BMF - IV C 1 - S 2401/20/10001 :001

Kapitalertragsteuer; Elektronische Steuerbescheinigung mit Datenabgleich

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Fiskus wurde in der Vergangenheit wiederholt durch Gestaltungen zur Erlangung rechtswidriger Steuervorteile aus der Anrechnung bzw. Erstattung von Kapitalertragsteuer geschädigt. Diese als Cum/Ex-, Cum/Cum- und Cum/Fake-Geschäfte in der Öffentlichkeit diskutierten Gestaltungen haben zu einer Vielzahl von Steuer- und Steuerstrafverfahren mit hohen Erstattungsbeträgen geführt.

Bei der Aufarbeitung dieser Fallgestaltungen hat sich gezeigt, dass die Missbrauchskontrolle bei der Anrechnung oder Erstattung von Kapitalertragsteuer auf inländische Dividendenzahlungen dadurch erschwert wird, dass die Finanzverwaltung keine Informationen darüber hat,

  • wieviel Kapitalertragsteuer je Aktiengattung einbehalten wurde,

  • in welcher Höhe in den Steuerbescheinigungen Kapitalertragsteuer pro Aktiengattung ausgewiesen wurde,

  • welche Anteilseigner entsprechende Kapitalerträge bezogen haben,

  • welche Art von Wertpapiergeschäften im Zusammenhang mit diesen Kapitalerträgen abgewickelt wurden und

  • wer die tatsächlich zur Anrechnung oder Erstattung berechtigten Aktionäre sind.

Das heutige Verfahren der Anmeldung und Bescheinigung der Kapitalertragsteuer sieht nicht vor, dass das depotführende Kreditinstitut mitteilt, für welche konkreten Dividendenzahlungen einer Aktiengesellschaft Steuer einbehalten wurde und welche Wertpapiergeschäfte zugrunde lagen. Vielmehr wird nur abstrakt eine Gesamtsumme der auf Dividenden aus unterschiedlichen Quellen einbehaltenen Kapitalertragsteuer in der Kapitalertragsteueranmeldung und Bescheinigung ausgewiesen. Insbesondere wird keine deutsche Wertpapierkennnummer (WKN) und keine International Securities Identification Number (ISIN) mitgeteilt.

Bei im Ausland verwahrten inländischen Aktien behält die letzte inländische Stelle (Kreditinstitut), die die Dividende an eine ausländische Stelle auszahlt (§ 44 Absatz 1 Satz 4 Nummer 3 Buchstabe a EStG) oder Clearstream als Wertpapiersammelbank (§ 44 Absatz 1 Satz 4 Nummer 3 Buchstabe b EStG) Kapitalertragsteuer ein. Bei der Anmeldung und Abführung der Kapitalertragsteuer an das zuständige Betriebsstättenfinanzamt wird ebenfalls nicht mitgeteilt, für welche konkrete Aktiengattung Kapitalertragsteuer einbehalten wurde.

Die Finanzbehörden können aus den geschilderten Gründen derzeit weder bei Inlands- noch bei Auslandsverwahrung feststellen, in welcher Höhe für eine bestimmte Aktiengattung Kapitalertragsteuer einbehalten wurde. Auch die Höhe der bescheinigten bzw. nicht bescheinigten Kapitalertragsteuer je Aktiengattung und Depotkunde ist nicht bekannt.

Eine Besonderheit der Cum/Ex-Gestaltungen bestand in den im unterjährigen und historischen Vergleich hohen Transaktionsvolumina um den Dividendenstichtag, die teilweise ein Vielfaches der Vergleichsgrößen zum Gegenstand hatten. Auch die Cum/Cum- bzw. Cum/Fake-Gestaltungen wurden auf Grundlage über Transaktionen um den Dividendenstichtag abgewickelt.

Erforderliche gesetzgeberische oder verwaltungsseitige Maßnahmen gegen diese Art von Gestaltungen könnten früher umgesetzt werden, wenn die Finanzverwaltung zu einem früheren Zeitpunkt Erkenntnisse zu auffälligen Volumina und Transaktionen um den Dividendenstichtag gewinnen würde, um eine Plausibilisierung der auf Kapitalerträge einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer vornehmen zu können.

Außerdem könnten mögliche Gestaltungen zur Umgehung des § 36a EStG bzw. 50j EStG leichter erkannt und die Aussagefähigkeit der bei Anrechnung bzw. Erstattung von Kapitalertragsteuer zu prüfenden Angaben verbessert werden.

Zur Verwirklichung dieses Zieles wurden die diesem Schreiben als Anlage beigefügten Regelungsvorschläge konzipiert.

Diese beinhalten im Wesentlichen:

  • die elektronische Übermittlung der für das Erstattungsverfahren für beschränkt Steuerpflichtige relevanten Daten zum Einbehalt der Kapitalertragsteuer an das Bundeszentralamt für Steuern

  • die Verschärfung der Haftungsregelungen für die Ausstellung fehlerhafter Steuerbescheinigungen durch die Streichung des § 45a Absatz 7 Satz 3 EStG

  • die verpflichtende Vergabe einer eindeutigen Ordnungsnummer bei Ausstellung von Steuerbescheinigungen

  • die Ausweitung der auf Steuerbescheinigungen auszuweisenden Informationen zu Art und Umfang der Kapitalerträge aus girosammelverwahrten Wertpapieren und der zugrundeliegenden Wertpapiergeschäfte

  • die Ausweitung der Anforderungen bei Ausstellung von Steuerbescheinigungen für Hinterlegungsscheine

  • die elektronische Übermittlung der auf Steuerbescheinigungen auszuweisenden Informationen zu Kapitalerträgen aus girosammelverwahrten Wertpapieren an das Bundeszentralamt für Steuern

  • die elektronische Übermittlung von Informationen zum Umfang der nicht bescheinigten Kapitalertragsteuer und zu Art und Umfang der Abstandnahme vom Steuerabzug bei Kapitalerträgen aus girosammelverwahrten Wertpapieren

  • die elektronische Übermittlung von Informationen zu Art und Umfang der Kapitalerträge je Wertpapiergattung bei Wertpapieren aus girosammelverwahrten Aktien und der darauf erhobenen und bescheinigten Kapitalertragsteuer

Für die Umsetzung des elektronischen Meldeverfahrens sind umfangreiche EDV-technische Vorbereitungen zur Erfassung, Übermittlung und Entgegennahme der jeweiligen Daten erforderlich. Dies setzt einen erheblichen zeitlichen Vorlauf voraus. Derzeit wird davon ausgegangen, dass die Daten für Kapitalerträge, die nach dem zufließen zu erfassen sind.

Für Ihre Stellungnahme zu den diesem Schreiben als Anlage beigefügten Regelungsvorschlägen bis zum wäre ich dankbar.

Im Auftrag

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Anlage: Regelungsvorschläge Datei öffnen

BMF v. - IV C 1 - S 2401/20/10001 :001

Fundstelle(n):
DStZ 2020 S. 556 Nr. 15
MAAAH-49364