BGH Beschluss v. - 1 StR 531/19

Anordnung des Verfalls: Bestimmung des Werts des noch vorhandenen Vermögens; Feststellungen zur Werthaltigkeit einer Forderung gegen eine insolvente GmbH

Gesetze: § 73c Abs 1 S 2 Alt 1 StGB vom

Instanzenzug: LG Mannheim Az: 618 Js 4248/10 - 17 KLs

Gründe

1Das Landgericht hatte im ersten Rechtsgang den Verfall von Wertersatz in das Vermögen der Verfallsbeteiligten in Höhe von 6.749.612,49 € angeordnet und festgestellt, dass wegen eines weiteren Geldbetrages in Höhe von 638.926,56 €, den die Verfallsbeteiligte aus den Taten erlangt hat, von der Anordnung von Wertersatzverfall nur deswegen abgesehen wird, weil Ansprüche einer Verletzten entgegenstehen. Auf die hiergegen gerichtete Revision der Verfallsbeteiligten hatte der Senat mit Beschluss vom – 1 StR 336/13 diese Aussprüche aufgehoben, jedoch die Feststellungen zu den zugrundeliegenden fünf Bestechungstaten und den Geldflüssen zwischen der Beschwerdeführerin und der nicht revidierenden Verfallsbeteiligten I.                             S.      GmbH aufrechterhalten.

2Nunmehr hat das Landgericht im zweiten Rechtsgang den Verfall von Wertersatz in das Vermögen der Beschwerdeführerin in Höhe von 1.397.090,59 € angeordnet, und zwar in Höhe von 600.000 € gesamtschuldnerisch mit der I.                             S.      GmbH. Die hiergegen gerichtete Revision der Verfallsbeteiligten, mit welcher sie die Verletzung materiellen Rechts beanstandet, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist ihr Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

31. Nach den bindenden Feststellungen des Landgerichts vereinnahmte die Verfallsbeteiligte aus der Erfüllung von vier Lieferaufträgen über Wasserwerfer u.a., die ihr Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer, der rechtskräftig verurteilte Ko.       , durch Bestechung von hochrangigen Amtsträgern der Republik K.      einwerben konnte, im Zeitraum vom bis Ende April 2008 Buchgelder in Höhe von 7.588.939,05 €. Den auf ein Bankkonto bei einer S.     er Bank am eingegangenen Kaufpreis in Höhe von 991.551,36 € aus dem fünften Vertrag über die Lieferung von Pfeffergas und Ersatzteilen vereinnahmte die nicht revidierende Verfallsbeteiligte, die Ko.        auf anwaltlichen Rat in B.    gegründet hatte, um den Zugriff der deutschen Strafverfolgungsbehörden auf diese Gelder zu vereiteln. Ko.        ließ insgesamt 855.229 €, welche verdeckt in die Kaufpreisgelder eingerechnet waren und damit die von der Republik K.      geschuldeten Gegenleistungen rechtswidrig überhöhten, den bestochenen Amtsträgern zukommen. Am überwies Ko.        von einem Bankkonto der Verfallsbeteiligten einen Betrag in Höhe von 600.000 €, welcher aus den ersten vier Verträgen stammte, auf das S.     er Bankkonto der nicht revidierenden Verfallsbeteiligten, um auch diese Buchgelder dem Zugriff der deutschen Ermittlungsbehörden zu entziehen; damit ein Rechtsgrund für diese Überweisung nachzuweisen war, schloss Ko.        als Geschäftsführer beider Gesellschaften in deren Namen einen Darlehensvertrag ab.

4Nach den ergänzenden Feststellungen des angefochtenen Urteils erzielte die Verfallsbeteiligte keine weiteren nennenswerten Einkünfte. Am wurde das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Sämtliche Insolvenzgläubiger mit Ausnahme der Staatskasse wegen der Verfahrenskosten sind befriedigt. Zur verbliebenen Insolvenzmasse zählen auf der Aktivseite zwei Bankguthaben in Höhe von 8.185,95 € und 588.904,64 €, zudem die Darlehensrückzahlungsforderung gegenüber der I.                             S.      GmbH, die sich ebenfalls im Konkursverfahren befindet, in Höhe von 600.000 € sowie eine durch eine Grundschuld gesicherte Forderung gegen Ko.        in Höhe von 200.000 €, mithin insgesamt nominell 1.397.090,59 €. Der Geschäftsbetrieb der Verfallsbeteiligten ist eingestellt.

52. Das Landgericht hat erneut den Wert des Erlangten gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB aF, Art. 316h Satz 2 EGStGB nach den gesamten vereinnahmten Verkaufspreisen bestimmt, nicht nach dem Wert der erlangten Aufträge. Es hat sein nach § 73c Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 StGB aF eröffnetes Ermessen dahin ausgeübt, nur die – nach Begleichen der vorrangigen Insolvenzschulden – noch vorhandenen vier Vermögenswerte abzuschöpfen. Da etwaige Schadensersatzansprüche der Republik K.      (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1 StGB; § 826 BGB) nach Ablauf von über zehn Jahren (§ 199 Abs. 3, 4 BGB) verjährt seien, drohe keine doppelte Inanspruchnahme der Verfallsbeteiligten durch den Staat auf der einen und den geschädigten Vertragspartner auf der anderen Seite (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aF).

II.

6Die Revision ist teilweise begründet.

71. Die Verfallsentscheidung hält der sachlichrechtlichen Prüfung teilweise nicht stand. Die nach § 73c Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 StGB aF ergangene Ermessensentscheidung weist einen Rechtsfehler zum Nachteil der Verfallsbeteiligten auf, weil auf der Tatbestandsseite der Wert des noch vorhandenen Vermögens in Bezug auf die Rückzahlungsforderung gegen die I.                               S.      GmbH in Höhe von 600.000 € nicht zutreffend bestimmt ist.

8a) Dass die Forderung auf Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 600.000 € werthaltig ist, ist durch die Feststellungen nicht belegt. Insoweit wäre – wie bei der Verfallsbeteiligten – festzustellen gewesen, wie sich die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der schweizerischen Kapitalgesellschaft auswirkt und welche Gläubiger vorrangig zu befriedigen sind. Auch insoweit ist für eine ermessensfehlerfreie Abschöpfung die Prüfung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 StGB aF erforderlich, ob die Insolvenzmasse zur Befriedigung vorrangiger Forderungen ausreicht und ob danach noch verwertbares Vermögen vorhanden ist (, BGHSt 52, 227 Rn. 114; Beschluss vom – 1 StR 336/13 Rn. 18).

9b) Der Betrag in Höhe von 600.000 € ist abzuziehen (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Denn auf diesen Vermögenszufluss hat das Landgericht – neben der Gutschrift in Höhe von 991.551,36 € – seine Verfallsentscheidung zu Lasten der nicht revidierenden Verfallsbeteiligten nach § 73 Abs. 3 StGB aF (ʺVerschiebungsfallʺ) gestützt und in Höhe zweier verbliebener Bankguthaben von insgesamt 1.152.069,12 € den Verfall von Wertersatz angeordnet. Weil diese Verfallsanordnung rechtskräftig geworden ist, ist nunmehr zu berücksichtigen, dass dieser Betrag wenn nicht von anderen vorrangigen Insolvenzgläubigern, so jedenfalls vom Justizfiskus abgeschöpft wird, mithin nach erfolgreicher Abschöpfung die nicht revidierende Verfallsbeteiligte gänzlich vermögenslos ist. Damit erweist sich die Rückzahlungsforderung der Beschwerdeführerin nunmehr als wertlos.

102. Im Übrigen hat die Verfallsanordnung Bestand.

11a) Dabei kann der Senat offenlassen, ob sich das Erlangte nach dem gesamten vereinnahmten Kaufpreis (vgl. insbesondere , BGHSt 52, 227 Rn. 103 ff.) oder (nur) nach dem Wert der Auftragsvergabe bestimmt (insbesondere Rn. 47 ff., BGHSt 50, 299, 309 ff. und vom – 3 StR 5/13, BGHSt 59, 80, 93 f. Rn. 31; Beschluss vom – 5 StR 482/05 Rn. 17). Denn der nach dem Abzug von 600.000 € verbleibende Abschöpfungsumfang (797.090,59 €) ist durch die wieder abgeflossenen Bestechungsgelder in Höhe von 855.229 € gedeckt. Nach den rechtskräftigen Feststellungen waren diese Bestechungsgelder Teil des rechtswidrigen Preisaufschlags (vgl. dazu Rn. 66, BGHSt 50, 299, 314 f.; vom – 1 StR 234/17 Rn. 39 und vom – 1 StR 532/12 Rn. 40; Beschlüsse vom – 1 StR 13/13 Rn. 48, BGHSt 59, 205 und vom – 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 332 f.). Die Verfallsbeteiligte verfügte jeweils erst nach Vereinnahmen der Kaufpreise über ausreichend Liquidität, um die Bestechungsgelder zu bezahlen; diese waren mithin Teil des kalkulierten Überschusses und in diesem Sinne des verteilungsfähigen Gewinns.

12b) Wie das Landgericht rechtlich zutreffend gewürdigt hat, ist nunmehr die Abschöpfung ohne Rücksicht auf etwaige Schadensersatzansprüche der Republik K.      (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aF) anzuordnen. Nach Art. 40 Abs. 1 EGBGB unterliegen Ansprüche aus unerlaubter Handlung dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat (vgl. Rn. 79). Die geschädigte Republik K.      hatte Kenntnis vom Strafverfahren durch Ladung ihres Botschafters (vgl. § 166 Abs. 1 BGB). Damit greift die Verjährungsvorschrift des § 199 BGB ein. Etwaige Rückzahlungsansprüche sind nunmehr nach Ablauf von über zehn Jahren nach Bezahlung der letzten Kaufpreisrate Ende April 2008 verjährt (§ 199 Abs. 3, 4 BGB). Nach Verjährung besteht die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme nicht mehr ( Rn. 8; Beschlüsse vom – 1 StR 412/16 Rn. 70 und vom – 3 StR 438/14 Rn. 3).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:140120B1STR531.19.0

Fundstelle(n):
MAAAH-49980