BVerwG Beschluss v. - 20 F 7/19

Schwärzung einer Empfängerbehördenbezeichnung

Leitsatz

Der Widerspruch einer Behörde, die am Informationsaustausch zwischen Sicherheitsbehörden teilnimmt, gegen die Offenlegung ihrer Eigenschaft als Adressatin einer Informationsübermittlung rechtfertigt für sich genommen nicht die Schwärzung der Behördenbezeichnung in den nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorzulegenden Akten.

Gesetze: § 189 VwGO, § 99 Abs 1 VwGO, § 99 Abs 1 S 1 VwGO, § 99 Abs 1 S 2 VwGO

Instanzenzug: OVG Lüneburg Az: 14 PS 5/19 Beschlussvorgehend Az: 1 A 566/18 Beschluss

Gründe

I

1Der Kläger begehrt in dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren die Verpflichtung des Beklagten, weitere Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten personenbezogenen Daten zu erteilen.

2Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aufgefordert, die vollständigen Unterlagen zu übersenden. Dieser hat daraufhin einen teilweise geschwärzten Teil der Akten vorgelegt, die Vorlage der vollständigen, ungeschwärzten Akten aber unter Abgabe einer Sperrerklärung vom verweigert.

3Auf den Antrag des Klägers, die Rechtswidrigkeit der Verweigerung festzustellen, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom das Verfahren an den Fachsenat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zur Durchführung eines Zwischenverfahrens abgegeben.

4Mit Beschluss vom hat der Fachsenat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass die Sperrerklärung rechtswidrig ist, soweit sie sich auf Blatt 7 der Verwaltungsakte bezieht; im Übrigen sei die Sperrerklärung rechtmäßig. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

5Die zulässige Beschwerde ist nur zu einem geringen Teil begründet.

61. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat das Vorliegen der mit der Sperrerklärung geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO unter Anlegung zutreffender rechtlicher Maßstäbe geprüft.

7Danach ist ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren würde. Eine entsprechende Erschwernis kann sich daraus ergeben, dass bei einer umfangreichen Zusammenschau offengelegter Unterlagen Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen möglich werden. Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen, Arbeitstitel, Verfügungen, namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen, Querverweise, Hervorhebungen und Unterstreichungen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 20 F 15.17 - juris Rn. 6, vom - 20 F 18.17 - juris Rn. 13 und vom - 20 F 1.19 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 78 Rn. 6) sowie Vermerke zur Aktenverwaltung, Schriftverkehr mit anderen Behörden, Gesprächsdokumentationen, Verfügungsbögen und Deckblattberichte ( 20 F 7.16 - juris Rn. 7).

8Personenbezogene Daten im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig. Bei ihnen besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundrechtlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen. Vielmehr können auch Äußerungen und Angaben zur Sache geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht ( 20 F 12.17 - juris Rn. 12). Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter. Personenbezogene Angaben wie Name, Funktionsbezeichnungen, Telefonnummer und sonstige Angaben zu Telekommunikationsverbindungen werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Daran ändert nichts, dass Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten ( 20 F 12.17 - juris Rn. 14). Der Schutz personenbezogener Daten begründet grundsätzlich auch im Fall von Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben, einen Weigerungsgrund ( 20 F 12.17 - juris Rn. 15).

92. Nach diesen Maßstäben ist die Sperrerklärung des Beklagten vom über die Feststellung des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts hinaus auch insoweit rechtswidrig, als auf Blatt 116 der Sachakte in der Zeile "An:" die Kurzbezeichnung einer weiteren Behörde geschwärzt ist. Im Übrigen ist die Sperrerklärung, soweit sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, rechtlich nicht zu beanstanden.

10a) Auf Blatt 116 der Sachakte ist in der Zeile "An:" das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV Abt. 5) als Adressat der E-Mail offengelegt; ein weiterer Adressat ist geschwärzt. Der Beklagte hat diese Schwärzung in der Sperrerklärung vom damit begründet, dass die betreffende Sicherheitsbehörde - anders als die übrigen Sicherheitsbehörden - ihrer Offenlegung als Informationsübermittlungsadressatin widersprochen habe; daran sei der Beklagte gebunden.

11Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend ausgesprochen, dass der Widerspruch einer Behörde auf Empfängerseite für sich genommen nicht genügt, um insoweit die Teilschwärzung zu rechtfertigen. Nicht jeder Informationsaustausch zwischen Sicherheitsbehörden ist geheim; dass die Sicherheitsbehörden Erkenntnisse austauschen, entspricht deren Aufgabe und ist für sich genommen nicht geheimhaltungsbedürftig (vgl. 20 F 18.17 - juris Rn. 16). Zwar kann ein Partnerdienst, der unter dem Schutz einer zugesagten oder vorausgesetzten Vertraulichkeit Informationen übermittelt oder Anfragen gestellt hat, darauf vertrauen, dass die übersandten Informationen oder Auskunftsersuchen auch Jahre später nicht ohne seine Mitwirkung preisgegeben werden (BVerwG, Beschlüsse vom - 20 F 7.16 - juris Rn. 19 und vom - 20 F 2.18 - Rn. 17). Ein entsprechendes Vertrauensschutzinteresse besteht aber nicht, wenn der Partnerdienst lediglich Empfänger einer Information ist. Dies wird auch dadurch illustriert, dass etwa das Bundesamt für Verfassungsschutz - hier ebenso wie bei anderen E-Mails (Blatt 9, 20, 31, 42, 46, 56, 66, 130, 138, 149 der Sachakte) - und eine weitere Sicherheitsbehörde auf der Empfängerseite (siehe Blatt 20 der Sachakte) keine Bedenken gegen eine Offenlegung ihrer Eigenschaft als Adressaten im Informationsaustausch haben (die weiteren Teilschwärzungen in der Zeile "An:" auf Blatt 20 und 130 der Sachakte betreffen namentlich genannte Behördenmitarbeiter).

12Stellt der Widerspruch einer Behörde auf Empfängerseite für sich genommen keinen Weigerungsgrund im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO dar, so ist die Sperrerklärung insoweit rechtswidrig. Dass - wie das Oberverwaltungsgericht meint - ein anderer Weigerungsgrund die Geheimhaltung "offensichtlich rechtfertigt", erschließt sich nicht ohne Weiteres. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit hat nicht zur Folge, dass der Beklagte ohne Weiteres zur Offenlegung der geschwärzten Behördenbezeichnung verpflichtet ist. Sofern es für die Schwärzung - jenseits des bloßen Widerspruchs der Empfängerbehörde - sachliche Geheimhaltungsgründe geben sollte, die insbesondere plausibel machen, warum neben dem Bundesamt für Verfassungsschutz zwar die auf Blatt 20 der Sachakte genannte Sicherheitsbehörde, nicht jedoch die auf Blatt 116 der Sachakte genannte Sicherheitsbehörde offengelegt werden kann, so ist die oberste Aufsichtsbehörde nicht gehindert, die Mängel in einer neuen Sperrerklärung zu beheben (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 20 F 11.09 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 56 Rn. 18 und vom - 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 33).

13b) Hinsichtlich der weiteren Bestandteile sowohl der Verfahrens- als auch der Sachakte, soweit diese im Rahmen der Beschwerde zur Überprüfung des Senats standen, ist die Sperrerklärung rechtmäßig. Die Durchsicht der dem Senat im Original vorliegenden Unterlagen hat bestätigt, dass die vom Beklagten geltend gemachten Weigerungsgründe bestehen. Von einer weitergehenden Begründung wird abgesehen, weil die Entscheidungsgründe Art und Inhalt der geheim gehaltenen Akten und elektronischen Dokumente nicht erkennen lassen dürfen (§ 99 Abs. 2 Satz 14 i.V.m. Satz 10 Halbs. 2 VwGO). Teilschwärzungen, die über diejenigen, die dem Verwaltungsgericht bereits vorgelegten Aktenteile zu entnehmen sind, hinausgehen, kommen in Bezug auf diese Aktenbestandteile nicht in Betracht, weil sie nur zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würden (vgl. 20 F 1.19 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 78 Rn. 12 m.w.N.).

14Soweit ein Weigerungsgrund vorliegt, ist auch die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat in seiner Sperrerklärung eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und die widerstreitenden Interessen der Beteiligten abwägende Ermessensentscheidung getroffen, die den rechtlichen Anforderungen (vgl. 20 F 11.09 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 56 Rn. 12 m.w.N.) genügt.

153. Dem Kläger wurden die Kosten ganz auferlegt, weil er nur zu einem geringfügigen Teil obsiegt hat (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2020:190220B20F7.19.0

Fundstelle(n):
KAAAH-44178