BGH Beschluss v. - XII ZB 402/19

Berufungsverwerfung nach fehlender Äußerung trotz gerichtlichen Hinweises

Leitsatz

Legt der Rechtsmittelführer trotz entsprechenden gerichtlichen Hinweises erst nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Verwerfung der Berufung dar, dass er rechtzeitig die Verlängerung der Begründungsfrist beantragt hat, lässt das die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung unberührt.

Gesetze: § 520 Abs 2 ZPO, § 522 Abs 1 S 2 ZPO, § 522 Abs 2 S 1 ZPO, § 522 Abs 2 S 2 ZPO

Instanzenzug: OLG Dresden Az: 5 U 847/19vorgehend Az: 2 O 885/17

Gründe

I.

1Der Beklagte wendet sich gegen die Verwerfung seiner Berufung.

2Das Urteil des Landgerichts ist dem Beklagten am zugestellt worden. Seine hiergegen eingelegte Berufung ist beim Oberlandesgericht am eingegangen. Mit Verfügung vom hat das Oberlandesgericht den Beklagten mit einer Stellungnahmefrist bis zum darauf hingewiesen, dass die Berufungsbegründungsfrist am Montag, dem geendet hatte. Die Berufungsbegründung sei aber weder bis zu diesem Tage noch seitdem beim Oberlandesgericht eingegangen. Hierauf hat der Beklagte, der sich als Rechtsanwalt zugleich selbst vertreten hat, mit Schriftsatz vom mitgeteilt, dass er wegen einer mehrwöchigen, mandatsbedingten Auslandsabwesenheit nicht in der Lage gewesen sei, die Berufungsbegründung fristgemäß zu fertigen. Er sei ab dem wieder anwesend. Daher werde "nachträglich" beantragt, "die Frist zur Begründung der Berufung" bis zum zu verlängern. Das Oberlandesgericht hat die Berufung mit Beschluss vom verworfen. Mit Schriftsatz vom hat der Beklagte geltend gemacht, bereits mit Telefax vom die Verlängerung der Berufungsfrist beantragt zu haben. Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet er sich gegen die Verwerfung seiner Berufung.

II.

3Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

4Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt den Beklagten weder in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) noch in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip).

51. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Das angefochtene Urteil sei dem Beklagten am zugestellt worden. Die Berufung sei durch einen am beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz eingelegt, jedoch nicht begründet worden. Damit sei die Berufungsbegründungsfrist des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO ergebnislos verstrichen, die Berufung mithin unzulässig.

62. Das hält sich im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

7a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist der angefochtene Beschluss hinreichend begründet.

8aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen. Allerdings ist die Wiedergabe des gesamten Sachverhalts und der Anträge in einem die Berufung nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO verwerfenden Beschluss nicht erforderlich. Der Beschluss kann sich etwa bei Verwerfung der Berufung wegen nicht gewahrter Berufungsfrist (§ 517 ZPO) oder Begründungsfrist (§ 520 Abs. 2 ZPO) auf die dafür entscheidungserheblichen Umstände beschränken. Die Entscheidung des Berufungsgerichts muss aber auch in diesen Fällen jedenfalls die die Verwerfung tragenden Feststellungen enthalten, weil andernfalls dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung der Entscheidung nicht möglich ist (Senatsbeschluss vom - XII ZB 605/14 - FamRZ 2016, 625 Rn. 6 mwN).

9bb) Die angefochtene Entscheidung entspricht diesen Vorgaben. Sie enthält sämtliche Feststellungen, die für eine Verwerfung der Berufung mangels Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist erforderlich sind.

10b) Ebenso wenig hat das Oberlandesgericht den Beklagten in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Vor allem hat es ihn vor der Verwerfung auf die Nichteinhaltung der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen.

11aa) Zwar sieht § 522 Abs. 1 ZPO im Gegensatz zu § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO für den Fall einer Verwerfung eines unzulässigen Rechtsmittels eine Anhörung der Verfahrensbeteiligten nicht ausdrücklich vor. Die Pflicht zur Anhörung des Rechtsmittelführers folgt indessen unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG. Er gibt dem Verfahrensbeteiligten eines gerichtlichen Verfahrens somit ein Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern (Senatsbeschluss vom - XII ZB 107/17 - FamRZ 2018, 449 Rn. 7 mwN).

12bb) Dem ist das Oberlandesgericht gerecht geworden. Es hat den Beklagten vor der Verwerfung der Berufung darauf hingewiesen, dass innerhalb der Begründungsfrist und auch danach bei Gericht keine Berufungsbegründung eingegangen ist. Damit hat es dem Beklagten ermöglicht, hierzu Stellung zu nehmen. Das hat der Beklagte mit Schriftsatz vom auch getan. Darin hat er darauf hingewiesen, dass er nicht in der Lage gewesen sei, die Berufung fristgerecht zu begründen. Außerdem hat er "nachträglich" beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung zu verlängern. Er hat zu diesem Zeitpunkt weder darauf hingewiesen, dass er bereits mit Telefax vom die Verlängerung der Berufungsfrist beantragt habe, noch hat er sich weiteren Vortrag zur Fristversäumung vorbehalten. Die Hinweispflicht soll in solchen Situationen vermeiden, dass das Rechtsmittel verworfen wird, weil bestimmte, in der Sphäre des Rechtsmittelführers liegende Umstände dem Rechtsmittelgericht verborgen geblieben sind. Weil der Beklagte indes weder auf einen bereits eingereichten Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist hingewiesen noch sich weiteren Vortrag vorbehalten hat, bestand für das Oberlandesgericht keine Veranlassung, weitere Nachforschungen anzustellen. Eine nachträgliche Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist war - worauf das Oberlandesgericht den Beklagten zu Recht hingewiesen hat - ohnehin nicht möglich.

13Legt der Rechtsmittelführer erst nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Verwerfung der Berufung dar, dass er rechtzeitig die Verlängerung der Begründungsfrist beantragt hat, lässt das die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung regelmäßig unberührt.

14c) Schließlich kommt auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht.

15Zwar hätte das Oberlandesgericht auch noch nach der Verwerfung der Berufung über eine rechtzeitig beantragte Wiedereinsetzung entscheiden können (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 107/17 - FamRZ 2018, 449 Rn. 5 mwN). Zu Recht geht aber auch die Rechtsbeschwerde selbst davon aus, dass eine Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist nicht Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist. Im Übrigen ist die versäumte Prozesshandlung entgegen § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht fristgerecht nachgeholt worden (vgl. Musielak/Voit/Grandel ZPO 16. Aufl. § 236 Rn. 7 mwN).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:260220BXIIZB402.19.0

Fundstelle(n):
NJW 2020 S. 10 Nr. 17
NJW-RR 2020 S. 877 Nr. 14
TAAAH-45455