BAG Urteil v. - 10 AZR 141/18

Beitragspflichten zu dem Sozialkassensystem der Bauwirtschaft - Vermietung von Baumaschinen mit Bedienungspersonal - Verfassungsmäßigkeit des SokaSiG

Gesetze: § 138 Abs 1 ZPO, § 1 Abs 1 VTV-Bau, § 1 Abs 2 Abschn II VTV-Bau, § 1 Abs 2 Abschn V Nr 10 VTV-Bau, § 1 Abs 2 Abschn V Nr 29 VTV-Bau, § 1 Abs 2 Abschn V Nr 36 VTV-Bau, § 1 Abs 2 Abschn V Nr 39 VTV-Bau, § 15 Abs 1 S 1 VTV-Bau, § 18 Abs 1 S 1 VTV-Bau, § 21 Abs 1 S 1 VTV-Bau, § 1 Abs 3 S 1 VTV-Bau, § 7 Abs 3 SokaSiG, Anl 32 SokaSiG, Anl 28 SokaSiG, Anl 29 SokaSiG, Anl 30 SokaSiG, Anl 31 SokaSiG, Art 9 Abs 3 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 2 S 2 GG, § 5 TVG, Art 3 Abs 1 GG

Instanzenzug: Az: 66 Ca 60088/15 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 21 Sa 1545/15 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über Beiträge zu dem Sozialkassensystem der Bauwirtschaft für den Zeitraum von Januar 2011 bis September 2014 in rechnerisch unumstrittener Höhe von insgesamt 14.346,09 Euro.

2Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft verpflichtet. Der Senat hat festgestellt, dass die Allgemeinverbindlicherklärungen aller im Streitzeitraum geltenden Fassungen der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom und unwirksam sind ( - BAGE 156, 213; - 10 ABR 48/15 - BAGE 156, 289; - 10 ABR 34/15 -; - 10 ABR 43/15 -).

3Die nicht originär tarifgebundene Beklagte unterhält einen Betrieb in G. Im Rahmen der Anmeldung ihres Gewerbes im Jahr 2003 hatte sie als Betriebstätigkeiten „Abriss, Erdbau, Baggerarbeiten sowie Garten- und Landschaftsbau“ angegeben. In der Zeit von Januar 2011 bis Juni 2013 beschäftigte sie ihren Ehemann, ab dem außerdem Herrn H und vom bis zum zusätzlich Herrn L jeweils als Baumaschinisten.

4Mit Schreiben vom unterrichtete das Hauptzollamt Magdeburg den Kläger ua. darüber, dass der Ehemann der Beklagten drei Tage zuvor auf einer Baustelle in Dessau als Baumaschinist Abrissarbeiten ausgeführt habe. In einer E-Mail vom ließ die Beklagte dem Kläger mitteilen, ihr Betrieb führe keine Bauleistungen aus, sondern vermiete Baumaschinen mit Personal an Abriss- und Bauunternehmen. Am führte der Kläger eine Betriebsprüfung bei der Beklagten durch.

5Der Kläger hat behauptet, der Betrieb habe im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitszeitlich überwiegend Abbruch- und Erdbauarbeiten ausgeführt und Baumaschinen mit Bedienungspersonal an Abbruch- und Baubetriebe für Erdbau- und Abbrucharbeiten vermietet. Mieter seien im Wesentlichen die RE GmbH, die R GmbH, die F GmbH und die L GmbH gewesen. Die RE GmbH und die F GmbH übten eindeutig baugewerbliche Tätigkeiten aus.

6Der Kläger hat zuletzt beantragt,

7Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, der Kläger habe eine überwiegende Bautätigkeit ihres Betriebs nicht schlüssig dargelegt. Im Rahmen der Betriebsprüfung habe er alle Unterlagen einsehen und jederzeit weitere Unterlagen anfordern können. Deshalb sei sein lediglich aus Indiztatsachen bestehender Vortrag zur Eröffnung des betrieblichen Geltungsbereichs des VTV unzureichend. Abgesehen davon, so hat die Beklagte behauptet, habe sie ihre Baumaschinen im Wesentlichen forstwirtschaftlichen Betrieben zur Verfügung gestellt. Daneben sei sie im Bereich Recycling tätig gewesen. Sie sei von Abbruchunternehmen damit beauftragt worden, Bauschutt zu zerkleinern und in seine jeweiligen Bestandteile zu trennen. Für die Verladung und den Abtransport seien andere Unternehmen zuständig gewesen. Abrissarbeiten an Gebäuden oder anderweitige Tiefbau- oder Abrissarbeiten habe sie im Streitzeitraum nicht ausgeführt. Das SokaSiG hält die Beklagte für verfassungswidrig. Es verstoße gegen das Verbot rückwirkender Gesetze, das Gewaltenteilungsprinzip und gegen Art. 9 Abs. 3 GG. Auch mit dem Bestimmtheitsgebot und dem Gebot der „Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit“ sei das Gesetz unvereinbar. Seine Anwendung im konkreten Einzelfall verletze zudem Art. 3 Abs. 1 GG.

8Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wissen.

Gründe

9Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung zu Recht abgeändert und die Beklagte dazu verurteilt, die Beiträge für den streitgegenständlichen Zeitraum zu leisten.

10A. Die Berufung des Klägers ist entgegen der Auffassung der Beklagten zulässig.

11I. Nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht ( - Rn. 12 mwN).

12II. Die Berufungsbegründung entspricht diesen Anforderungen. Der Kläger wehrt sich gegen die nach seiner Auffassung überhöhten Anforderungen des Arbeitsgerichts an seine Darlegungslast. In diesem Zusammenhang rügt er die unterbliebene Würdigung des Inhalts der E-Mail vom und der Rechnungen über die Vermietung von Baumaschinen mit Bedienungspersonal an baugewerbliche Betriebe. Damit zeigt er rechtliche Gründe auf, aus denen sich das Urteil in seinen Augen als fehlerhaft erweist.

13III. Dem Kläger fehlte auch nicht die für eine zulässige Berufung erforderliche Beschwer.

141. Das Rechtsmittel der Berufung setzt voraus, dass der Berufungskläger die Beseitigung einer in der angefochtenen Entscheidung liegenden Beschwer erstrebt. Dies erfordert, dass der im ersten Rechtszug erhobene Anspruch wenigstens teilweise weiterverfolgt wird. Ein im Weg der Klageänderung neuer, bisher nicht gestellter Anspruch kann nicht das alleinige Ziel eines Rechtsmittels sein ( - Rn. 12 mwN).

152. Der Kläger hat seinen erstinstanzlich erhobenen Anspruch in der Berufungsinstanz weiterverfolgt. Er hat keinen neuen Streitgegenstand in das Verfahren eingebracht, indem er sein Begehren nur noch auf das SokaSiG gestützt hat. Beitragsansprüche nach den Tarifverträgen über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe, für deren Geltungserstreckung sowohl eine Allgemeinverbindlicherklärung als auch § 7 SokaSiG in Betracht kommen, werden von demselben den Streitgegenstand umgrenzenden Lebenssachverhalt erfasst. Die Ansprüche stützen sich auf dasselbe Tatgeschehen. Sie sind weder in ihren materiell-rechtlichen Voraussetzungen noch in ihren Folgen oder strukturell grundlegend verschieden ausgestaltet ( - Rn. 10; - 10 AZR 177/18 - Rn. 26; - 10 AZR 531/18 - Rn. 11; - 10 AZR 549/18 - Rn. 14; - 10 AZR 498/17 - Rn. 27; - 10 AZR 559/17 - Rn. 12; - 10 AZR 318/17 - Rn. 15; - 10 AZR 121/18 - Rn. 18 ff., BAGE 164, 201).

16B. Die Klage ist begründet. Der Kläger kann von der Beklagten nach § 7 Abs. 3 bis Abs. 7 iVm. den Anlagen 28 bis 32 SokaSiG die geltend gemachten Sozialkassenbeiträge für den Streitzeitraum verlangen. Die Beitragspflicht für die gewerblichen Arbeitnehmer folgt für den Zeitraum vom bis zum aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. II, Abschn. V Nr. 10, Nr. 29, Nr. 36 und Nr. 39, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 iVm. § 18 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 1 Satz 1 VTV vom in der jeweils maßgeblichen, aus den Anlagen 30, 31 und 32 zu § 7 SokaSiG ersichtlichen Fassung. Für den Zeitraum vom bis zum ergibt sich die Beitragspflicht der Beklagten aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. II, Abschn. V Nr. 10, Nr. 29, Nr. 36 und Nr. 39, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 iVm. § 15 Abs. 1 Satz 1, § 18 Abs. 1 Satz 1 VTV vom in der jeweils maßgeblichen, aus den Anlagen 28 und 29 zu § 7 SokaSiG ersichtlichen Fassung. Die Voraussetzungen für eine Beitragspflicht der Beklagten nach den inhaltlich deckungsgleichen Bestimmungen dieser Verfahrenstarifverträge sind erfüllt.

17I. Der im Land Brandenburg gelegene Betrieb der Beklagten unterfällt dem räumlichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge (§ 1 Abs. 1 VTV). Die Baumaschinisten, die die Beklagte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Streitzeitraum beschäftigt hat, werden als gewerbliche Arbeitnehmer vom persönlichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge erfasst (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VTV).

18II. Das Landesarbeitsgericht ist auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen zu Recht davon ausgegangen, dass der Betrieb der Beklagten dem Geltungsbereich der für die streitgegenständlichen Ansprüche maßgeblichen Verfahrenstarifverträge unterfiel.

191. Der betriebliche Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge ist nach der ständigen Senatsrechtsprechung eröffnet, wenn in dem fraglichen Betrieb in den Kalenderjahren des Anspruchszeitraums arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt wurden, die unter § 1 Abs. 2 Abschn. I bis Abschn. V der Verfahrenstarifverträge fallen. Für den Anwendungsbereich der Verfahrenstarifverträge reicht es aus, wenn in dem Betrieb überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen ihres § 1 Abs. 2 Abschn. V genannten Tätigkeiten ausgeübt werden. Der Betrieb wird dann stets von dem betrieblichen Geltungsbereich erfasst, ohne dass die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III zusätzlich geprüft werden müssen ( - Rn. 30 mwN).

202. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden, obliegt dem Kläger. Sein Sachvortrag ist schlüssig, wenn er Tatsachen aufzeigt, die den Schluss zulassen, der Betrieb des Arbeitgebers werde vom betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge erfasst. Dazu gehört neben der Darlegung von Arbeiten, die sich § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge zuordnen lassen, auch das Vorbringen, dass diese Tätigkeiten insgesamt arbeitszeitlich überwiegen. Nicht erforderlich ist, dass der Kläger jede Einzelheit der behaupteten Tätigkeiten vorträgt. Dies kann er in der Regel nicht. Da er in seiner Funktion als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien zumeist keine näheren Einblicke in die dem Gegner bekannten Arbeitsabläufe hat und ihm die Darlegung deshalb erschwert ist, kann er, wenn Anhaltspunkte für einen Baubetrieb vorliegen, auch von ihm nur vermutete Tatsachen behaupten und unter Beweis stellen. Ist entsprechender Tatsachenvortrag gehalten, hat sich der Arbeitgeber hierzu nach § 138 Abs. 2 ZPO zu erklären. Regelmäßig obliegt ihm die Last des substantiierten Bestreitens, weil der Kläger außerhalb des Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen hat, während der Arbeitgeber sie kennt und ihm die entsprechenden Angaben zuzumuten sind. Das substantiierte Bestreiten kann sich auf die Art und/oder den Umfang der verrichteten Arbeiten beziehen. Um feststellen zu können, welche Tätigkeiten in welchem Umfang ausgeübt wurden, muss der Arbeitgeber im Rahmen des substantiierten Bestreitens entsprechende Tatsachen vortragen. Dazu gehört die Darlegung der zeitlichen Anteile der verschiedenen Tätigkeiten (st. Rspr., zB  - Rn. 19 mwN).

213. Danach unterfiel der Betrieb der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum dem Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge. Arbeitszeitlich überwiegend wurden bauliche Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II und Abschn. V Nr. 29, Nr. 36 und Nr. 39 der Verfahrenstarifverträge erbracht.

22a) Entgegen der Auffassung der Revision hat der Kläger nicht „ins Blaue hinein“ Tatsachen behauptet, die dazu führen, dass der betriebliche Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge eröffnet ist.

23aa) Der Kläger hat sich auf die Gewerbeanmeldung gestützt, in der die Beklagte als Gegenstand ihres Betriebs ua. Abrissarbeiten angegeben hat. Zudem hat er den Erfassungsbogen des Hauptzollamts Magdeburg vorgelegt, wonach der Ehemann der Beklagten am auf einer Baustelle in Dessau als Baumaschinist Abrissarbeiten ausgeführt hat. Er hat des Weiteren auf die E-Mail vom verwiesen, in der es heißt, man vermiete „Baumaschinen mit Personal an Abriss- und Bauunternehmen“. In diesem Zusammenhang hat er auf die von der Beklagten vorgelegten Rechnungen aus dem Streitzeitraum hingewiesen, die die Vermietung von Kettenbaggern mit Bedienungspersonal und ihren Einsatz auf Baustellen betreffen. Er hat ausgeführt, dass es sich bei den in den Rechnungen ausgewiesenen Auftraggebern der Beklagten überwiegend um Abbruch- und Baubetriebe gehandelt habe. Die Rechnungen hat er in nach Auftraggeber, Gegenstand und Zeitraum differenzierenden Übersichten zusammengestellt. Schließlich hat er weitere Rechnungen der Beklagten vorgelegt, die sich über den Rückbau von Leitungsmasten und einer Trafostation sowie die Instandsetzung eines Schuppens verhalten.

24bb) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger trotz der am durchgeführten Betriebsprüfung keine weiteren Tatsachen vortragen musste, um darzulegen, dass der betriebliche Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge eröffnet ist. Die Beklagte hat nicht behauptet, dem Betriebsprüfer für ihre Auffassung sprechende Dokumente vorgelegt zu haben. Dass der Kläger im Rahmen einer Betriebsprüfung möglicherweise Kenntnis von Tatsachen hätte erlangen können, die gegen die Eröffnung des betrieblichen Geltungsbereichs der Verfahrenstarifverträge sprechen, hat keine Auswirkungen auf seine Darlegungslast auf der ersten Stufe nach § 138 Abs. 1 ZPO.

25cc) Ohne Erfolg rügt die Beklagte die Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers im Schriftsatz vom durch das Landesarbeitsgericht. Selbst wenn es sich dabei um neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gehandelt haben sollte, die unter Verstoß gegen § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG zugelassen wurden, wäre der Senat an die Zulassung gebunden. Hat das Berufungsgericht Vorbringen zugelassen, ist dies im Revisionsverfahren unanfechtbar, weil die von § 67 ArbGG bezweckte Beschleunigungswirkung nicht wieder herstellbar ist ( - Rn. 26 mwN).

26b) Die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen lassen den Schluss darauf zu, dass die Beklagte im Streitzeitraum arbeitszeitlich überwiegend bauliche Tätigkeiten iSv. § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge ausgeführt hat.

27aa) Für Abbrucharbeiten ist der betriebliche Geltungsbereich nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 29 der Verfahrenstarifverträge eröffnet. Der Erdbau wird als Fachgebiet des Tiefbaus von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 36 der Verfahrenstarifverträge erfasst ( - zu II 3 d der Gründe mwN). Betriebe, die Schuppen instand setzen, unterfallen dem betrieblichen Geltungsbereich nach § 1 Abs. 2 Abschn. II der Verfahrenstarifverträge. Der Rückbau von Leitungsmasten und einer Trafostation stellt jedenfalls eine die Änderung oder Beseitigung von Bauwerken betreffende Tätigkeit iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II der Verfahrenstarifverträge dar.

28bb) Die Vermietung von Kettenbaggern mit Baggerführern an Abbruchunternehmen zur Aufarbeitung des Abbruchguts erfüllt das Tätigkeitsbeispiel des § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 39 der Verfahrenstarifverträge.

29(1) Eine Baumaschine ist eine Maschine, die bei der Ausführung von Hoch- und Tiefbauarbeiten verwendet wird ( - Rn. 18 mwN). Dass diese Voraussetzungen bei einem Kettenbagger erfüllt sind, stellt auch die Beklagte nicht infrage. Kettenbagger werden typischerweise im Tiefbau ua. zum Ausheben und Wiederverfüllen von Baugruben und Schächten sowie zum Lösen und Bewegen von Schüttgütern eingesetzt. Sie finden, wie auch der Streitfall zeigt, ebenfalls Verwendung bei der Aufarbeitung von Bauschutt.

30(2) Bei den auf den Kettenbaggern eingesetzten Baumaschinisten handelt es um „Bedienungspersonal“ im Tarifsinn (vgl.  - Rn. 22). Durch ihre Überlassung wurde dem jeweiligen Mieter der bestimmungsgemäße Einsatz der Kettenbagger überhaupt erst ermöglicht.

31(3) Indem die Beklagte ihren Kunden die Gebrauchsüberlassung der Kettenbagger samt Baggerführern nach Stunden in Rechnung gestellt hat, wurden die Baumaschinen iSd. der Tarifvorschrift „vermietet“. Hierfür ist allein entscheidend, dass die Maschinen nach mietrechtlichen Grundsätzen zum Gebrauch überlassen werden ( - Rn. 20 mwN). Dies hat die Beklagte nicht bestritten. Die jeweils erfolgte Abrechnung nach Zeit ist im Übrigen typisch für eine derartige „Vermietung“ (vgl.  - Rn. 23).

32(4) Der Einsatz von Baumaschinen mit Bedienungspersonal erfolgt „zur Erbringung baulicher Leistungen“, wenn mit ihrer Hilfe Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. I bis Abschn. V der Verfahrenstarifverträge oder damit im Zusammenhang stehende Tätigkeiten ausgeführt werden.

33(a) Die Verfahrenstarifverträge definieren den Begriff „bauliche Leistungen“ eigenständig. Er umfasst nach ihrem § 1 Abs. 2 nicht nur die gewerbliche Erstellung von Bauten (Abschn. I), sondern darüber hinaus alle Arbeiten, die irgendwie - wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet - der Errichtung und Vollendung von Bauwerken oder auch der Instandsetzung oder Instandhaltung von Bauwerken zu dienen bestimmt sind, sodass diese in vollem Umfang ihre bestimmungsgemäßen Zwecke erfüllen können (Abschn. II,  - Rn. 24 mwN). Zu den „baulichen Leistungen“ im Tarifsinn zählen insbesondere die in § 1 Abs. 2 Abschn. IV und Abschn. V der Verfahrenstarifverträge genannten Beispiele von baulichen Haupttätigkeiten ( - Rn. 11).

34(b) „Bauliche Leistungen“ sind darüber hinaus auch alle Arbeiten, die branchenüblich und zur sachgerechten Ausführung der in § 1 Abs. 2 Abschn. I bis Abschn. V der Verfahrenstarifverträge genannten baugewerblichen Tätigkeiten notwendig sind ( - Rn. 25 mwN). Ein Zusammenrechnen kommt bei solchen Tätigkeiten in Betracht, die unmittelbar zur Ausführung der jeweiligen Bautätigkeit erforderlich sind, dieser üblicherweise von ihrer Wertigkeit her untergeordnet sind und deshalb regelmäßig auch von ungelernten Hilfskräften verrichtet werden können ( - Rn. 33). Das Hinzurechnen einer Zusammenhangstätigkeit setzt dabei grundsätzlich eine eigene baugewerbliche Haupttätigkeit voraus. Daher unterfällt ein Betrieb, der ausschließlich Zusammenhangstätigkeiten erbringt, ohne zugleich baugewerbliche Tätigkeiten und Arbeiten auszuführen, nicht dem betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge ( - Rn. 20 mwN).

35(c) Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff „bauliche Leistungen“ in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 39 VTV nicht anderweitig definiert. Deshalb ist davon auszugehen, dass sie ihm in diesem Zusammenhang dieselbe Bedeutung beimessen wollen (vgl.  - Rn. 28). Soweit dem Urteil vom (- 10 AZR 842/12 - Rn. 22) entnommen werden könnte, das Tätigkeitsbeispiel in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 39 der Verfahrenstarifverträge erfordere stets bauliche Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. I der Verfahrenstarifverträge, hält der Senat daran nicht fest. Vielmehr wird eine Baumaschine „zur Erbringung baulicher Leistungen“ eingesetzt, wenn mit ihrer Hilfe Tätigkeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. I bis Abschn. V der Verfahrenstarifverträge oder damit im Zusammenhang stehende Arbeiten ausgeführt werden (vgl.  - zu dem insoweit inhaltsgleichen Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub, den Winter-Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Berliner Baugewerbe vom ).

36(5) Danach wurden die mit Bedienungspersonal vermieteten Kettenbagger zur Erbringung baulicher Leistungen eingesetzt.

37(a) Ausweislich der vorgelegten Rechnungen handelte es sich bei den Vertragspartnern der Beklagten im Vermietungsbereich weit überwiegend um Unternehmen, die Erdbau- und Abbrucharbeiten verrichteten. Die mit Bedienungspersonal vermieteten Kettenbagger kamen im streitigen Zeitraum nahezu durchgehend auf Baustellen dieser Unternehmen zum Einsatz. Erdbau- und Abbrucharbeiten sind nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 36 bzw. Nr. 29 der Verfahrenstarifverträge bauliche Leistungen.

38(b) Es kommt nicht darauf an, ob die mit Bedienungspersonal vermieteten Kettenbagger der Beklagten für genuine Abbrucharbeiten oder ausschließlich für die Aufbereitung des Abbruchguts eingesetzt wurden. Bei der Aufbereitung des Abbruchguts handelt es sich jedenfalls um eine sog. Zusammenhangstätigkeit mit den eigentlichen Abbrucharbeiten. Diese Arbeit wird üblicherweise von den Abbruchbetrieben erledigt und ist regelmäßig unmittelbar zur Ausführung der Abbruchtätigkeiten erforderlich. Wird das Abbruchgut nicht während der laufenden Abbrucharbeiten aufbereitet und sortiert, um es anschließend entsorgen zu können, staut es sich auf der Baustelle und erschwert oder verhindert den Fortgang der Abbrucharbeiten. Die auf der Baustelle erfolgende Sortierung des Abbruchguts durch das Abbruchunternehmen mit dem Ziel, es anschließend der vorgeschriebenen fachgerechten Entsorgung zuzuführen, ist der eigentlichen Abbruchtätigkeit von ihrer Wertigkeit her untergeordnet. Sie kann regelmäßig auch von Kräften ausgeführt werden, die keine spezielle Ausbildung nach der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft durchlaufen haben.

39(c) Dem steht nicht entgegen, dass ein Betrieb, der ausschließlich Zusammenhangstätigkeiten erbringt, ohne zugleich baugewerbliche Tätigkeiten und Arbeiten auszuführen, nicht dem betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge unterfällt (vgl.  - Rn. 20 mwN).

40(aa) Bei der Vermietung von Baumaschinen mit Bedienungspersonal zur Erbringung baulicher Leistungen handelt es sich nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 39 der Verfahrenstarifverträge um eine baugewerbliche Haupttätigkeit. Der die Baumaschinen vermietende Betrieb braucht über die - arbeitszeitlich überwiegende - Vermietung der Maschinen und die Gestellung des Bedienungspersonals hinaus weder dem Bauherrn noch dem mietenden Bauunternehmer gegenüber zu weiteren eigenen baulichen Leistungen gleich welcher Art verpflichtet zu sein. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob die mit Bedienungspersonal vermieteten Baumaschinen zumindest Zusammenhangstätigkeiten zu anderen baulichen Tätigkeiten des Vermieters erbringen ( - Rn. 26 mwN).

41(bb) Für die Frage, ob die mit Bedienungspersonal vermieteten Baumaschinen iSd. Tarifnorm „zur Erbringung baulicher Leistungen“ eingesetzt werden, sind allein die Verhältnisse im Betrieb des jeweiligen Mieters maßgeblich. Er bestimmt über den Einsatz der von ihm gemieteten Baumaschinen und des Bedienungspersonals. Daher werden die mit Bedienungspersonal vermieteten Baumaschinen auch dann „zur Erbringung baulicher Leistungen“ eingesetzt, wenn der Mieter damit ausschließlich Zusammenhangstätigkeiten zu von seinem Betrieb ausgeführten baugewerblichen Tätigkeiten ausführen lässt (vgl.  - Rn. 26).

42(cc) Nur diese Auslegung entspricht dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung: Die Kunden des Vermieterbetriebs verschaffen sich den Gebrauch der Maschine regelmäßig gerade deshalb, weil sie die Leistungen mit eigenem Personal und Gerät nicht erbringen wollen oder können (vgl.  - Rn. 21). Die Vermieterbetriebe unterfallen dem Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge, weil ihre Arbeitnehmer letztlich dieselben Arbeiten wie Arbeitnehmer von Betrieben des Baugewerbes verrichten und damit im Grunde ebenfalls „Arbeitnehmer des Baugewerbes“ sind (vgl.  - zu II 2 b der Gründe). Auf diese Weise haben die Tarifvertragsparteien verhindert, dass sich Betriebe dem betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge entziehen, obwohl sie durch die Vermietung ihrer Baumaschinen zusammen mit dem entsprechend geschulten Bedienungspersonal der Sache nach Tätigkeiten des Baugewerbes erbringen (vgl.  - zu II 2 aa der Gründe mwN).

43(dd) Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass das Tarifbeispiel in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 39 der Verfahrenstarifverträge keine arbeitszeitlich überwiegende Erbringung baulicher (Haupt-)Leistungen durch den die Baumaschinen mietenden Betrieb verlangt. Eine dahingehende Voraussetzung lässt sich weder dem Wortlaut der Regelung entnehmen, noch wäre sie mit ihrem dargelegten Sinn und Zweck vereinbar.

44c) Die Beklagte ist dem schlüssigen Vorbringen des Klägers nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Sie hat insbesondere keine Umstände vorgetragen, aus denen sich für den Streitzeitraum eine arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit ihres Betriebs für Forstunternehmen ergibt. Letztlich hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt, dass sie arbeitszeitlich überwiegend Abbruch-, Rückbau-, Instandsetzungs- und Erdbauarbeiten erbracht und Baumaschinen mit Bedienungspersonal an Drittunternehmen vermietet hat. Sie wehrt sich der Sache nach lediglich - ohne Erfolg - gegen die vom Senat geteilte Auffassung des Landesarbeitsgerichts, dass durch die mit Bedienungspersonal vermieteten Kettenbagger bauliche Leistungen im Tarifsinn erbracht wurden.

454. Der Kläger hat die Beitragsforderungen anhand der für den Streitzeitraum maßgeblichen Lohnjournale der Beklagten mithilfe der jeweils aktuellen Beitragssätze ermittelt. Einwendungen gegen die rechnerische Höhe der Beitragsforderungen hat die Beklagte nicht erhoben.

46III. Die Beklagte war ungeachtet ihrer fehlenden Verbandszugehörigkeit nach § 7 Abs. 3 bis Abs. 7 iVm. den Anlagen 28 bis 32 SokaSiG an die im Streitzeitraum geltenden Verfahrenstarifverträge gebunden. Gegen diese gesetzliche Geltungserstreckung der Verfahrenstarifverträge bestehen aus Sicht des Senats keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl.  - Rn. 28 ff.; - 10 AZR 400/18 - Rn. 28 ff.; - 10 AZR 38/18 - Rn. 15 ff.; - 10 AZR 562/18 - Rn. 20 ff.; - 10 AZR 549/18 - Rn. 84 ff.; - 10 AZR 550/18 - Rn. 23 ff.; - 10 AZR 498/17 - Rn. 39 ff.; - 10 AZR 499/17 - Rn. 81 ff.; - 10 AZR 559/17 - Rn. 29 ff.; - 10 AZR 318/17 - Rn. 47 ff.; - 10 AZR 512/17 - Rn. 32 ff.; - 10 AZR 121/18 - Rn. 42 ff., BAGE 164, 201).

471. § 7 SokaSiG verstößt nicht gegen Art. 9 Abs. 3 GG ( - Rn. 34 ff.; - 10 AZR 400/18 - Rn. 34 ff.; - 10 AZR 38/18 - Rn. 21 ff.; - 10 AZR 549/18 - Rn. 85 ff.; - 10 AZR 498/17 - Rn. 41; - 10 AZR 559/17 - Rn. 30 ff.; - 10 AZR 121/18 - Rn. 45 ff., BAGE 164, 201).

48a) Nach Auffassung des Senats verletzt das SokaSiG nicht die negative Koalitionsfreiheit. Soweit die gesetzliche Geltungserstreckung der Verfahrenstarifverträge einen mittelbaren Druck erzeugen sollte, um der größeren Einflussmöglichkeit willen Mitglied einer der tarifvertragsschließenden Parteien zu werden, ist dieser Druck jedenfalls nicht so erheblich, dass die negative Koalitionsfreiheit verletzt würde ( - Rn. 35; - 10 AZR 400/18 - Rn. 35; - 10 AZR 38/18 - Rn. 22; - 10 AZR 562/18 - Rn. 21; - 10 AZR 559/17 - Rn. 34; - 10 AZR 318/17 - Rn. 48; - 10 AZR 121/18 - Rn. 52, BAGE 164, 201).

49b) Ein Eingriff in die Koalitionsfreiheit kann nicht darin gesehen werden, dass der Gesetzgeber „erstmals derart in gesetzlich privatautonom geregelte Regelungsbereiche der Tarifvertragsparteien vordringt“ und es wegen des unterschiedlichen Grads der Grundrechtsbindung „einen erheblichen Unterschied macht, ob der Gesetzgeber eine Regelung trifft oder die Tarifvertragsparteien“. Die Tarifvertragsparteien hatten für alle von § 7 SokaSiG in Bezug genommenen Verfahrenstarifverträge einen Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung gestellt. Beim Erlass einer Allgemeinverbindlicherklärung unterliegt der Normgeber der Grundrechtsbindung ( - Rn. 36; - 10 AZR 400/18 - Rn. 36; - 10 AZR 38/18 - Rn. 23; zu der Grundrechtsbindung ausführlich  - Rn. 43 ff.).

50c) Ein etwaiger Eingriff in die Tarifautonomie durch die gesetzliche Geltungserstreckung ist jedenfalls im Interesse der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Systems der Tarifautonomie gerechtfertigt. Das SokaSiG dient einem legitimen Zweck, weil es den Fortbestand der Sozialkassenverfahren in der Bauwirtschaft sichern und Bedingungen für einen fairen Wettbewerb schaffen soll. Indem § 7 SokaSiG nicht nur Rückforderungsansprüche ausschließt, sondern auch den zukünftigen Beitragseinzug sicherstellt, kann dieser Zweck erreicht werden. Eine auf Rückforderungsansprüche beschränkte Regelung wäre zwar milder gewesen, aber nicht gleich wirksam ( - Rn. 37; - 10 AZR 400/18 - Rn. 37; - 10 AZR 559/17 - Rn. 35 ff.; - 10 AZR 318/17 - Rn. 48 ff.). Die mit § 7 SokaSiG verbundenen Belastungen für nicht tarifgebundene Arbeitgeber hält der Senat angesichts der mit der Norm verfolgten Ziele für zumutbar ( - Rn. 24; - 10 AZR 549/18 - Rn. 87; - 10 AZR 559/17 - Rn. 43 mwN).

512. § 7 SokaSiG verletzt nicht das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG geschützte Vertrauen tariffreier Arbeitgeber, von rückwirkenden Gesetzen nicht in unzulässiger Weise belastet zu werden ( - Rn. 39; - 10 AZR 400/18 - Rn. 39; - 10 AZR 38/18 - Rn. 26 ff.; - 10 AZR 562/18 - Rn. 23 ff.; - 10 AZR 549/18 - Rn. 90 ff.; - 10 AZR 499/17 - Rn. 90 ff.; - 10 AZR 559/17 - Rn. 46 ff.; - 10 AZR 318/17 - Rn. 58 ff.; - 10 AZR 121/18 - Rn. 68 ff., BAGE 164, 201). Es kommt allein darauf an, ob die betroffene Personengruppe bei objektiver Betrachtung auf den Fortbestand der bisherigen Regelung vertrauen konnte ( - aaO; - 10 AZR 400/18 - aaO; - 10 AZR 38/18 - Rn. 26; - 10 AZR 549/18 - Rn. 91; - 10 AZR 559/17 - Rn. 47 mwN). Das ist nicht der Fall.

52a) Mit Blick auf die von § 7 Abs. 3 bis Abs. 7 SokaSiG erfassten Zeiträume konnte sich bei der Beklagten aufgrund der Entscheidungen des Senats vom (- 10 ABR 33/15 - BAGE 156, 213; - 10 ABR 48/15 - BAGE 156, 289) und vom (- 10 ABR 34/15 -; - 10 ABR 43/15 -) kein hinreichend gefestigtes und damit schutzwürdiges Vertrauen darauf bilden, nicht zu Sozialkassenbeiträgen herangezogen zu werden. Vielmehr musste sie nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge von § 7 Abs. 3 bis Abs. 7 SokaSiG zurückbezogen wird, damit rechnen, dass die tariflichen Rechtsnormen durch Gesetz rückwirkend wieder auf nicht originär tarifgebundene Arbeitgeber erstreckt werden würden. Der Gesetzgeber brauchte auf zwischenzeitlich dennoch getätigte gegenläufige Vermögensdispositionen keine Rücksicht zu nehmen ( - Rn. 40; - 10 AZR 400/18 - Rn. 40; - 10 AZR 38/18 - Rn. 27; - 10 AZR 121/18 - Rn. 82 ff., BAGE 164, 201).

53b) Die Beklagte beruft sich vergeblich darauf, die „Ersetzung“ der unwirksamen Allgemeinverbindlicherklärungen durch eine gesetzliche Regelung sei nicht vorhersehbar gewesen. Dem Gesetzgeber steht die Wahl einer anderen Rechtsform als der in § 5 TVG geregelten Allgemeinverbindlicherklärung für die Erstreckung eines Tarifvertrags auf Außenseiter frei. Die Rechtsform ändert nichts an Inhalt und Ergebnis der Erwägungen zu der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen ( - Rn. 94; - 10 AZR 559/17 - Rn. 50; - 10 AZR 121/18 - Rn. 51, BAGE 164, 201). Ein Vertrauen, nur aufgrund einer wirksamen Allgemeinverbindlicherklärung in Anspruch genommen zu werden, ist daher nicht schutzwürdig ( - Rn. 80).

54c) Der Einwand der Revision, weder überragende Belange des Gemeinwohls noch eine unklare und verworrene Rechtslage könnten die echte Rückwirkung rechtfertigen, verfängt ebenfalls nicht. Ob der Sachverhalt einer der von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen zugeordnet werden kann, ist unerheblich, weil sie nicht abschließend sind. Für die Frage, ob mit einer rückwirkenden Änderung der Rechtslage zu rechnen war, ist von Bedeutung, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der betroffenen Personengruppe auf ihren Fortbestand zu begründen (vgl.  - Rn. 64, BVerfGE 135, 1;  - Rn. 61; - 10 AZR 499/17 - Rn. 91; - 10 AZR 559/17 - Rn. 47).

55d) Der Senat teilt nicht die auf das - 2 BvL 6/59 - BVerfGE 13, 261) gestützte Auffassung der Beklagten, wonach das Vertrauen des Bürgers in den Bestand geltenden Rechts erst von dem Moment an nicht schutzwürdig sei, in dem der Deutsche Bundestag ein rückwirkendes Gesetz beschlossen habe. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass schon die Zuleitung eines Gesetzentwurfs nach Art. 76 Abs. 2 Satz 1 GG vertrauenszerstörende Wirkung haben kann ( - Rn. 152 mwN, BVerfGE 148, 217).

56e) Bei dem von der Beklagten reklamierten Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit handelt es sich um eine Ausprägung des Grundsatzes der Rechtssicherheit im Bereich des Abgabenrechts (vgl.  - Rn. 41, 45, BVerfGE 133, 143). Auch hier kommt es darauf an, ob das Vertrauen in die Kontinuität der Rechtslage schutzwürdig ist. Ein solches Vertrauen konnte nicht entstehen.

57f) Das SokaSiG verstößt nicht gegen das ebenfalls durch Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 20 Abs. 3 GG begründete Gebot hinreichender Bestimmtheit der Gesetze. Gesetzliche Tatbestände sind so zu fassen, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten daran ausrichten können ( ua. - Rn. 77 mwN, BVerfGE 149, 293). Das Bestimmtheitsgebot schließt die Verwendung wertausfüllungsbedürftiger Begriffe bis hin zu Generalklauseln nicht aus. Auch gegen die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe bestehen keine Bedenken, wenn sich mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berücksichtigung des Normzusammenhangs oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt ( ua. - Rn. 78, aaO). Die Auslegung und Anwendung der Regelungen, die den betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge eröffnen und die die Beklagte für unbestimmt hält, sind Gegenstände einer langjährigen und gefestigten Rechtsprechung des Senats. Aus ihr lässt sich eine zuverlässige Grundlage insbesondere für die Auslegung der von den Tarifvertragsparteien verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe gewinnen. Dem Senat obliegt es, aufgrund der Vielgestaltigkeit der Sachverhaltskonstellationen zwangsläufig verbleibende Unklarheiten über den Anwendungsbereich dieser Normen - soweit möglich - durch Präzisierung und Konkretisierung im Weg der Auslegung auszuräumen.

583. § 7 SokaSiG entzieht weder der gerichtlichen Kontrolle von Allgemeinverbindlicherklärungen nach § 98 ArbGG den Boden, noch „annulliert“ die Vorschrift unter Verstoß gegen Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung.

59a) Mit der gesetzlichen Erstreckungsanordnung sollte - letztlich mit Rücksicht auf die Forderungen der Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit - statt anfechtbaren Rechts unanfechtbares Recht gesetzt werden. Der Gesetzgeber hat dabei weder die Rechtsprechung des Senats „kassiert“, noch hat er „neues“ Recht geschaffen oder in die allein dem Bundesverfassungsgericht zukommende Kompetenz zur Aufhebung von Akten der Judikative eingegriffen. Vielmehr hat er lediglich eine aus formellen Gründen unwirksame Erstreckung der Normwirkung der Verfahrenstarifverträge durch eine wirksame - gesetzliche - Erstreckungsanordnung ersetzt, um auf diese Weise den weitreichenden Folgen der Beschlüsse des Senats vom entgegenzuwirken ( - Rn. 38; - 10 AZR 400/18 - Rn. 38; - 10 AZR 38/18 - Rn. 25; - 10 AZR 549/18 - Rn. 89; - 10 AZR 499/17 - Rn. 95; - 10 AZR 121/18 - Rn. 92 f., BAGE 164, 201). Die gerichtliche Kontrolle von Allgemeinverbindlicherklärungen findet nach wie vor statt (zB  - Rn. 14 ff.; - 10 ABR 62/16 - Rn. 21 ff., BAGE 162, 166).

60b) Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang weiter rügt, § 5 TVG werde zur „leeren Hülle“, übersieht sie, dass Art. 70 Abs. 2, Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG dem Bund eine umfassende Zuständigkeit für privatrechtliche und auch öffentlich-rechtliche Bestimmungen über die Rechtsbeziehungen im Arbeitsverhältnis zuweist. Sie erstreckt sich unter anderem auf das Tarifvertragsrecht, ohne dem Vorbehalt der Erforderlichkeit des Art. 72 Abs. 2 GG zu unterliegen ( ua. - Rn. 126, BVerfGE 146, 71;  - Rn. 30; - 10 AZR 400/18 - Rn. 30; - 10 AZR 121/18 - Rn. 44 mwN, BAGE 164, 201).

614. Der Vortrag der Beklagten, wonach der Kläger unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nur von denjenigen Betriebsinhabern keine Beiträge für zurückliegende Zeiträume verlange, die die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen erstritten hätten, steht der Verurteilung der Beklagten nicht entgegen.

62a) Dieses Verteidigungsvorbringen und die ihm zugrunde liegenden Tatsachen wurden erstmals in der Revisionsbegründung vorgebracht. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts enthält dazu keine ausdrücklichen Feststellungen. In den im angefochtenen Urteil in Bezug genommenen Schriftsätzen der Beklagten sowie in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht findet sich ebenfalls kein solcher Vortrag. Damit handelt es sich um neues Tatsachenvorbringen in der Revisionsinstanz, das nach § 72 Abs. 5 ArbGG, § 559 ZPO nicht zu berücksichtigen ist ( - Rn. 53).

63b) Selbst wenn der Senat den Vortrag berücksichtigte, folgte daraus kein anderes Ergebnis. Die Beklagte könnte wegen einer etwa unterbliebenen Inanspruchnahme anderer Arbeitgeber nicht für sich reklamieren, ebenfalls nicht zur Beitragszahlung herangezogen zu werden. Das liegt schon daran, dass sie die Vergleichsgruppe und die tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Vergleichbarkeit ergeben soll, nicht hinreichend substantiiert darlegt. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, inwiefern sich die Beklagte auf eine Praxis des Klägers berufen könnte, bestimmte Arbeitgeber nicht zur Zahlung von Beiträgen heranzuziehen, obwohl sie nach den Verfahrenstarifverträgen dazu verpflichtet wären. Art. 3 Abs. 1 GG vermittelt keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen „Verwaltungspraxis“. Insoweit gibt es keine „Gleichheit im Unrecht“ ( - zu II 1 der Gründe;  - Rn. 54 f. mwN).

64C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2019:181219.U.10AZR141.18.0

Fundstelle(n):
BB 2020 S. 1011 Nr. 18
JAAAH-46024