Online-Nachricht - Mittwoch, 01.07.2020

Einkommensteuer | Verlustabzugsbeschränkung bei Steuerstundungsmodellen (FG)

Die Beschränkung des Verlustabzugs bei Steuerstundungsmodellen gem. § 15b EStG unterliegt auch bei Eintritt von Definitiveffekten keinen verfassungsrechtlichen Zweifeln. Angesichts des eindeutigen Wortlauts von § 15b EStG scheidet eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend aus, nur verrechenbare Verluste im Falle des Definitivwerdens als abzugsfähige Verluste zu behandeln (, rkr).

Sachverhalt und Verfahrensgang: Der Kläger hatte sich an einer Gesellschaft beteiligt, die zunächst - entsprechend ihren Prospektangaben - ab 2005 Verluste erwirtschaftete. Entgegen den Prognosen wurden aber auch später ab 2012 keine Gewinne erzielt und die Gesellschaft liquidiert. Die für den Kläger als verrechenbar festgestellten Verluste wurden infolge der Liquidation im Streitjahr definitiv. Der Kläger berief sich zunächst auf die bei Einführung von § 15b EStG geltend gemachten verfassungsrechtlichen Zweifel bzgl. der rückwirkenden Anwendung der Regelung und der mangelnden Bestimmtheit des Begriffs „modellhafte Gestaltung“, hielt daran später aber nicht mehr fest und machte nur noch geltend, die Norm sei jedenfalls insoweit verfassungswidrig, als bei Beendigung der Betätigung der Gesellschaft die verrechenbaren Verluste definitiv würden. In diesen Fällen bedürfe es der Feststellung eines ausgleichsfähigen Verlustes.

Nachdem das Verfahren zunächst im Hinblick auf die Revision IV R 2/16 (, BStBl II 2019, 526, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 11.7.2019) geruht hatte, in dem ebenfalls die Frage streitig war, ob § 15b Abs. 1 EStG teleologisch dahingehend einzuschränken ist, dass das Verlustausgleichsverbot nur laufende Einkünfte, nicht hingegen definitive Veräußerungsverluste aus der Beteiligung an einem Steuerstundungsmodell erfasst und die Klage ohne Klärung in der Sache als unzulässig abgewiesen angesehen hatte, hat das FG Hamburg in der Sache entschieden und die Klage abgewiesen.

Hierzu führten die Richter des FG Hamburg weiter aus:

  • Der mit Gesetz zur Beschränkung der Verlustverrechnung im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen v. mit Wirkung für Beitritte bzw. Aufnahme des Außenvertriebs nach dem eingefügte § 15b EStG ist im Streitfall grundsätzlich anzuwenden, weil der Kläger nach diesem Stichtag der KG beigetreten ist.

  • Anfänglich erhobene Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkung haben sich nicht durchgesetzt (, rkr.; Seeger in Schmidt, EStG, 38. A. 2019, § 15b Rn.1; Kaeser in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 15b EStG Rn. A 63; a.A. Reiß in Kirchhof, EStG, 18. A. 2019, § 15b EStG Rn. 15) und werden auch vom Senat nicht geteilt. Hierauf beruft sich der Kläger auch nicht mehr.

  • Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus dem Umstand, dass durch die Auflösung der Gesellschaft die bis dahin eingetretenen Verluste definitive Wirkung entfalten, nichts Anderes.

  • Eine verfassungskonforme - einschränkende - Auslegung von § 15b EStG dahingehend, dass im Falle definitiver Verluste ein Ausgleich mit Einkünften aus Gewerbebetrieb und anderen Einkunftsarten eröffnet ist, kommt angesichts des eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht in Betracht.

  • Der Gesetzgeber hat durchaus erkannt, dass es Fälle geben kann, in denen es nicht zu einem Totalüberschuss und damit zu einem Totalverlust kommen kann, so dass es an einer planwidrigen Lücke fehlt.

  • Eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 d GG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG kommt nicht in Betracht, weil der Senat auch für den Fall des Definitivwerdens von Verlusten nicht von der Verfassungswidrigkeit von § 15b EStG überzeugt ist.

  • Eine Verlustbeschränkung ist nicht generell verfassungsrechtlich zu verwerfen, vielmehr ist die Möglichkeit der Verluststreckung anerkannt. Die Beschränkung der Verlustverrechnung auf Einkünfte aus der nämlichen Beteiligung berührt zwar den Grundsatz der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit. Diese Verschlechterung der Rahmenbedingungen für Steuerstundungsmodelle ist aber aus Gründen der Missbrauchsabwehr und zur Lenkung des Investitionsverhaltens der Steuerpflichtigen gerechtfertigt.

Hinweis:

Obwohl die Verlustabzugsbeschränkung in § 15b EStG bereits seit 2005 anzuwenden ist, ist die Frage der Verfassungswidrigkeit bei Definitivwerden der Verluste bislang höchstrichterlich nicht geklärt worden. Hieran wird sich vorerst nichts ändern, denn die vom 2. Senat zugelassene Revision wurde nicht eingelegt.

Quelle: FG Hamburg, Newsletter 2/2020 sowie NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
JAAAH-52287