NWB Nr. 25 vom Seite 1809

An der Umsatzsteuer schraubt man nicht „so eben mal“

Professor Dr. Ralf Jahn | Hauptgeschäftsführer IHK Würzburg-Schweinfurt

Mehrwertsteuersatzsenkung: Knapp vorbei ist auch daneben!

Am hat das Bundeskabinett den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes beschlossen. Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung einen wesentlichen Teil des am vom Koalitionsausschuss beschlossenen „Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets“ umsetzen (s. hierzu Hechtner, NWB 24/2020 S. 1756 und ). Auch dieses Gesetz soll mit besonderer Eilbedürftigkeit durch das parlamentarische Verfahren geführt werden. Der Zeitplan für das Gesetzgebungsverfahren sieht vor, dass die erste Lesung des Gesetzentwurfs am , die zweite und dritte Lesung im Bundestag in der 26. KW stattfinden sollen. Ziel ist es, das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz nach der Bundesratszustimmung, die ebenfalls für die 26. KW vorgesehen ist, am in Kraft treten zu lassen.

So sehr das Bemühen der Bundesregierung um wirtschaftsfördernde Impulse und Erhaltung von Arbeitsplätzen zu begrüßen ist, umso fraglicher ist die befristete Einführung einer Mehrwertsteuersatzsenkung „zur Stärkung der Binnennachfrage in Deutschland“. Die geplante Absenkung des Umsatzsteuersatzes kam für alle Beteiligten völlig überraschend und ist nur auf den ersten Blick für die Wirtschaft eine „erfreuliche“ Maßnahme. Infrage gestellt werden muss bereits, ob eine befristete Umsatzsteuersatzsenkung ein geeignetes Instrument für eine Nachfragebelebung sein kann. Denn dies setzt voraus – woran Zweifel bestehen –, dass die Absenkung des Umsatzsteuersatzes von der Wirtschaft auch tatsächlich an den Verbraucher vollständig weitergegeben wird. Ansonsten unterstützt die Steuersatzsenkung zwar die finanzielle Erholung der Wirtschaft, verpufft jedoch entgegen der Zielsetzung als Impuls zur Stärkung der Binnennachfrage. Noch bedenklicher ist allerdings, dass eine nur auf sechs Monate befristete Steuersatzsenkung bei den Unternehmen für umfangreiche Abrechnungsprobleme sorgen wird und einen unvertretbaren Umstellungsaufwand bei der Neuprogrammierung von Kassensystemen, Erstellung von Preislisten oder Neuauszeichnung von Preisen provoziert. Vor allem bei Lieferungen und Leistungen an nicht vorsteuerabzugsberechtigte Leistungsempfänger stellt sich eine Fülle von Umsetzungsproblemen, weil zur korrekten Ermittlung der Umsatzsteuer immer festgestellt werden muss, wann die Leistung oder Lieferung „ausgeführt“ ist. Das führt zu besonderen Problemen bei langfristigen Verträgen, bei Anzahlungen oder Bauleistungen, um nur einige Beispiele anzusprechen. Was mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz einhergehen muss, ist also zwingend ein erläuterndes BMF-Schreiben, das alle Zweifelsfragen klärt, die mit der Umsatzsteuersatzsenkung ab verbunden sind; einen ersten Entwurf hat das BMF am vorgelegt. Besser noch wäre es, wenn sich der Gesetzgeber im jetzt anlaufenden Gesetzgebungsverfahren darauf besinnt, die zeitliche Befristung bis Jahresende zu überdenken. An der Umsatzsteuer schraubt man nicht „so eben mal“. Die Geschichte des heute gültigen Umsatzsteuersystems mit Vorsteuerabzugsberechtigung zeigt, dass Umsatzsteuersatzänderungen eher in Dekaden angelegt sein sollten.

Ralf Jahn

Fundstelle(n):
NWB 2020 Seite 1809
NWB RAAAH-51094