Online-Nachricht - Freitag, 12.06.2020

Einkommensteuer | Zur Entfernungspauschale an unterschiedlichen Arbeitstagen (BFH)

Die Entfernungspauschale für Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte deckt arbeitstäglich zwei Wege (einen Hin- und einen Rückweg) ab. Legt ein Arbeitnehmer nur einen Weg zurück, so ist nur die Hälfte der Entfernungspauschale je Entfernungskilometer und Arbeitstag als Werbungskosten zu berücksichtigen (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Zur Abgeltung der Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte ist gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 € anzusetzen, höchstens jedoch 4.500 € im Kalenderjahr; ein höherer Betrag als 4.500 € ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt.

Sachverhalt: Der Kläger ist als Flugbegleiter tätig, was häufig mehrtägige Einsätze erfordert. Für das Streitjahr 2014 beantragte er den Ansatz sämtlicher Fahrtkosten zu seinem Beschäftigungsort nach Dienstreisegrundsätzen. Das FA berücksichtigte jedoch lediglich die Entfernungspauschale, wobei es diese für diejenigen Arbeitseinsätze, bei denen Hin- und Rückfahrt auf unterschiedliche Tage fielen, jeweils nur einmal gewährte.

Das FG () führte aus, dass für die Rückfahrt an einem anderen Tag kein weiterer Werbungskostenabzug vorgesehen ist. Diese Auslegung führt auch zu einer sachgerechten Abbildung der wirtschaftlichen Belastung und zu einer Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer. Die Gegenauffassungen, wonach die Entfernungspauschale nur bei einem arbeitstäglichen Hin- und Rückweg in Betracht kommt bzw. im Falle lediglich einer kalendertäglichen Hin- oder Rückfahrt jeweils nur die hälftige Entfernungspauschale anzusetzen ist, finden weder im Gesetz noch in den Gesetzesmaterialien eine Stütze. Der Kläger verfügte am Flughafen über eine erste Tätigkeitsstätte. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten im Revisionsverfahren auch kein Streit mehr.

Der BFH wies die Revision des Klägers zurück:

  • Der BFH hatte bereits mit Urteil v. - VI R 16/76 zu § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. vor Einführung der Entfernungspauschale entschieden, dass der frühere Kilometer-Pauschbetrag von 0,36 DM für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem eigenen Kraftfahrzeug zwei Fahrten (eine Hin- und eine Rückfahrt) abdeckt und dass ein Arbeitnehmer, der nur eine Fahrt zurücklegt, entsprechend nur die Hälfte des Kilometer-Pauschbetrags - also 0,18 DM je Entfernungskilometer und Arbeitstag - als Werbungskosten abziehen kann.

  • An dieser Rechtslage hat sich im Grundsatz weder mit der Einführung der Entfernungspauschale durch das Gesetz v. noch durch das seit dem Veranlagungszeitraum 2014 geltende (neue) Reisekostenrecht etwas geändert.

  • Der BFH hält für das im Streitjahr geltende (neue) steuerliche Reisekostenrecht daran fest, dass die Entfernungspauschale zwei Wege (einen Hin- und einen Rückweg) abdeckt. Ein Arbeitnehmer, der an einem Arbeitstag nur einen Weg zurücklegt, kann nur die Hälfte der Entfernungspauschale von 0,30 € also 0,15 € je Entfernungskilometer und Arbeitstag als Werbungskosten abziehen.

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:

Die Einführung der verkehrsmittelunabhängigen Entfernungspauschalen zum Veranlagungszeitraum 2001 diente neben umwelt- und verkehrspolitischen Erwägungen auch dem jeder Typisierung innewohnenden Gedanken der Steuervereinfachung. So sollten durch die Abgeltung "sämtlicher Aufwendungen" insbesondere Rechtsstreitigkeiten zwischen den Steuerpflichtigen und dem Finanzamt über die Berücksichtigung besonderer Kosten, z. B. für Abholfahrten und außergewöhnlicher Kosten (z. B. Unfallkosten) vermieden werden (BTDrucks 14/4242, S. 6; BTDrucks 14/4435, S. 9). Derart rechtsbefriedend wirkt die Entfernungspauschale jedoch nicht. Streitigkeiten um den Werbungskostenabzug von Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sind vielmehr ein Dauerbrenner (zuletzt , betreffend den Werbungskostenabzug von Krankheitskosten bei einem Wegeunfall zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte). Dies zeigt auch die Besprechungsentscheidung deutlich. Deshalb verwundert auch nicht, dass hierzu weitere Revisionsverfahren beim BFH anhängig sind. So steht in diesem Zusammenhang in den Verfahren VI R 6/19 und 14/19 im Streit, wie der Gesetzeswortlaut "typischerweise arbeitstäglich" in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG auszulegen ist, insbesondere ob die Rechtsnorm (und damit auch die Entfernungspauschale) nur anwendbar ist, wenn der Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber bestimmten Ort (hier: Sammelpunkt) an sämtlichen seiner Arbeitstage aufsuchen soll. In dem Verfahren VI R 26/20 ist die Rechtsfrage zu klären, ob ein Taxi ein öffentliches Verkehrsmittel i.S. des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG ist und damit die Taxikosten für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte in tatsächlich entstandener Höhe - über die Entfernungspauschale hinaus - als Werbungskosten geltend gemacht werden können. Dies hat der BFH bislang offengelassen (). Allein der Umstand, dass die Beförderung von Personen mit Kfz im Gelegenheitsverkehr etwa einem Taxi nach den §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 47 des PBefG i.d.F. v. i. V. m. § 46 Abs. 2 Nr. 1 PBefG genehmigungspflichtig ist und nach § 8 Abs. 2 PBefG zum öffentlichen Personennahverkehr zählt, zwingt hierzu jedenfalls nicht. § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG lässt sich nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift auch dahingehend verstehen, dass lediglich Aufwendungen für regelmäßig verkehrende öffentliche Verkehrsmittel (im Linienverkehr, § 42 PBefG) nicht unter die Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale fallen sollen.

Quelle: , NWB Datenbank (JT)

Fundstelle(n):
NWB HAAAH-50740