Sicherung der Unternehmensliquidität nicht für alle
Vorübergehende Verlängerung der Reinvestitionsfristen des § 6b EStG nach dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz
Nach § 52 Abs. 14 Satz 4 bis 6 EStG i. d. F. des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes v. (BGBl 2020 I S. 1512) wurden die Reinvestitionsfristen des § 6b EStG vorübergehend um ein Jahr verlängert. Sofern eine Reinvestitionsrücklage am Schluss des nach dem und vor dem endenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden ist und nach § 6b Abs. 3 Satz 5, Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 i. V. mit Abs. 3 Satz 5 oder Abs. 10 Satz 8 EStG aufzulösen wäre, endet danach die Reinvestitionsfrist erst am Schluss des darauffolgenden Wirtschaftsjahres. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll die Fristverlängerung die Liquidität der Unternehmen während der COVID-19-Pandemie dadurch erhalten, dass in diesem Zeitraum keine Reinvestitionen zur Vermeidung der zinsbelasteten Rücklagenauflösung erzwungen werden (Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz v. , BT-Drucks. 19/20058 S. 23). Zwei Verordnungsermächtigungen in § 52 Abs. 14 Satz 5 und 6 EStG ermöglichen eine Verlängerung dieser Fristen um jeweils ein Jahr, wenn dies wegen anhaltender Auswirkungen der Pandemie in der Bundesrepublik Deutschland geboten erscheint. Obwohl die Grundregelung in Satz 4 die Fristverlängerung nur von den genannten Stichtagen abhängig macht, setzen die beiden Verordnungsermächtigungen ausdrücklich ein Fortwirken der Pandemie im Inland voraus und verstoßen damit fraglos gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit, weil sie die Steuervergünstigung für Investitionen nach § 6b Abs. 2a EStG einschränken. Insoweit besteht Handlungsbedarf für den Gesetz- und Verordnungsgeber.
Während in der Entwurfsbegründung – wohl ohne das Schaltjahr zu berücksichtigen – noch der als Stichtag aufgeführt war (BT-Drucks. 19/20058 S. 23), sieht das Gesetz den vor. Dieser Stichtag wurde wahrscheinlich gewählt, weil der neu gebildete Krisenstab des BMI und BMG am erstmals einschränkende Maßnahmen beschlossen hatte. Unternehmen mit Bilanzstichtagen zum 31.1. und 28.2. können daher die Fristverlängerung nicht in Anspruch nehmen; sie sind nach dem Gesetzeswortlaut auch von der möglichen weiteren Fristverlängerung aufgrund der Verordnungsermächtigung ausgeschlossen, die sich eindeutig auf die Grundregelung des § 6b Abs. 3 Satz 4 EStG bezieht. Unternehmen, die eine Rücklage in der Bilanz zum 31.1. oder aufzulösen hätten, wäre daher eine Änderung des Bilanzstichtags zu empfehlen. Dabei ist die Wahl des Kalenderjahres als Wirtschaftsjahr ohne weiteres möglich. Aber auch das für die Wahl eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres erforderliche finanzbehördliche Einvernehmen (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 EStG) sollte zu erreichen sein, weil die betroffenen Unternehmen der gleichen Gefahr eines pandemiebedingten Liquiditätsengpasses ausgesetzt sind. Damit aber liegen plausible Gründe für die Umstellung des Wirtschaftsjahres vor, die eine Steuerumgehung ausschließen (dazu Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht, 3. Aufl. 2018, Rz. 182 ff.).
Hans-Joachim Kanzler
Fundstelle(n):
NWB 2020 Seite 2129
ZAAAH-53433