Besitzen Sie diesen Inhalt bereits,
melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.
Immobilienwertgutachten in der WP- und StB-Kanzlei
Typische Einsatzgebiete, Fallstricke und aktuelle Rechtsprechung
Die aktuelle Niedrigzinsphase, die gute Konjunktur sowie die positive Arbeitsmarktsituation treiben die Preise für Immobilien in immer schwindelerregendere Höhen. Niemand wagt jedoch verlässlich einzuschätzen, ob hierbei schon von einer generellen Immobilienblase gesprochen werden kann. Mancher mag im Vertrauen auf weiter allzeit steigende Immobilienpreise keinerlei Bedarf für Immobilienwertgutachten sehen. Bei sinkenden Marktpreisen dürfte hingegen der Ruf nach gutachterlichen Wertfindungen (ohne Euphoriezuschlag) immer lauter werden. Spätestens im Falle einer signifikanten Eintrübung der wohlgefälligen Rahmenbedingungen werden die Immobilieninvestitionen der Mandanten zunehmend einer Überprüfung auf außerplanmäßigen Abschreibungsbedarf unterzogen werden müssen. „Werkzeuge der Wahl“ sind hierbei Gutachten, deren Qualität und Verwendbarkeit jedoch stets kritisch zu würdigen sind. In der Praxis sehen sich Berufsträger vielen Fragen ausgesetzt. Bei welchen Praxisthemen ergibt sich Handlungs- und Beratungsbedarf auf Grundlage von Immobilienwertgutachten und welche Bedeutung hat „IDW S 10“? Diesen und anderen aktuellen Fragen gehen die Autoren in diesem Beitrag nach.
Graumann, Wirtschaftliches Prüfungswesen, 5. Aufl. 2017 NWB LAAAG-60025
Berufsträger sind häufig Konsumenten von Immobilienwertgutachten. Die Bedeutung dieser Wertgutachten wird in Zukunft steigen, falls sich flächendeckend oder regional Wertverluste auf Immobilienteilmärkten abzeichnen sollten. Die Person des Gutachtenerstellers ist dabei ein wichtiges Kriterium für die spätere, uneingeschränkte Verwendbarkeit eines Gutachtens.
Immobilienwertgutachten könnten zukünftig eine erhöhte Bedeutung bei der qualifizierten Schätzung der steuerlichen (und handelsrechtlichen) Restnutzungsdauer eines Gebäudes sowie bei Kaufpreisaufteilungen erlangen.
Die Verwendung von IDW S 10-Gutachten zur Immobilienwertermittlung ist nicht nur bei steuerlichen Bewertungsanlässen problematisch.
I. Immobilienblase – Fernes Schreckgespenst oder Wirklichkeit?
Glaubt man den Aussagen im Frühjahrsgutachten der Immobilienwirtschaft 2019 , kann für den deutschen Immobilienmarkt derzeit zumindest noch keine flächendeckende Blasenbildung angenommen werden. Vielmehr bestehe diese Gefahr aktuell nur für sog. A-Lagen und deren Umland. So sehen die Immobilienweisen in ihrem Gutachten inzwischen lediglich verstärkte Hinweise auf (regionale) Preisübertreibungen, die sich dort insbesondere anhand einer ungleichgewichtigen Entwicklung zwischen Mieten und Kaufpreisen ablesen lassen („Scherenbewegung“). Im UBS Global Real Estate Bubble Index 2019 wird München derzeit das weltweit größte Risiko einer bereits existierenden Immobilienblase attestiert und auch in Frankfurt am Main kommt die Untersuchung von UBS zu einem signifikanten Blasenrisiko. Vergleichbare Ergebnisse für das Blasenrisiko in Metropolregionen zeigt auch der empirica-Blasenindex für das 3. Quartal 2019, bei dem für zehn von zwölf deutschen Großstädten derzeit eine „eher hohe Blasengefahr“ angenommen wird. Das Rückschlagpotential für die Top-7-Städte wird hierbei mit einer Größenordnung von 40 % taxiert (vor drei Jahren: 26 %). Skeptiker eines Immobilienblasenrisikos dürften diesen Studien wohl demonstrativ entgegenhalten, dass die Bundesbank schon seit mehr als sechs Jahren vor lokal überreizten Immobilienpreisen warnt – der Immobilien-Superzyklus aber trotz dieser Unkenrufe noch immer intakt sei. S. 108
Wenngleich sich die Existenz einer aktuellen Immobilienblasengefahr nicht mit Sicherheit feststellen lässt, geht derzeit jedenfalls die Mehrheit der Studien von einem insgesamt erhöhten Blasenrisiko aus – mit besonderer Risikoausprägung für Metropolregionen. Insoweit sollten Investoren und Berufsträger bei Immobilien in diesen Lagen zumindest eine erhöhte Sensibilität für mögliche Preisübertreibungen besitzen. Für Berufsangehörige sind dadurch je nach Auftragsart unterschiedlichste Folgeüberlegungen vermehrt im Hinterkopf zu behalten (z. B. angemessene Risikoberichterstattung im Lagebericht, vermehrte Überwachung von außerplanmäßigem Abschreibungsbedarf, Berichterstattung über stille Reserven durch Wertsteigerungen nach IDW PS 720, Tz. 22, Fragenkreis 11 u. v. m.).
II. Der Markt für Immobilienbewertungen – Ein Überblick
1. Arten von Immobilien-Sachverständigen
Bei der Lektüre von Immobiliengutachten ist eine große Anzahl an verschiedenen „Berufstiteln“ anzutreffen. Diese zu systematisieren bzw. sich hierbei eine gewisse Rangordnung zu vergegenwärtigen, ähnlich einer Kompetenzpyramide, verschafft dem Leser eines Wertgutachtens stets einen ersten groben Eindruck über die mutmaßliche Kompetenz des Sachverständigen.