Existiert eine Maßgeblichkeit der Höhe nach?
Der [i]BFH, Urteil v. 20.11.2019 - XI R 46/17 NWB CAAAH-42552 BFH hat einen nicht alltäglichen Fall entschieden: Die rechnerische Rückstellungshöhe in der Handelsbilanz lag unterhalb derjenigen in der Steuerbilanz. Muss in solchen Konstellationen die steuerliche Rückstellung auf den Handelsbilanzwert begrenzt werden? Ein solches Phänomen tritt nur sehr selten auf, was daran liegt, dass Rückstellungen in der Steuerbilanz mit dem Wert des Bilanzstichtags, die in der Handelsbilanz dagegen mit dem Wert vom Erfüllungstag oder -zeitraum zu bewerten sind. Bei üblicherweise steigenden Preisen ist der Handelsbilanzwert damit größer als der in der Steuerbilanz. Hinzukommt die notwendige Abzinsung, die nach dem EStG immer mit 5,5 % vorzunehmen ist. Dagegen liegen die handelsrechtlich relevanten Zinssätze der Bundesbank für alle Restlaufzeiten unterhalb dieses Werts. Eine geringere Abzinsung ergibt einen höheren Wert, der somit für die Handelsbilanz relevant und typisch ist.
Wie [i]§ 253 Abs. 2 Satz 1 HGB i. V. mit IDW RS HFA 34, Tz. 39.kann es aber zu einem höheren steuerlichen Rückstellungsbetrag kommen? Erstens ist dies der Fall, wenn die Abzinsung in der Steuerbilanz geringer ist als in der Handelsbilanz. Das ist derzeit nicht gegeben und somit allenfalls in der Zukunft denkbar, d. h. bei deutlich höheren Zinsen als aktuell. Weiterhin könnten die Wertverhältnisse zum Erfüllungstag „günstiger“ sein als am Bilanzstichtag; das erfordert die Annahme sinkender Preise und ist zumindest in einzelnen Bereichen schon heute nicht auszuschließen. Der wichtigste Fall ist aber derjenige einer Erfüllung der Verpflichtung über einen Zeitraum hinweg: Während das Steuerrecht in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e Satz 2 EStG nur die Abzinsung bis zum Beginn der Erfüllung fordert, muss handelsrechtlich über den gesamten Erfüllungszeitraum abgezinst werden.
Einen [i]Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 11. Aufl. 2020, § 252 Rz. 270 ff.solchen Fall eines Erfüllungszeitraums hatte der BFH zu beurteilen. Und wenig überraschend entschied er sich dafür, die Auffassung der Finanzverwaltung zu bestätigen: Die steuerliche Rückstellung kann zwar rechnerisch über der handelsrechtlichen liegen, der Steuerbilanzansatz der Höhe nach wird aber durch den Handelsbilanzwert begrenzt. Der BFH begründete die Entscheidung insbesondere mit dem Wortlaut „höchstens insbesondere“ im Einleitungssatz von § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG, somit käme die Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz zum Tragen; diese solle nicht durchbrochen werden. Ob es neben der Ansatzmaßgeblichkeit auch eine Bewertungsmaßgeblichkeit gibt, wird gelegentlich bestritten. Nunmehr hat der BFH klargestellt: Mindestens für den Bereich der Rückstellungen liegt eine solche Bewertungsmaßgeblichkeit vor.
Beste Grüße
Wolfgang Eggert
Fundstelle(n):
BBK 2020 Seite 209
NWB OAAAH-43426