich (§ 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG). Bei § 10 Abs. 1 Halbsatz 1 StraBEG handelt es sich jedoch um eine gesetzliche Fiktion, die unabhängig davon eingreift, welche der in § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG genannten Steuerarten hinterzogen worden sind ().

    • Ebenso wenig ist es möglich, einen Unterschiedsbetrag i. S. des § 233a Abs. 3 Satz 1 AO zu ermitteln. Wenngleich die strafbefreiende Erklärung einer Steuerfestsetzung gleichsteht, kann es anzurechnende Steuerabzugsbeträge und Körperschaftsteuer sowie Vorauszahlungen im Anwendungsbereich des StraBEG nicht geben.

    • Auch § 233a Abs. 2 Satz 1 AO kann im Streitfall nicht sinnvoll zur Anwendung gebracht werden. Wenn der Zinslauf danach 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs beginnt, in dem die Steuer entstanden ist, so passt dies auf die Pauschalabgabe nach dem StraBEG nicht. Auf Grund ihres besonderen Charakters als Selbstberechnungssteuer wird sie mit dem Zugang der strafbefreienden Erklärung beim FA festgesetzt.

    • Diesen grammatischen Erwägungen kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass § 10 Abs. 4 StraBEG die Anwendung des § 233a AO nicht ausdrücklich ausschließe. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass der Erstattungsbetrag nach § 233a AO zu verzinsen ist.

  • Diese wortlautbasierte Auslegung wird durch Systematik sowie Sinn und Zweck des § 233a AO bestätigt. § 233a AO will einen Ausgleich für Liquiditätsvorteile herstellen, die dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung widersprechen. Dies rechtfertigt es, den sachlichen Anwendungsbereich des § 233a Abs. 1 Satz 1 AO mit der Vorinstanz auf Veranlagungssteuern bzw. laufend veranlagte Steuern zu beschränken (vgl. ).

  • § 233a Abs. 1 AO zielt darauf ab, Zinsvor- und -nachteile im Verhältnis von Steuergläubiger und Steuerschuldner auszugleichen (). Die Norm geht von einer gegenläufigen Verzinsungsmöglichkeit aus. Eine derartige gegenläufige Verzinsungsmöglichkeit fehlt jedoch im Anwendungsbereich des StraBEG. Vor diesem Hintergrund erscheint es aus systematischen Gründen ausgeschlossen, eine einseitige Verzinsung der erstatteten Pauschalabgabe nach dem StraBEG zuzulassen.

Anmerkung von Dr. Nils Trossen, Richter im IX. Senat des BFH:

Erstattungsbeträge aufgrund einer strafbefreienden Erklärung nach dem StraBEG werden nicht verzinst, genauso wie im Übrigen auch Erstattungsbeträge aus nicht laufend veranlagten Steuern wie ErbSt, GrESt oder Kfz-Steuer. Auch die GrSt wird nicht verzinst. Die Aufzählung in § 233a Abs. 1 AO, die nur die ESt, KSt, USt und GewSt erfasst, ist abschließend (die Erwähnung der Vermögenssteuer dürfte keine praktische Bedeutung mehr haben).

Nach wie vor ist allerdings die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe nach § 238 AO (6 % p.a.) nicht geklärt. Die dazu anhängigen Verfahren beim BVerfG (Az. 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17) sind noch nicht entschieden. Die Finanzverwaltung gewährt auf der Grundlage des () bei Einsprüchen gegen die Festsetzung von Nachzahlungszinsen Aussetzung der Vollziehung.

Da die Finanzverwaltung sämtliche Zinsbescheide hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes i. H. von 0,5 % pro Monat nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO mit einem Vorläufigkeitsvermerk versieht, sind von einer Entscheidung des BVerfG sowohl Erstattungs- wie Nachzahlungszinsen betroffen. D. h. dem Mandanten ist ggf. zu vermitteln, dass ihm die Verzinsung der Steuererstattung mit 6 % p. a. möglicherweise nicht dauerhaft verbleiben wird.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
NWB XAAAH-55233