Online-Nachricht - Donnerstag, 23.07.2020

Einkommensteuer | Aufwendungen für Erststudium keine Werbungskosten (BFH)

Aufwendungen für ein Erststudium, das eine Erstausbildung vermittelt, sind nach § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG ab dem Veranlagungszeitraum 2004 nicht (mehr) als Werbungskosten abziehbar, wenn das Studium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Anfang des Jahres stellte das BVerfG fest, dass Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, nicht als Werbungskosten abgesetzt werden können, nicht gegen das Grundgesetz verstößt (. Dem ist der BFH jetzt gefolgt.

Sachverhalt: Eine Studentin hatte Aufwendungen für ihr Erststudium als Werbungskosten geltend gemacht. Da sie in den Streitjahren keine bzw. nur geringfügige Einkünfte erzielte, wollte sie die dadurch entstehenden Verluste mit künftigen, nach dem Studium erzielten Einkünften verrechnen. Der BFH wollte der Klage der Studentin stattgeben, sah sich daran aber auf Grund des § 9 Abs. 6 EStG gehindert, der mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2004 in das EStG aufgenommen worden ist. Danach sind die Aufwendungen für eine Erstausbildung nicht als Werbungskosten abziehbar. Deren Abzug kommt nur als Sonderausgaben begrenzt auf 4.000 € bzw. ab dem Jahr 2012 auf 6.000 € in Betracht. Da der Sonderausgabenabzug nicht zu einem vortragsfähigen Verlust führt, wirken sich - wie auch im Fall der Studentin - die Aufwendungen auf Grund der während der Ausbildung erzielten geringen Einkünfte regelmäßig nicht bzw. nicht in vollem Umfang steuerlich aus.

BFH hat das zunächst ausgesetzte Verfahren der Studentin wieder aufgenommen und deren Klage abgewiesen:

  • Nachdem § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG in Kraft getreten und rückwirkend ab dem Veranlagungszeitraum 2004 anzuwenden ist, sind die Aufwendungen der Klägerin für das Bachelor-Studium nicht (mehr) als Werbungskosten zu berücksichtigen.

  • Nach § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium nur dann Werbungskosten, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat oder wenn die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.

  • Das FG hat allerdings die Aufwendungen der Klägerin für ihr Master-Studium zu Recht als Werbungskosten anerkannt. Die Klägerin hatte nach den oben dargelegten Maßstäben mit dem Bestehen des Bachelor-Studiengangs ein Erststudium i.S. des § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG abgeschlossen. Ihre Aufwendungen für das Master-Studium waren beruflich veranlasst und damit nach allgemeinen Grundsätzen als vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen.

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:

Mit Beschlüssen vom - VI R 2/12 und VI R 8/12 - sowie vier im Wesentlichen inhaltsgleichen weiteren Beschlüssen vom - VI R 61/11, VI R 38/12, VI R 2/13 und VI R 72/13 hat der BFH dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob § 9 Absatz 6 EStG insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als danach Aufwendungen des Steuerpflichtigen für eine Erstausbildung außerhalb eines Dienstverhältnisses steuerlich nicht zu berücksichtigen sind. Denn das Abzugsverbot verstoße gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete verfassungsrechtliche Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und sei auch nicht mit Vereinfachung und Typisierung zu rechtfertigen. Dem ist das BVerfG entgegen getreten. Es hat die generelle Ausnahme von Erstausbildungskosten vom Werbungskostenabzug gemäß § 9 Abs. 6 EStG lediglich am Gleichheitssatz in seiner (deutlich weniger strengen) Eigenschaft als Willkürverbot gemessen (kritisch z.B. Hey, FR 2020, 578) und deshalb auf die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift erkannt (). Offen ließ das BVerfG hingegen die Frage, ob mit § 9 Abs. 6 EStG eine verfassungswidrige Rückwirkung (auf die VZ 2004-2010) verbunden war, da die Vorlagefrage nicht die Bestimmung des zeitlichen Anwendungsbereichs durch § 52 Abs. 23 Buchst. d EStG umfasste. Dahingehende Bedenken hatte der BFH in seinen Vorlagebeschlüssen nicht geäußert. Denn die Anordnung der rückwirkenden Geltung der Neuregelung der einkommensteuerrechtlichen Vorschriften zur Berücksichtigung von Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung (§ 9 Abs. 6, § 4 Abs. 9, § 52 Abs. 23d Satz 5, § 52 Abs. 12 Satz 11 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG) verstoße nicht gegen die Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Daran hat sich ausweislich der Besprechungsentscheidung nichts geändert. Aufwendungen für die beruflich Erstausbildung außerhalb eines Dienstverhältnisses sind daher ab dem Veranlagungszeitraum 2004 nicht (mehr) als Werbungskosten abzugsfähig, auch wenn des FG - wie im Fall der Klägerin - den entsprechenden Aufwand seinerzeit zu Recht einkünftemindernd berücksichtigt hat.

Hinweis

Beim BFH war eine Vielzahl von Revisionen zu derselben Rechtsfrage anhängig. Sie betrafen ebenfalls den Werbungskostenabzug der Aufwendungen für das Erststudium sowie insbesondere den Werbungskostenabzug der Aufwendungen für die Pilotenausbildung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses stattfand. Diese Verfahren wurden nach der Entscheidung des BVerfG auf entsprechenden rechtlichen Hinweis des BFH zurückgenommen und durch Einstellungsbeschluss erledigt.

Quelle: BFH Pressemitteilung v. , , NWB Datenbank (JT)

Fundstelle(n):
NWB NAAAH-54046