Zuordnung der Beförderung im Rahmen eines grenzüberschreitenden Reihengeschäfts: Übergang der Verfügungsmacht bereits vor
Beginn der physischen Warenlieferung durch Vereinbarung des Eigentumsübergangs in einer Anzahlungsrechnung
Leitsatz
1. Die Regelungen zum Reihengeschäft – insbesondere § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG – sind unionsrechtskonform dahingehend auszulegen,
dass es für die Zuordnung der Warenbewegung darauf ankommt, wann und wo welchem Beteiligten die Befähigung, wie ein Eigentümer
über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, übertragen wurde. Dabei ist eine Gesamtwürdigung aller objektiven Umstände
vorzunehmen. Subjektive Erwägungen spielen bei der Beurteilung der Frage, welcher Beteiligter im Reihengeschäft bei Grenzübertritt
der Ware die eigentümergleiche Verfügungsmacht innehatte, keine Rolle.
2. Die eigentümergleiche Verfügungsmacht erfordert, dass dem Erwerber die wirtschaftliche Substanz, Wert und Ertrag an dem
betreffenden Gegenstand übertragen wird. Die Besitzübertragung allein ist nicht ausreichend. Die Incoterms regeln lediglich
die Gefahrtragung und sind nur mittelbar ein Indiz für die Verschaffung der Verfügungsmacht, sind aber nicht notwendigerweise
mit dem zivilrechtlichen Eigentumsübergang verbunden. Auch die zivilrechtlichen Vorgaben können allein und unmittelbar nicht
maßgebend sein. Die Transportverantwortung ist nur als ein weiteres Indiz für die Zuordnungsentscheidung zu berücksichtigen
(Anschluss an , EFG 2018 S. 1306; Ábgrenzung zur Verwaltungsauffassung in
Abschn. 3.14 Abs. 7 UStAE).
3. Die Verschaffung der Verfügungsmacht ist in der Regel mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentumsübergang auf den Leistungsempfänger
verbunden. Jedoch bezieht sich der Begriff der Lieferung nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale
Recht vorgesehenen Formen, sondern umfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere
Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer.
4. Der erste Abnehmer im Rahmen eines Reihengeschäfts kann die Verfügungsmacht über die gekaufte Ware bereits vor Beginn der
physischen Warenlieferung vom Lieferer erhalten, wenn die Waren nach einer ausdrücklichen Vereinbarung in der Anzahlungsrechnung
bereits mit Eingang der Zahlung als „Eigentum” des Abnehmers zu kennzeichnen sind und die Übergabe gem. § 930 BGB dadurch
ersetzt wird, dass zwischen dem Lieferer und dem Abnehmer ein (stillschweigender) Verwahrvertrag bis zur Übergabe an einen
Spediteur geschlossen wird. Insoweit ist unerheblich, dass nicht der erste Abnehmer, sondern der Lieferer den Transport der
Waren bezahlt und beauftragt hat.
Fundstelle(n): DStR 2020 S. 8 Nr. 30 DStRE 2020 S. 991 Nr. 16 EFG 2020 S. 866 Nr. 12 OAAAH-48293
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FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil v. 20.11.2019 - 3 K 308/18
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