NWB Nr. 16 vom Seite 1097

COVID-19-Folgen: Kredite allein reichen nicht

Professor Dr. Jochen Lüdicke | RA StB FAStR | Präsident Bundesverband der Steuerberater e.V. | Berlin/Düsseldorf

Dringende steuerliche Maßnahmen zur Stützung von Unternehmen

Die Exekutive hat zum Schutz der Gesundheit in einer bisher glücklicherweise nie erforderlichen Intensität in die unternehmerischen Grundfreiheiten eingegriffen. Sie hat sich bemüht, Liquiditätsengpässe vornehmlich durch Kredite und vereinfachte Herabsetzung von Steuervorauszahlungen abzufedern. Diese Maßnahmen sind bedauerlicherweise nicht ausreichend. Kreditunterstützungen mit 100 % Garantie werden besser als in der Vergangenheit greifen. Mit Krediten allein lässt sich die Lage der Unternehmen nicht verbessern. Viele haben ihren ganzen Umsatz verloren, ohne dass sich auf der Kostenseite wesentliche Einsparungen ergeben hätten. Handelsware ist teilweise verdorben. Insofern rächt sich, dass in den letzten Jahren die Glättung der Steuereinnahmen Vorrang vor einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit erhalten hat. Diesen „Luxus“ zulasten der Unternehmen können wir uns als Gesellschaft in der Krise nicht mehr leisten.

Der Bundesverband der Steuerberater hat Anfang April in einem offenen Brief Sofortmaßnahmen vorgeschlagen:

  1. Wiedereinführung des Verlustrücktrags (§ 10d EStG) auf zwei Jahre. Als „Verlust“ sollen die Kosten betroffener Betriebe für (zunächst) zwei Monate gelten. Etwa zu hohe Vorauszahlungen oder eine Abschlusszahlung für 2018 (ESt, KSt und GewSt) bzw. (sollte der „Verlust“ größer als der Gewinn 2018 sein) für 2019 sollen unverzüglich nach Antragstellung erstattet werden. Verlängert sich die Kurzarbeit oder die Betriebsschließung, erhöht sich der „Verlust“ je angefangenem Monat um einen Monat Kosten.

  2. Wegen der Vorauszahlungstermine 10. März für ESt und KSt und 15. Februar für GewSt kamen die Stundungserleichterungen zu spät. Den betroffenen Betrieben sollten, sofern sie von Kurzarbeit oder Betriebsschließungen betroffen sind, die Steuervorauszahlungen für die ersten zwei Quartale erlassen werden; waren schon Vorauszahlungen geleistet worden, werden diese unverzüglich erstattet. Für alle weniger betroffenen Unternehmen sollten vereinfacht die Steuervorauszahlungen herabgesetzt werden können. Mit der Antragstellung kann eine Verpflichtung verbunden werden, innerhalb von drei Monaten nach dem Ende der Kurzarbeit bzw. Betriebsschließung eine Neuschätzung bezüglich des Jahresergebnisses einzureichen, damit dann die Vorauszahlungen für 2020 neu festgesetzt werden können.

  3. Eine besondere kurzfristige Verifikation der Angaben erscheint mit Blick darauf verzichtbar, dass fehlerhafte Angaben zu den Kosten als Steuerhinterziehung bzw. leichtfertige Steuerverkürzung sanktioniert sind.

Uns ist bewusst, dass Bund und Länder den belasteten Kommunen werden helfen müssen. Dies ist aber u. E. kein Argument gegen die Heranziehung auch der Kommunen, da sonst die oft höchste Unternehmensteuer nicht erfasst wäre. Mit diesen Maßnahmen würden Bund und Länder anfangen, ihrer finanziellen Verantwortung für die Grundrechtseingriffe im Interesse der Gesundheit nachzukommen.

Jochen Lüdicke

Fundstelle(n):
NWB 2020 Seite 1097
NWB ZAAAH-46425