Schadensersatz bei Gesellschaftsbeteiligung: Verjährungshemmende Wirkung bei "demnächstiger" Klagezustellung
Gesetze: § 167 ZPO, § 204 Abs 1 Nr 1 BGB
Instanzenzug: Hanseatisches Az: 8 U 143/16vorgehend Az: 301 O 87/13
Tatbestand
1Die Klägerin begehrt die Zahlung von 54.200 € nebst Zinsen als Schadensersatz aus abgetretenem Recht wegen der von der Zedentin Dr. Z. 2009 gezeichneten Beteiligung an der M. GmbH & Co. KG, deren Gründungsgesellschafterin die Beklagte zu 1 ist. Die Beteiligung erfolgte mittelbar über die Beklagte zu 2, die Initiatorin und Prospektherausgeberin war, als Treuhänderin.
2Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat hinsichtlich der Klageabweisung bezüglich der Beklagten zu 1 und 2 zugelassene Revision der Klägerin.
Gründe
3Die Revision der Klägerin hat Erfolg.
4Über sie ist trotz Säumnis der Beklagten in der Revisionsverhandlung durch streitiges Urteil zu entscheiden, weil ihre dem Rechtsstreit unbeanstandet beigetretene Streithelferin in der Verhandlung aufgetreten ist und ihren Revisionsantrag verlesen hat. Hierzu war sie nach § 67 Halbsatz 2 ZPO berechtigt (, ZIP 1994, 787, 788).
5Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts hinsichtlich der Beklagten zu 1 und 2 zurückgewiesen worden ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
6I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
7Es könne dahinstehen, ob der Klägerin gegenüber den Beklagten zu 1 und 2 aus abgetretenem Recht ein Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss zustehe. Etwaige Schadensersatzansprüche seien jedenfalls verjährt. Das Landgericht habe rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass die Verjährung Ende 2010 zu laufen begonnen und am geendet habe. Die am eingegangene Klage sei am und damit nicht mehr demnächst im Sinne des § 167 ZPO zugestellt worden. Die gerichtliche Streitwertfestsetzung sei der Klägerin am zugegangen, die am den Gerichtskostenvorschuss eingezahlt habe. Eine entsprechende Mitteilung der Justizkasse habe das Gericht erst am erreicht, woraufhin am das schriftliche Vorverfahren angeordnet und die Klage den Beklagten zu 1 und 2 jeweils am zugestellt worden sei. Es sei der Klägerin als Versäumnis anzulasten, dass sie zweieinhalb Monate nach Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses tatenlos abgewartet habe, ohne in dieser ganz am Ende der Verjährung erhobenen Klage Nachfrage bei Gericht zu halten.
8II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin nicht verjährt, soweit - wie revisionsrechtlich zu unterstellen ist - die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres 2010 begann. Die erst am erfolgte Zustellung der Klage wirkt auf den Zeitpunkt ihrer Einreichung am zurück, so dass die Klage vor Eintritt der Verjährung erhoben und die Verjährung gehemmt worden ist, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Diese Rückwirkung tritt nach § 167 ZPO ein, wenn die Zustellung "demnächst" erfolgt, was hier der Fall ist.
9Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Begriff "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO ohne eine absolute zeitliche Grenze im Wege einer wertenden Betrachtung auszulegen. Der Zustellungsbetreiber muss alles ihm Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan haben (, NZM 2011, 752 Rn. 6; Urteil vom - IX ZR 130/10, ZIP 2013, 374 Rn. 35). Dem Zustellungsveranlasser zuzurechnende Verzögerungen von bis zu 14 Tagen gelten regelmäßig noch als "geringfügig" und sind deshalb hinzunehmen (, ZIP 2017, 281 Rn. 25 mwN). Zur Einzahlung eines angeforderten Gerichtskostenvorschusses (§ 12 Abs. 1 GKG) ist ihm dabei in der Regel eine Erledigungsfrist von bis zu einer Woche zuzugestehen (, NJW-RR 2018, 461 Rn. 9 mwN). Die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses am durch die Klägerin führte danach hier nicht zu einer Verzögerung von mehr als 14 Tagen und steht der Annahme, dass die Zustellung demnächst erfolgte, nicht entgegen.
10Die Verzögerung der Zustellung der Klage nach der Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses bis zum ist nicht der Klägerin anzulasten. Anders als das Berufungsgericht meint, sind Verzögerungen im Zustellungsverfahren, die durch eine fehlerhafte Sachbehandlung des Gerichts verursacht sind, einem Kläger nicht zuzurechnen. Hat er alle von ihm geforderten Mitwirkungshandlungen für eine ordnungsgemäße Klagezustellung erbracht, insbesondere den Gerichtskostenvorschuss eingezahlt, so sind er und sein Prozessbevollmächtigter im Weiteren grundsätzlich nicht mehr gehalten, das gerichtliche Vorgehen zu kontrollieren und durch Nachfragen auf die beschleunigte Zustellung hinzuwirken (, BGHZ 168, 306 Rn. 20 f.; Urteil vom - V ZR 136/10, NZM 2011, 752 Rn. 6; Urteil vom - IX ZR 130/10, ZIP 2013, 374 Rn. 35; BVerfG, NJW 2012, 2869 Rn. 14; BAG, NJW 2013, 252 Rn. 31). Aus den vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (, NJW-RR 2004, 1575, 1576; Beschluss vom - XII ZB 118/04, NJW 2005, 1194, 1195) und den weiter von der Revision der Nebenintervenientin angeführten höchstrichterlichen Entscheidungen (, NJW 2003, 2830, 2831; Urteil vom - I ZR 237/03, NJW-RR 1436 Rn. 18) folgt nichts Anderes. Zum einen waren in diesen Entscheidungen die Ausführungen zu einer Erkundigungspflicht des Zustellungsbetreibers nicht tragend, zum anderen haben die jeweiligen Senate auf Nachfrage des IV. Zivilsenats bestätigt, dass ihre Entscheidungen seinem Urteil vom nicht entgegenstünden. Die Entscheidung des I. Zivilsenats (, NJW-RR 1436 Rn. 11) war aufgrund der dort vor der Zustellung erhobenen Beanstandung des Mahngerichts anders gelagert (vgl. , BGHZ 168, 306 Rn. 24 f.).
11Nach der Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses traf die Klägerin grundsätzlich keine Erkundigungspflicht, jedenfalls nicht bereits schon nach zweieinhalb Monaten. Für eine Verpflichtung oder Obliegenheit der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten, in diesem Stadium des Verfahrens durch eine Kontrolle des gerichtlichen Vorgehens auf eine größtmögliche Beschleunigung hinzuwirken, fehlt die rechtliche Grundlage.
12III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da der Rechtsstreit noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:011019UIIZR169.18.0
Fundstelle(n):
KAAAH-48572